Streit um das Selbstbestimmungsgesetz führt zu „stärkerer Anfeindungen von trans* Personen“

Eine differenzierte Debatte und eine Befriedung um das neue Selbstbestimmungsgesetz sei laut Diversity-Fachmann Till Randolf Amelung gerade nicht möglich.
Seitdem die ersten Pläne des neuen Selbstbestimmungsgesetzes publik geworden sind, erhitzt sich immer mehr die Debatte darum, was künftig erlaubt sein soll und was nicht. Immer wieder kam es dabei auch zu Überraschungen: Beispielsweise als Justizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, dass eine Geschlechtsanpassung ab 14 Jahren künftig nur mit Einwilligung der Eltern oder eines Familiengerichts möglich sein soll.
Der Bündnispartner, die Grünen streben, hingehen nach wie vor an, dass Jugendliche ab 14 Jahren eigenverantwortlich diesen Schritt gehen können. Die Berliner SPDQueer Tempelhof-Schöneberg indes forderte vor kurzem, dass eine Geschlechtsanpassung via Sprechakt beim Standesamt bereits ab dem siebten Lebensjahr möglich sein soll.
Debatte über Selbstbestimmungsgesetz extrem verengt
In einem Punkt sind sich aber beinahe alle einig: Das bisherige Transsexuellengesetz (TSG) ist veraltet und muss weg. Das „Wie“ ist nun die Frage, an der sich heftigste Streitigkeiten entfachen. Einer, der mittendrin in diesen Debatten steht, ist der Autor und Diversity-Fachmann Till Randolf Amelung. Er ist selbst ein trans* Mann und versucht immer wieder, schlichtend einzugreifen. Amelung übt dabei durchaus auch Kritik an den aktuellen Plänen des Selbstbestimmungsgesetzes, was ihm als transsexuelle Person absurderweise selbst den Vorwurf einbrachte, transfeindlich zu sein. Dabei würde der Debatte eine Annäherung guttun, denn in der einen oder anderen Weise wird das Selbstbestimmungsgesetz wahrscheinlich im nächsten Jahr kommen, bisher haben sich alle drei Koalitionspartner dafür ausgesprochen.
Amelung gegenüber BuzzFeed News von IPPEN.MEDIA: „Was es hier so schwierig macht, ist die extreme Polarisierung, da so ziemlich jede Person mit Kritik oder Skepsis an einigen Aspekten von Vorhaben wie dem Selbstbestimmungsgesetz als ‚rechts‘ etikettiert wird. Wie soll es hier eine differenzierte Debatte und eine Befriedung überhaupt geben, wenn der Diskurs extrem verengt wird?” Gerade diese vorschnelle Anklage, eine Person sei politisch rechts, ist für Amelung gefährlich, weil Begriffe wie „rechtsextrem“ so ihre Bedeutung verlieren könnten. Natürlich sei das Thema selbst auch ein gefundenes Fressen für rechte Gruppen, allerdings, so Amelung, mache man es selbst nur schlimmer, wenn man Konzepte unter die Leute bringe und dann verlange, dass zu Fehlern geschwiegen werde.
Diskussion über Zweigeschlechtigkeit und Eintrittsalter für eine eigenständige Geschlechtsanpassung
Ein weiterer Streitpunkt ist dabei die Diskussion um die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen – für die einen ein Fakt, für die anderen eine Negierung von nicht-binären Personen. „Ein neues Gesetz darf die Frage nach der individuellen Motivation nicht tabuisieren. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass in ausgewählten Kontexten das biologische Geschlecht relevant sein kann“, so Amelung.
Und wie könnte die Frage um das Eintrittsalter für eine eigenständige Geschlechtsanpassung gelöst werden? „Ich denke, bei einer neuen Regelung gilt es, einerseits die Entwicklung der eigenständigen Persönlichkeit zu würdigen, aber andererseits den spezifischen Herausforderungen gerecht zu werden, dass ein minderjähriger Mensch noch nicht über die gleiche Entscheidungskompetenz eines Erwachsenen verfügt.“ Zugleich müsse berücksichtigt werden, dass Geschlechtsdysphorie als Symptom nicht ausschließlich einer transsexuellen Entwicklung vorbehalten ist, sondern zum Beispiel ebenso bei einer homosexuellen Entwicklung oder Pubertätskrise auftreten könne.
Ampel-Koalition verpasst es, Kritiker:innen mit plausiblen Argumenten zu begegnen
Mit Blick auf die Angst einiger Feminist:innen vor dem Wegfall von Frauenschutzräumen würde sich Amelung mehr Spielraum wünschen: „Es gibt genügend trans* Personen, an denen niemand Anstoß nimmt. Ebenso sollte man es auch respektieren, wenn Personen einen geschlechtergetrennten Raum auf der Basis des biologischen Geschlechts wünschen oder beispielsweise in der Pflege nur von einer Pflegekraft des gleichen biologischen Geschlechts versorgt werden wollen.“ So wäre eine Idee der Befriedung, im Zweifelsfall zusätzliche Schutzräume für trans* Personen zu schaffen. Ebenso hält es Amelung für richtig, dass es künftig eine Ordnungswidrigkeit samt Geldstrafe geben soll, wenn jemand bewusst den Deadname einer trans* Person nennt, um diesen bloßzustellen.
Es gibt also durchaus Aspekte, in denen eine Annäherung stattfinden kann, vielleicht liegt es jetzt an allen Beteiligten trotz einer emotional aufgeladenen Debatte zurück, zu einer sachlichen Diskussion zu kommen. „Gerade beim Selbstbestimmungsgesetz verpassen es sowohl die Ampel-Koalition, als auch die transaktivistischen Organisationen, lauter werdenden Kritikerinnen und Kritikern mit plausiblen Sachargumenten zu begegnen. Daher befürchte ich leider, dass alles in stärkere Anfeindungen von trans* Personen münden wird. Und ob es dann überhaupt noch ein neues Gesetz zur Ablöse des TSGs geben wird, halte ich auch für fraglich“, so Amelung mit seinem Appell für eine Rückkehr an den Gesprächstisch.