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Fahrgastverband warnt: 49-Euro-Ticket könnte nach hinten losgehen

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Von: Moritz Bletzinger

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Das Deutschlandticket alleine wird die Verkehrswende in Deutschland nicht herleiten.
Das Deutschlandticket alleine wird die Verkehrswende in Deutschland nicht herleiten. © Symbolbild: Imago/A. Tamboly

Das Fundament fehlt. Der Fahrgastverband Pro Bahn glaubt nicht, dass das 49-Euro-Ticket die Verkehrswende herbeiführt. Es könnte sich sogar negativ auswirken.

Ab dem 1. Mai soll es endlich da sein: Das 49-Euro-Ticket. Nach dem Erfolg des 9-Euro-Vorgängers ist die Euphorie um den Nachfolger aber bereits verflogen. Die Akzeptanz fehlt, das Fundament auch. Für die Verkehrswende reicht das 49-Euro-Ticket nicht aus.

Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn mahnt gegenüber BuzzFeed News DE, es brauche vernünftige Angebote für alle, Restriktionen für Autofahrer:innen und eine „Einstiegsdroge“ für ÖPNV-Verweigerer. Sonst könnte der Ticket-Plan auch nach hinten losgehen.

49-Euro-Ticket offenbar vielen zu teuer: Aber das ist nicht das größte Problem

Vielen ist das 49-Euro-Ticket wohl zu teuer, folgerte die FAZ am Montag aus einer Forsa-Umfrage. Der billigere Vorgänger hat vielen Menschen Dinge ermöglicht, die sie sich sonst kaum hätten leisten können. Dieser Pluspunkt fällt jetzt weg. Nur 15 Prozent der Teilnehmenden hatte angegeben, das Deutschlandticket regelmäßig kaufen zu wollen. Klar, das ist zu wenig für die Verkehrswende. Aber liegt es nur am Preis?

„Wo es kein Angebot gibt, könnte man das Ticket auch für 15 Cent anbieten und niemand würde es kaufen“, sagt Naumann. Bund und Bahn gehen das Thema grundsätzlich verkehrt an.

Falsche Herangehensweise beim Deutschlandticket? Dem Angebot fehlt das Fundament

Naumann wagt einen Blick nach Österreich: „In Wien wurde das Nahverkehrsnetz 20 Jahre lang ausgebaut, dann wurde für den Autoverkehr eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt und schließlich das 365-Euro-Ticket eingeführt“, erklärt er.

„Und wir fangen jetzt mit dem Preis an“, stellt er fest. So kann es eigentlich nicht funktionieren, dem Angebot fehlt das Fundament. Gerade im ländlichen Raum helfe das Deutschlandticket alleine fast nichts: „Wenn der Bus nur alle zwei Stunden fährt, steigt niemand vom Auto auf den ÖPNV um“, mahnt Naumann.

Fahrten sind zu selten, da sei der Preis momentan teils das kleinere Übel, hält er fest: „Es gibt Angebote auf dem Land, die zeigen, dass man die Leute auch mit heutigen Preisen gewinnen kann. Diese Angebote müssen geschaffen werden, dann gibt es eine Chance, dass sich etwas verändert.“

49-Euro-Ticket ein Schuss nach hinten? „Landkreise befürchten, Angebote abschaffen zu müssen“

Nun könnte aber ausgerechnet das Deutschlandticket dazu führen, dass auf dem Land noch weniger Busse fahren. Wenn die Einnahmen durch das neue Abo sinken, könnte es kleine Verkehrsverbände hart treffen. „Manche Landkreise befürchten, Angebote abschaffen zu müssen, wenn das 49-Euro-Ticket kommt und sie dadurch zusätzliche Kosten übernehmen müssen“, berichtet Naumann.

Die Bundesregierung stellt den Ländern 1,5 Milliarden Euro jeweils für die Jahre 2023 bis 2025 zusätzlich zur Verfügung. Die entscheidende Frage für Naumann: „Wie verteile ich das Geld?“ Die Regionen, die bislang auf der Strecke geblieben sind, befürchten jetzt, vollends abgehängt zu werden. Wenn das passiert, „kann es dazu führen, dass das 49-Euro-Ticket kontraproduktiv wird“, warnt Naumann.

„Sie wissen nicht, wie es ist, eine Stunde auf den Anschlusszug zu warten. Unseren Verkehrspolitiker:innen fehlt das Verständnis, trotzdem entscheiden sie.“

Karl-Peter Naumann über den mangelhaften ÖPNV-Ausbau auf dem Land.

Warum ist das ÖPNV-Angebot auf dem Land immer noch so schlecht? Naumann hat eine Theorie. „Politiker:innen steigen in Berlin in den ICE, fahren nach München, steigen dann aber nicht in die Bayerische Oberlandbahn und dann in den Bus um“, prangert er an: „Sie haben die Reisekette nie zu Ende erlebt. Sie wissen nicht, wie es ist, eine Stunde auf den Anschlusszug zu warten. Unseren Verkehrspolitiker:innen fehlt das Verständnis, trotzdem entscheiden sie darüber.“ Naumann wünscht sich, dass sich die Politiker:innen mehr Feedback einholen und gemeinsame Fahrten mit Bürger:innen unternehmen. Schon im Juli hatte er die Ideen von Volker Wissing als realitätsfern bezeichnet.

Es ist nicht alles schlecht: Fahrgastverband bezeichnet Deutschlandticket als Schritt in die richtige Richtung

Trotzdem: Die Einführung ist für den Fahrgastverband ein Schritt in die richtige Richtung – zumindest so lange keine Strecken abgeschafft werden. „Es ist einer von zwei Schritten“, erklärt Naumann: „Das Deutschlandticket ist für Dauerfahrer:innen attraktiv. Aber ich muss auch eine Einstiegsdroge haben. Sprich: attraktive Einzeltickets. Wenn Sie ein unbekanntes Bier probieren und es ist lauwarm, dann hat die Brauerei vergeigt.“

„Das Auto muss unbequem sein“: Fahrgastverband fordert Restriktionen

„Es reicht nicht, es muss mehr passieren“, betont Naumann. Dazu gehören aus seiner Sicht auch Restriktionen für Autofahrer:innen, zum Beispiel kostenpflichtige Parkplätze an Supermärkten oder eine höhere Besteuerung von Dienstwägen. „Ohne geht es nicht. Das Auto muss unbequem sein, damit die Leute umsteigen“, sagt er. Auch im Anti-Verbotsland Deutschland: „Sicherlich ist es in Deutschland besonders schwierig, aber in anderen Ländern hat es ja auch geklappt. Das muss natürlich vorsichtig gemacht werden. Und vor allem müssen sich die großen Parteien einig sein.“

„Das 49-Euro-Ticket hilft uns ein Stück weiter, bringt uns aber nicht zur Verkehrswende“, schließt Naumann. Und das hängt bei Weitem nicht allein am Preis. (moe)

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