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TikTok-Trend #Dayinthelife: So langweilig ist das Leben von TikToker:innen wirklich

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Mikes Schwankes virales TikTok in dem er den Day in My Life Trend parodiert
Mikes Schwankes virales TikTok. © @snotwurst420/via twitter

TikToker:innen nehmen den #dayinthelife TikTok-Trend auf die Schippe, und zeigen, wie ein Tag in ihrem Leben wirklich aussieht.

Mike Schwanke hätte dieses Wochenende in Chicago verbringen können, wie die meisten anderen auch. Er hätte sich ich von seinem Job in der Tech-Branche erholen, mit seinem Hund spazieren gehen oder vielleicht ein paar Bars mit Freund:innen besuchen.

Aber die Wahrheit ist, dass seine Freundin und seine Mitbewohner:innen nicht in der Stadt waren und er nicht viel unternommen hat. „Ich war allein zu Hause und habe nichts gemacht“, sagt er BuzzFeed News US. „Ich habe absolut nichts gemacht.“

Das kann man von dem einzigen Video, das er an diesem Wochenende gemacht hat, nicht behaupten: Ein Video, das seitdem viral gegangen ist, weil es eine perfekte Parodie auf die „Day in My Life“-Videos ist, die auf TikTok scheinbar überall zu finden sind. „Das hier ist mein Wochenende als 28-Jähriger, der in Chicago lebt“, sagt Schwanke in dem Video und imitiert dabei die Mimik eines Podcast-Moderators, der Besseres zu tun hat.

Mike Schwankes Video ist eine Parodie des „Day in the Life“-Trends auf TikTok

Zumindest dem Video zufolge beginnt sein Tag ganz normal: Er macht sein Bett, bevor er den „Mental Awareness Day“ (Tag des Bewusstseins über Mentale Gesundheit) in seinem ungenannten Unternehmen genießt und sich mit einem Freund zum Brunch und zu Drinks trifft. Doch schon bald fährt er mit anderen Freund:innen Kajak auf dem Chicago River, geht in ein Museum und in ein mexikanisches Restaurant für Tacos, trinkt Cocktails und bestellt Margaritas. Dann bringt er sein Auto zur Reparatur, sieht Bill Maher im Theater in Chicago auftreten, trinkt mit anderen Freund:innen Tequila und probiert einen weiteren Margarita-Turm. Dann sind sie in einem neuen Restaurant, genießen gefüllte Ananas und Schneekrabben, treffen sich mit Kumpels auf ein Bier in einer Sportbar, essen im fünften Restaurant ein paar „kleine Häppchen“ und gehen dann unerklärlicherweise zu Medieval Times.

Wenn du dich jetzt fragst, wie Schwanke all diese Abenteuer und Margaritas in einen einzigen Tag packt und sich das alles leisten kann, dann bist du nicht allein. Viele Menschen, die das Video gesehen haben, das allein auf Twitter mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen wurde, brauchten eine ganze Weile, bis sie merkten, dass das alles nur ein Witz war.

Manche Eltern halten den TikTok-Trend, bei dem sie ihre Kinder mit Horrorvideos erschrecken, wohl auch für lustig, obwohl das absolut nicht der Fall ist.

Satirische „Day in the Life“-Videos auf TikTok: „Einfach verrückt, dass die Leute den ganzen Scheiß in ein Wochenende packen“

Schwanke, ein Comedian, der mit Freund:innen in der Gruppe Phantasmagoria auftritt, produzierte diese Videos, die er und seine Kumpels untereinander austauschen, als Satire von dieser Art von Videos, in denen TikToker:innen all die Dinge filmen, die sie an einem „typischen“ Tag erleben.

„Ich habe ein paar Videos von Leuten gesehen, die das ernsthaft machen, und es ist verrückt, dass diese Leute sich scheinbar nicht selbst reden hören können. Es ist einfach verrückt, dass die Leute den ganzen Scheiß, den sie machen, in ein Wochenende packen“, sagte Schwanke. „Ich glaube, sie sind schon eine Art Parodie ihrer selbst. Wenn man sich die Videos anschaut, finde ich die Art, mit der sie über ihr Wochenende sprechen, das so verrückt ist, und das mit einer normalen, alltäglichen Stimme, wirklich lustig.“ Gar nicht lustig ist dagegen die #barkatyourdogchallenge auf TikTok, bei der Hunderbesitzer:innen ihre Hunde anbellen.

Eine Suche nach dem Hashtag #dayinmylife auf Tiktok: Mehrere TikTok Videos auf Bildschirm
Eine Suche nach dem Hashtag #dayinmylife auf Tiktok. © TikTok

„Day in the Life“-Videos auf TikTok: „Es ist faszinierend, zu sehen, wie jemand anderes sein Leben lebt“

„Day in the Life“ (Ein Tag im Leben)-Videos gibt es überall und in jeder Form auf TikTok. Man kann 22-Jährige dabei beobachten, wie sie „ihr Leben auf die Reihe kriegen“, indem sie putzen und trainieren, oder Student:innen, die sich beim Lernen und Trainieren filmen, um ihre #Motivation zu teilen (in all diesen Videos wird viel trainiert).

Aber es gibt auch Nischenvideos, die das vermeintlich typische Leben eines Privatkochs in den Hamptons (946.000 Follower:innen) oder einer Frau zeigen, die in einem verfluchten Haus lebt und arbeitet, das die Inspiration für die Conjuring-Filme war (1,3 Millionen Follower:innen). TikToks mit den Hashtags #dayinthelife, #dayinmylife und #dailyvlog haben auf der Plattform zusammen mehr als 49 Milliarden Aufrufe.

Die Videos, die erstmals 2020 von jungen New Yorkerinnen wie Audrey Peters (589 100 Follower:innen) und Victoria Paris (1,4 Millionen Follower:innen) veröffentlicht wurden, die sich beim Besuch von Brunch-Lokalen oder Nagelstudios filmten, als die Stadt nach der Pandemie wieder geöffnet wurde, sind Balsam für unsere Neugier und unseren Voyeurismus.

Wir erhalten einen Einblick in das Leben von Menschen, die zwar keine Berühmtheiten sind, aber dennoch irgendwie glamourös wirken. Sie haben vielleicht einen Job in einem Unternehmen mit einigen Vorteilen, aber was sie dort genau machen, zeigen sie nicht (obwohl Arbeitsplätze immer öfter gezeigt werden). Sie sind 23, sehen heiß aus, leben in Manhattan (es ist immer Manhattan) und essen bei Carbone. Am besten fragt man gar nicht, wie sie sich das alles leisten können, und lässt sich einfach treiben.

„Es ist faszinierend, zu sehen, wie jemand anderes sein Leben lebt. Ich denke, selbst wenn jemand diese Art von Video macht und nur zu Hause bleibt und Videospiele spielt – ja, ich möchte wissen, was für ein Mikrowellengericht du zum Mittagessen gemacht hast. Das finde ich interessant. Ich denke, es ist einfach interessant, einen Einblick in das Leben eines anderen zu bekommen“, sagt Schwanke. „Aber die Leute, die mit diesen Videos Erfolg haben, sind Leute, die ein verrücktes, sorgloses Leben führen, und ja, es macht Spaß, ihnen dabei zuzusehen. Leute, die eine Menge Geld haben und es einfach verprassen, und Leute, die ein verrücktes Alltagsleben führen, das ihnen völlig normal erscheint.“

Social-Media-Apps: Authenzität und Spontanität statt Filter und Perfektion

Ohne Zweifel ist die Instagram-Ästhetik in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund getreten, wie The Antlantic berichtete. Nutzer:innen bevorzugen authentischere Inhalte, die nicht inszeniert wirken. Das erklärt, warum alle deine Freund:innen plötzlich spontane, unbearbeitet Bilder posten oder die BeReal-App herunterladen, die aber auch ihre negativen Seiten hat. Aber selbst auf TikTok werden die Dinge immer noch kuratiert. Immerhin handelt es sich um eine App zur Videobearbeitung.

Spontaner geht nicht: Bei diesen BeReal-Nutzerinnen ging die App-Benachrichtigung mitten auf einer Beerdigung an.

In ihrer reinsten Form sind diese Videos also so etwas wie ein Mittelding. Ihr Leben erscheint sowohl erreichbar als auch unerreichbar. Du zeigst es, aber du zeigst auch wie gut es ist. Wir sehen vielleicht, wie du dich fertig machst, bevor du dich schminkst, aber wir sehen auch das schicke Outfit, das du ausgewählt hast, und erhaschen einen Blick auf dein trendiges Loft. Man sagt uns, dass dieser Tag ziemlich typisch für dich ist, aber trotzdem sehen wir, wie du früh aufstehst, um Yoga zu machen, dich massieren lässt, bis 20 Uhr arbeitest und es trotzdem schaffst, bis spät in die Nacht bei einer Galerieeröffnung zu bleiben – an einem Dienstag?

Das ist die Gen Z- oder Millennial-Version von I Don‘t Know How She Does It! (Anm.d.R. Keine Ahnung wie sie das macht!) Die Antwort? Sie macht es gar nicht! Sogar Peters, die diesen Trend als eine, der ersten populär gemacht hat, hat zugegeben, dass sie mehrere Tage zu einem Video zusammenfügt, wie Vox berichtete.

Viele TikToker:innen sprechen in den Videos mit der sogenannten TikTok-Stimme

Außerdem klingen sie in der Regel alle gleich. Die Digitalstrategin Olivia Yallop schrieb letztes Jahr einen Artikel für Refinery 29 über das Aufkommen der sogenannten TikTok-Stimme, dem registrierten Vortragsstil, der in vielen Frontalvideos auftaucht, in denen Nutzer:innen mit ihrer Intonation und ihrem Tempo spielen, um die anderen Personen, die vor ihnen viral gingen, effektiv nachzuahmen. „Es ist eine Art, zu signalisieren, dass ich eine bestimmte Art von Person bin, ich bin ein Influencer“, erklärte die Soziolinguistin Nicole Holliday gegenüber Yallop.

Schwanke selbst sagt, er habe versucht, in seinem Video „die Stimme“ zu sprechen. „Es ist, als ob die Leute sich in Roboter verwandeln, die versuchen, auf TikTok menschlicher zu klingen, weil TikTok eine verrückte Plattform ist“, sagt er. „Leute versuchen, sich selbst zu vermenschlichen und das, was sie tun, normal erscheinen zu lassen, als hätten sie alles im Griff.“

Satirische #dayinthelife-Videos auf TikTok ziehen den Trend ins Lächerliche

Aber die Natur von TikTok bedeutet auch, dass diese „day in the life“-Videos nach einer Weile irgendwie zu einem einzigen verschwimmen. Die App ermutigt Nutzer:innen, Trends zu kopieren, und je mehr Videos einer bestimmten Art man anschaut, desto mehr wird sie einem der allwissende, alles sehende Algorithmus aufzwingen. Das endet dann irgenwann im Nichts. Übrigens: So gefährlich können Social Media Apps für dein Langzeitgedächtnis sein.

Deshalb ist das Video von Schwanke so perfekt. Es ist das TikTok-Äquivalent zur semantischen Sättigung, jenem Phänomen, bei dem ein Wort, wenn man es oft genug sagt, jede Bedeutung verliert und lächerlich klingt. Es ist eine Fotokopie einer Fotokopie, und man kann sehen, wie sie in Echtzeit zusammenbricht.

Am Ende des Videos hat Schwanke an einem einzigen Wochenende dreimal das Eismuseum besucht, unsinnige Speisen in erfundenen Restaurants gegessen, Zeit mit seiner Freundin und seinem Ehemann und seiner Ehefrau verbracht und eine erschreckende Menge an Margaritas konsumiert. Gegen Ende wird seine Stimme sogar schneller und undeutlicher, wenn in rascher Folge Clips von Comedy-Shows, Wanderungen und Kochsendungen gezeigt werden.

(Fürs Protokoll: Schwanke schätzt, dass etwa ein Drittel des von ihm verwendeten Filmmaterials von ihm selbst stammt, den Rest hat er von anderen auf der Plattform übernommen, einschließlich der Clips von den Margaritas: „Diese Mädchen hatten einen tollen Tag“, sagte er). Schwanke ist nicht der Erste, der die Realität dieser Videos infrage stellt. Andere Nutzer:innen vor ihm haben erst im vergangenen Monat unsere Wahrnehmung auf den Kopf gestellt, allerdings nicht mit Hilfe von Comedy.

„Day in the Life“-Trend auf TikTok: Diese TikTokerin zeigt ihren authentischen Alltag

Kristy Nguyen, eine 22-jährige Kalifornierin, ging am 20. August mit einem Video viral, das einen „typischen Tag“ bei der Arbeit in zwei Supermärkten zeigt: Sie beginnt um sechs Uhr morgens und beendet ihre zweite Schicht erst um 22:30 Uhr. Nguyen, die unbedingt sparen will, um in Aktien und Immobilien investieren zu können, verwendet sogar denselben ätherischen Song, der in den meisten anderen „Tag im Leben“-Videos vorkommt – „Aesthetic“ von Tollan Kim –, während sie Brotkisten schleppt und Online-Bestellungen bei Walmart ausfüllt. Das Video wurde bereits mehr als 2,5 Millionen Mal angesehen.

„Ich habe dieses Video gedreht, weil ich meinen Follower:innen einfach zeigen wollte, was ich an einem Tag mache, denn alles, was ich mache, ist normalerweise nur Arbeit“, sagte Nguyen gegenüber BuzzFeed News US. „Ich denke, dass mein Video deshalb so viel Anklang gefunden hat, weil es definitiv die Realität der meisten Menschen zeigt, die technisch gesehen zwei Jobs haben“, ergänzte Nguyen. „Ich denke, es ist so anders als das Leben von YouTuber:innen, die den ganzen Tag für sich haben und Dinge tun, die einfach nur Spaß machen.“

Diese TikTokerin zeigt ihre Entlassung in einem „Day in the Life“-Clip

Wie Nguyen ist auch Ashleigh Carter, eine 30-Jährige, die in New York City im Medienbereich arbeitet, ein Fan des Formats „Day In The Life“ und der Einblicke, die es in das Leben anderer Menschen gewährt. Anfang dieses Monats war sie auf dem Weg zu ihrem Job als Newsletter-Autorin, als sie beschloss, sich dabei zu filmen, wie sie sich die Haare macht und von ihrer Wohnung in Brooklyn aus mit der U-Bahn fährt.

„Ich dachte mir einfach, dass das der perfekte Tag wäre, um zu zeigen, wie es in meinem Leben aussieht“, sagte Carter gegenüber BuzzFeed News US, bevor sie zugab, dass sie einen dunklen Gedanken im Hinterkopf hatte. „Aus irgendeinem Grund dachte ich: Es wäre so witzig, wenn ich heute gefeuert werden würde. Ich weiß nicht, warum ich diesen Gedanken hatte, und dann bin ich ins Büro gegangen und am Ende ist genau das passiert.“

Vieler TikToker:innen machen sich ganz bewusst über den „Day in the Life“-Trend lustig

In dem TikTok, das mehr als 700.000 Mal aufgerufen wurde, sehen wir, wie Carters Leben den Bach hinuntergeht, als sie an ihrem Schreibtisch ankommt, Kaffee kocht und dann weinend das Büro verlässt. (Carter sagte, sie sei aus finanziellen Gründen entlassen worden, nicht wegen ihrer Arbeitsleistung.) Aufgepasst: Auch der TikTok-Trend „Quiet Quitting“ kann einem die Karriere kosten!

Aber da Carter den Text „Day in the life: girl who just got laid off“ (Tag im Leben eines Mädchens, das gerade entlassen wurde) eingeblendet hat, wissen die Zuschauer:innen auch, was auf sie zukommt, dass sich die Realität auf eine sehr deprimierende Weise in das Video einschleichen wird. Außerdem lässt sie die TikTok-Stimme ganz weg und klingt stattdessen zu Recht zynisch und abgestumpft. „Dieses Video ist jetzt wirklich verdammt lustig, weil ich dieses ‚Verbringe einen Tag in meinem Leben mit mir‘ gefilmt habe“, sagt sie und imitiert die monotone TikTok-Stimme „und ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, als ich heute ins Büro kam.“

Authentische „Day in the Life“-Videos: „Social Media ist wie eine Art Highlight-Reel“

Carter hat auf ihren allzu realen TikTok ein weiteres Video mit dem Titel „Day in the life of a newly unemployed girl“ (Anm.d.R. Ein Tag im Leben eines arbeitslosen Mädchens) folgen lassen, das ebenfalls eine Satire des stereotypen Videos darstellt, das eine junge Frau beim Brunch in einem teuren Viertel von Manhattan zeigen könnte.

„Ich habe diese Videos immer mit Vorsicht genossen, weil Social Media im Allgemeinen wie eine Art Highlight-Reel sind. Ich schaue sie mir trotzdem an, aber ich frage mich immer: ‚Wer bezahlt deine Miete? Ich weiß, dass du es nicht bist. Wie kannst du dir das West Village leisten?‘“ sagte Carter.

„Ich dachte mir einfach, warum nicht [meine Videos] veröffentlichen“, fügte sie hinzu. „Warum nicht einfach zeigen, was wirklich passiert ist?“

Autor ist David Mack. Dieser Artikel erschien am 30. August 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.

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