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TikTokerin mit Spastik in den Beinen will anderen Mut machen: „Habe mich selbst versteckt“

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Von: Pia Seitler

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Social Media hat Melis Selbstbewusstsein gestärkt. Auf TikTok macht sie anderen jungen Menschen mit Einschränkungen Mut.

Melis ist 21 Jahre alt, wohnt in der Nähe von Düsseldorf, macht eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und Melis hat Spastik in den Beinen. Auch wenn sie nicht mit der Krankheit geboren wurde, begleitete sie die 21-Jährige, seit sie denken kann. „Bis ich 15 Jahre alt war, habe ich meine Behinderung gar nicht akzeptiert. Ich habe mein Fahrrad, meine Hilfsmittel und meine Orthesen versteckt. Ich hab mich selbst versteckt“, sagt Melis im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland. Heute spricht sie auf Tiktok über ihr Leben mit Spastik, zeigt sich Tausenden Menschen beim Laufen und klärt auf, wie Menschen mit Einschränkungen einen Führerschein machen können.

Begonnen hat aber alles zunächst auf YouTube. Mit einem iPhone 5 und Windows Movie Maker erstellte sie mit 15 ihre ersten Videos. „Es war eine Überwindung, mich mit meiner Einschränkung zu zeigen“, erzählt sie. Aber es lief gut, viele Menschen sahen sich ihr Video zu ihren Orthesen an und Melis sah, dass es viele Leute gibt, die genauso wie sie eine Einschränkung haben.

Melis zeigt auf ihrem TikTok-Account Videos aus ihrem Alltag als junge Frau mit Einschränkung

Nach einer kurzen Pause startete sie vor zwei Jahren auf TikTok ihren Account mit Videos zum Thema Inklusion. Mit der Zeit habe sie eine Menge Selbstbewusstsein aufgebaut und mit ihrer Behinderung überhaupt kein Problem mehr, sagt die 21-Jährige im Gespräch.

Melis erzählt auf Tiktok von ihrem Alltag als junge Frau mit Einschränkung.
Melis erzählt auf Tiktok von ihrem Alltag als junge Frau mit Einschränkung. © Panthermedia/Imago/Screenshot/Tiktok/@melisakg1

Ich glaube, ich war nie eine stille Maus, aber meine Behinderung war die stille Maus. Ich hab immer versucht, die Behinderung zu verdrängen und durch Social Media bin ich jetzt 100 Prozent ich. Ich war nie schüchtern, aber auf das Thema Behinderung durfte man mich nicht ansprechen. Jetzt kann ich darüber sprechen und lachen. Social Media hat mich als Person verändert und ich konnte andere mit verändern.

Melis

Sich selbst beim Laufen zu sehen, sei trotzdem immer wieder besonders für die 21-Jährige: „Das erste Mal, als ich ein Video gemacht habe, war ich enttäuscht. Ich dachte, ich laufe normal. Aber was ist normal? Und das ist manchmal immer noch so, obwohl auf meinem Handy 10.000 Videos sind“, sagt Melis.

Sie sei perfektionistisch und vergleiche ihre Videos miteinander. Manchmal habe sie Schmerzen und laufe schlechter und dann sei es eine noch größere Überwindung, sich das Video anzusehen. Melis „So laufe ich“-Videos wurden auf Tiktok teilweise über 350.000 Mal angesehen. Auf der Plattform gibt es auch immer wieder witzige Trends, wie der Hype um den Kinofilm Gentleminions – hier geht die Generation Z mit Anzug ins Kino und wirft mit Bananen

„Ich hab keine Lust, mir meinen Behindertenausweis wie ein Beweisschild auf die Stirn zu kleben“

„Ich hatte Lust auf Tiktok. Die jungen Menschen, die Eingeschränkten, die sich vielleicht zu Hause verstecken, die versuche ich herauszuholen“, sagt sie über ihren erfolgreichen Account. Melis geht Schwimmen, ins Fitnessstudio und fährt Auto. Wie du hast einen Führerschein? „Immer wieder bekomme ich solche Nachrichten. Ich möchte solche Sachen normalisieren. Dass es für alle normaler wird, eingeschränkt zu sein. Das ist mein Ziel.“

Auf ihrem Tiktok-Kanal spricht Melis deshalb über Situationen aus ihrem Alltag. Immer wieder werde angezweifelt, dass sie eine Einschränkung habe, ob am Flughafen, auf dem Parkplatz oder in der Bahn. „Ich hab keine Lust, mir meinen Behindertenausweis wie ein Beweisschild auf die Stirn zu kleben“, sagt Melis.

Sie müsse sich immer und immer wieder erklären, beweisen, dass sie auf die Rechte für Menschen mit Behinderung angewiesen sei und das nervt die 21-Jährige extrem. Sie sei in einem Zwiespalt zwischen sichtbarer und unsichtbarer Behinderung. „So lange ich sitze, bin ich die Melis ohne Einschränkung, aber sobald ich aufstehe, werde ich von der Gesellschaft bemitleidet und ich bekomme vermeintliche ‚Vorteile‘, die eigentlich meine Rechte sind“, sagt sie.

Tiktok und Instagram sind Melis Kanäle für Aufklärung und mutmachende Botschaften

Weil das auf TikTok nicht anders sei, habe sie am Anfang überlegt, ob sie zu Beginn ihrer Videos immer zeigen sollte, wie sie laufe. „Aber dann dachte ich mir immer, wieso muss ich mich jedes Mal beweisen? Ich muss nicht immer zeigen, so laufe ich, damit ich in dem Moment als Eingeschränkte wahrgenommen werde.“

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Neben den Videos, in denen Melis zeigt, wie sie läuft, interessiere sich ihre Community sehr für das Thema Führerschein. Ihn als Person mit Einschränkung zu machen, sei mit viel Papierkram und Gutachten verbunden, erzählt sie. „Mir hat das damals niemand erklärt“, so die 21-Jährige. Deshalb teile sie gern ihr Wissen. Drei Personen mit Einschränkung, die über Instagram auf Melis aufmerksam wurden, haben mit ihrer Hilfe ihren Führerschein gemacht, erzählt sie. „Ich hab die Führerscheine als Screenshots bei mir, das macht mich richtig stolz.“

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