TikTok-Trends: Wenn Challenges, Songs, Filter und Hashtags gefährlich werden
Viele TikTok-Trends machen einfach nur Spaß, andere können tödlich sein: Woher die Faszination für Challenges, Songs, Filter und Hashtags kommt und warum sie Millionen von Menschen mitreißt.
Emotional, fesselnd und faszinierend: TikTok-Trends unterhalten Millionen Menschen weltweit. Längst nutzen nicht mehr nur Jugendliche die App, auch Stars wie Ariana Grande, Will Smith oder Heidi Klum lassen sich von Tänzen, Beauty-Hacks oder Herausforderungen mitreißen. TikTok ist eine App, die Massen durch Trends bewegt. Doch die Faszination hat auch eine gefährliche Kehrseite.
Name: | TikTok |
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Erscheinungsjahr: | 2016 |
Entwickler: | TikTok Pte. Ltd. |
Kategorie: | Videoportal, Live-Streaming und Musik |
TikTok-Trends und ihre Gefahr: Teilnehmer schrecken vor nichts zurück
„14-Jähriger schnürt sich bei TikTok-Challenge die Luft ab und stirbt daran“, lautet 2022 eine Schlagzeile von Stern.de. Ein Tod, der hätte verhindert werden können. Bei der sogenannten „Blackout-Challenge“ würgen sich Teilnehmer:innen selbst so lange, bis sie das Bewusstsein verlieren – und das vor laufender Kamera. Die Video-Clips landen dann auf der Social-Media-Plattform TikTok. Es ist nicht der einzige TikTok-Trend, der beängstigend ist.

Mehr als 42 Millionen Aufrufe hat das Video eines TikTok-Trends, bei dem Eltern ihre Kinder erschrecken. In diesem sind zwei Kinder in einem dunklen Raum gefangen, während das Handy einen gruseligen Filter vorspielt. Beide schreien und wollen fliehen, doch die Tür, durch die ihre Mutter eben das Zimmer verlassen hat, ist verschlossen. Gewalt an Frauen wurde ebenfalls schon zum TikTok-Trend: Beim „Femizid-Trend“ teilten Männer 2022 ihre furchterregenden Fantasien davon, wie sie eine Frau nach dem Date, zum Beispiel einem Dinner, umbringen oder misshandeln.
Auch Filter, die Nutzer auf ihre TikToks legen können, sind immer wieder im Trend – und ebenfalls nicht ungefährlich. So warnt beispielsweise eine Psychologin vor dem „Bold Glamour“-Filter, der Depressionen auslösen könnte. Der Filter passt mittels KI das eigene Gesicht an populäre Schönheitsideale an und kann die Körperwahrnehmung massiv stören.
Da drängt sich die Frage auf: Warum machen Menschen bei solchen TikTok-Trends mit?
Ein Massenphänomen: Warum so viele Menschen bei TikTok-Trends mitmachen
„Die neuen, aufregenden Informationen, die TikTok in jedem Video bereithält, werden vom Gehirn als Belohnung angesehen“, sagt Jana Wagner im Interview mit mads.de. Sie forscht als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hohenheim im Fachgebiet Medienpsychologie. Menschen flüchten vor Problemen im Alltag in eine Scheinwelt, wollen der Langeweile entfliehen oder nutzen die Plattform für Unterhaltung. Das Gehirn setzt dann Dopamin, das „Glückshormon“, frei.

Für Nutzer:innen, die selbst Videos auf TikTok posten, komme der Effekt der positiven Bestärkung hinzu. TikTok verzichtet bewusst auf einen Dislike-Button. Durch zahlreiche Likes werden Trends angeheizt. „TikTok hat eine Marktlücke gefüllt, nämlich das Video als zentrales Format“, sagt Wagner. Zielgruppe der App: Vor allem junge Leute. Beim Scrollen durch die Empfehlungen kommt der Überraschungseffekt hinzu. Nutzerinnen und Nutzer wissen nie, welches Video als Nächstes kommt.
Tanzschritte zu Musik oder Comedy-Sketch: Bei TikTok-Trends sind Nutzern keine Grenzen gesetzt
TikTok-Nutzer:innen denken sich neue Challenges aus, die alle möglichen Formen annehmen können. Von kniffeligen Tanzschritten, über Lippensynchronisation bis hin zu lustigen Comedy-Sketchen – der Schlüssel zu einem erfolgreichen Trend ist oft, dass der Video-Clip einfach nachzumachen ist. TikTok-Trends sind eine Sammlung von viralen Kurzvideos, die beliebte Hashtags, Soundeffekte oder sonstige Funktionen beinhalten. Auch Musik spielt eine entscheidende Rolle.
Gefährliche TikTok-Trends
Blackout-Challenge: Die Teilnehmer filmen sich selbst mit dem Smartphone, während sie sich selbst ihre Luftzufuhr abschneiden, bis sie kurz davor sind, in das Bewusstsein zu verlieren. Die Challenge hat bereits für Todesfälle gesorgt.
Femizid-Trend: Männliche Nutzer teilen Ideen für erste Dates, die alle ein tödliches oder zumindest ein gewaltverherrlichendes Ende nahmen.
Mouthtaping-Trend: Nutzer oder Nutzerinnen kleben sich über nach den Mund mit Spezial-Klebeband zu. Grund: Es soll gesünder sein durch die Nase zu atmen. Kann aber zu Erstickung führen.
Skullbreaker (Schädelbrecher-) Challenge: Zu Beginn des Videos hüpfen oder tanzen alle wie geplant, aber einer Person werden beim Hochspringen die Beine weggetreten, sodass sie flach aufs Gesicht oder rücklings auf den Hinterkopf knallt.
Coronavirus Challenge: Nutzer filmten Videos-Clips, wie sie dem Coronavirus trotzen, indem sie an öffentlich zugänglichen Gegenständen lecken, beispielsweise an Toiletten oder Artikeln aus dem Supermarkt.
Jedes Lied mit eingängiger Text-Passage oder Chorus hat die Chance, ein TikTok-Trend zu werden. „Der Song ‚Savage Love‘ von Jason Derulo wurde in mehr als 5,7 Millionen Videos verwendet“, so Jana Wagner zu mads.de. Der entsprechende Hashtag hat mittlerweile mehr als 1,7 Milliarden Aufrufe, nachdem sich TikToker einen Tanz zum Chorus des Liedes ausgedacht hatten. Um solche Trends in TikTok zu entdecken, leistet der Algorithmus ganze Arbeit: Nutzer:innen werden Video-Clips ausgespielt, die am ehesten zu ihren Vorlieben zählen könnten. Je länger die App genutzt wird, desto genauer werden die Clips auf die eigenen Interessen abgestimmt.
Nicht alle TikTok-Trends sind jedoch eindeutig und ausschließlich problematisch. Aktuell diagnostizieren sich auf der Social-Media-Plattform Menschen selbst mit ADHS, was laut Experten gefährliche Folgen haben könnte. Eine selbst von der Krankheit betroffene TikTokerin betont allerdings, dass eine ADHS-Selbstdiagnose auf TikTok Betroffenen helfen könnte – sie fühlten sich so weniger allein und „nicht mehr wie ein Alien“.
TikTok-Trends können auch Positives bewirken: Entspannende Wirkung auf die Psyche
So können sich bestimmte Trends also sogar positiv auf die Psyche auswirken. Untersuchungen zeigen laut Redaktionsnetzwerk Deutschland zudem, dass bestimmte Video-Clips entspannend wirken und Stress abbauen. Etwa der Trend „Satisfying content“. Dieser zeigt Menschen, die Gegenstände säubern, bis diese wie neu aussehen, ein Bild malen oder Geräusche erzeugen, beispielsweise durch Dinge, die sind in ihren Händen zerbröseln.
Auch politische Themen werden von TikTokern regelmäßig aufgegriffen. Um auf den Lehrermangel in Deutschland zu reagieren, posteten zahlreiche Lehrkräfte TikToks, in denen sie sich direkt an das Bildungsministerium wenden. In den USA entstand ein Trend, indem Lehrer:innen mit der Art ihrer Kündigung auf TikTok für Aufsehen sorgten. Das Phänomen #quittok beschränkt sich allerdings nicht nur auf Lehrkräfte. Auch Menschen aus anderen Berufen berichten auf der Social-Media-Plattform von ihren Erfahrungen mit ihrer Kündigung. Im vergangenen Jahr etwa sorgte der TikTok-Trend „Quiet Quitting“ für Aufsehen, bei dem Beschäftigte nur noch das Nötigste arbeiten und damit ihre Karriere gefährden.
Insbesondere Eltern sollten aber immer aufmerksam sein, wenn ihre (jüngeren) Kinder sehr viel Zeit auf TikTok verbringen.
„Eltern sollten sich überlegen, ob sie ihren Kindern die App an sich erlauben“, sagt Digital-Trainer Daniel Wolff im Interview mit Sat1-Bayern. Offiziell sei die App erst ab 13 Jahren zugelassen. Jüngere Kinder müssen folglich bei der Anmeldung lügen und tun dies auch. Im Umkehrschluss würden sie nicht mehr so gerne mit ihren Eltern darüber reden. „Deshalb bekommen die nicht mehr viel mit.“
Digital-Experte über TikTok für Kinder: „Wichtig ist das Vertrauen der Eltern zum Kind“
Der Digital-Trainer empfiehlt eine Kinderschutz-Software zu installieren oder dass Apps vor der Installation via Benachrichtigung auf das Handy der Mutter oder des Vaters erlaubt werden müssen. „Das halte ich für sehr sinnvoll“, sagt Wolff. Wichtig sei aber auch das Vertrauen zum Kind. „Eltern sollen zu ihren Kindern sagen: Du kannst mit allem, was du im Internet gesehen hast, immer zu mir kommen. Ich nehme dir das Handy nicht weg.“