Einer, der sich bestens auskennt, wenn es um queere Urlaubsreisen geht, ist der schwule Urlaubsblogger Mario. Für den Fachmann ist klar, dass man sich zuallererst über die Gesetze im jeweiligen Land und die Einstellung der Bevölkerung gegenüber LGBTQIA+-Menschen informieren sollte. „Genauso wichtig ist aber auch das Befolgen der dortigen Sitten und Bräuche. Wir verlangen von anderen Menschen, dass sie sich in Deutschland an unsere Regeln halten. Daher sollten wir es in anderen Ländern genauso tun“, so Mario gegenüber BuzzFeed News von Ippen.Media.
Doch welche Länder sind nun jene, die für queere Menschen gefährlich werden können? Kaum überraschend landen viele Länder aus Afrika und dem Nahen Osten immer wieder ganz weit oben auf der Blacklist, darunter unter anderem Brunei, Nigeria, Kuwait oder auch Saudi-Arabien. Allerdings gibt es auch die eine oder andere Überraschung, beispielsweise bei Ägypten, den Malediven oder auch Malaysia – gleichgeschlechtlicher Sex wird in letzterem Fall mit bis zu zwanzig Haft bestraft.
Trotzdem wollen manche queere Urlauber:innen nicht auf eine Reise in jene Länder verzichten, sei es nun, um im kristallklaren Wasser der Malediven zu schwimmen oder einzigartige Kulturdenkmäler zu bestaunen. „Ich würde auf den Austausch von Zärtlichkeiten und das Tragen von LGBTQIA+-Symbolen wie beispielsweise die Regenbogenflagge in der Öffentlichkeit verzichten. Zudem sollte man nicht über seine Homosexualität reden, zumindest nicht mit Fremden. Ansonsten kann man sich zumeist aber ganz normal verhalten“, so Mario weiter.
Ähnliches berichten auch andere queere Reisende wie Michael aus Berlin, der mit seinem Freund Kuba besuchte und dabei abseits der klassischen Hotelburgen am Meer in einem kleinen Quartier inmitten der Hauptstadt Havanna lebte: „Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich an einem Ort war, an dem wir vollkommen von der Außenwelt abgeschottet waren. Es gab nirgendwo Internet oder auch nur ein funktionierendes Telefonnetz. Wir mussten in eine Art von Postamt gehen und durften dort dann kurz mit einem Computer online gehen, um unseren Freunden zu Hause zu schreiben, dass es uns gut geht!“
Allerdings erlebte Michael dabei auch Überraschungen. „Wir sind ein zweites Mal dorthin und während wir online waren, sah ich eine Reihe vor uns, dass ein junger Mann sich sehr ungeniert auf einer schwulen Dating-App einloggte und nach Dates suchte. Danach waren wir beide etwas entspannter.“
Schlussendlich zeigte sich, dass in Kuba zwar trotz einiger Fortschritte homosexuelle und queere Menschen noch oft Diskriminierung erleben, es aber genauso auch geheime Treffpunkte und kleine Bars gibt, wo sich LGBTQIA+-Menschen versammeln und Spaß miteinander haben. „Trotzdem verhält man sich sehr vorsichtig, gerade, wenn man abends unterwegs ist. Havanna ist nachts sehr dunkel und heiß, alle stehen auf den Gassen, rund herum halb verfallene Häuser. Mein Freund und ich sind mit deutlichem Abstand voneinander zu unsere Herberge nach den abendlichen Barbesuchen nach Hause gegangen. An Händchenhalten oder ähnliches war nicht zu denken.“ Zudem, so Michael weiter, sei queeres Leben nur solange bisweilen erlaubt, so lange es im weitesten Sinne unsichtbar bleibt.
Wir wollten ja das echte Leben auf Kuba kennenlernen, nicht die abgeschotteten Hotelanlagen. Doch als wir zwei queere Kubaner:innen einfach zum Quatschen auf unser Hotelzimmer mitnehmen wollten, verboten das die Männer an der Rezeption rigoros.
Auch Blogger Mario war mit seinem Freund bereits in vielen Ländern, die in puncto queere Akzeptanz nicht herausstechen, beispielsweise in Ägypten, der Türkei, Abu Dhabi oder auch Ungarn. „Wir verhalten uns immer diskret. Wenn man zum ersten Mal dort ist, sollte man mit Einheimischen falls möglich zu den einschlägigen Treffpunkten gehen. Wir haben zum Beispiel eine Gruppe schwuler Ungarn kennengelernt, die uns durch die Budapester Szene geführt haben. In Deutschland liest man in der Regel nur negative Meldungen über das Land. Daher waren wir überrascht, dass es nicht nur ‚inoffizielle‘ Treffpunkte, sondern auch richtige Gay-Saunen und Partys gibt. Meine Erfahrung: Oft können die schwulen und queeren Einheimischen die negative, westliche Berichterstattung gar nicht verstehen.“
Vielleicht ist genau das die Mischung, mit der man sich am sinnvollsten auf ein solches Land einlässt, wenn man dort Urlaub machen will: Respekt und ein diskretes Verhalten. Trans-Frau Daniela hat ähnliches erlebt, als sie mit ihren Kolleg:innen Urlaub in Dubai machte. Jede Form von nicht heterosexuellem Sex steht hier bis heute unter Strafe.
„Natürlich hatte ich erst etwas Bedenken, aber ich bin auch nicht alleine unterwegs gewesen. Ich würde daher immer dazu raten, gegebenenfalls mit Freunden auf Reisen zu gehen.“ Allerdings erlebte Daniela dabei auch die eine oder andere Überraschung. „Ich bin noch nie so oft angeflirtet worden wie dort und konnte es lange Zeit nicht richtig glauben.“
Auch Fachmann Mario kann das bestätigen: „Im Gegensatz zu Deutschland wird man in orientalischen Ländern sogar sehr häufig in der Öffentlichkeit angeflirtet, zum Beispiel vom Kellner, einem Taxifahrer oder sogar Fremden mitten auf der Straße.“ Man dürfe die Gefahr vor Ort zwar nicht kleinreden, meint Daniela, aber dramatisieren müsse man sie auch nicht, wenn man mit ein wenig Sinn und Verstand an die Sache herangehe und potenziell gefährliche Situationen meide. Und Mario bekräftigt, dass vielerorts auch Vorurteile oder Fremdenfeindlichkeit in die Angst rund um mögliche Urlaubsgefahren von queeren Menschen mit hineinspielen würden. Kommunikation sei oftmals der Schlüssel für ein besseres Verständnis, so Mario.
Allerdings sollte man sich trotzdem als queerer Mensch neben den gesetzlichen und den gesellschaftlichen Sitten auch mit den speziellen lokalen Bräuchen vor Ort vertraut machen. „Beachten sollte man etwa, dass sich viele arabische Männer zur Begrüßung küssen und beim Spazierengehen sogar Händchen halten. Dies ist jedoch kein Zeichen von Homosexualität, sondern nur Ausdruck von Freundschaft“, so Mario. Und im Gegensatz zu Michaels Erlebnis in Kuba ist die Online-Suche nach Dates gerade in arabischen Ländern tatsächlich gefährlich – vielerorts wird das Internet überwacht und verdeckte staatliche Ermittler:innen machen gerade über Dating-Apps wie Grindr Jagd auf queere Menschen und wollen sie so in eine Falle locken. Gerne wird auch versucht, das Smartphone direkt zu orten. Am besten also ist es, in solchen Ländern ganz auf das digitale Dating zu verzichten.
Umstritten innerhalb der queeren Community ist dabei die Frage, ob LGBTQIA+-Menschen überhaupt in solchen Ländern Urlaub machen sollten, weil damit rein finanziell automatisch auch ein queer-feindliches Regierungssystem unterstützt werden würde.
Mario meint, man würde die queer-feindliche Politik noch mehr unterstützen, wenn man dem Land fernbleibe: „Auch in den arabischen Ländern und dem Rest der Welt verändert sich die Gesellschaft. Was bei uns viele Jahrzehnte gedauert hat, passiert dort auch nicht in einem Sommer. Daher sollte man sich beim Reisen nicht beschränken. Durch das Reisen können beide Seiten voneinander lernen.“
Kuba-Besucher Michael würde dem grundsätzlich zustimmen, meint aber auch gegenüber BuzzFeed News: „Als besonderes Erlebnis war das für mich eine Bereicherung, ich möchte aber nicht bei jedem Urlaub ‚vorsichtig‘ oder ‚diskret‘ sein müssen. Ich meine damit nicht, dass ich nackt durch die Straßen tanzen muss, aber ich finde es schön, die Hand meines Mannes nehmen oder ihn küssen zu können, wenn mir danach ist.“
Zu den weltweit sichersten Reisezielen in diesem Jahr gehören Kanada, Schweden und die Niederlande gefolgt von Malta, Portugal, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Spanien und Frankreich. Für Mario sind zudem Länder wie Dänemark, Norwegen, Finnland und Griechenland (Mykonos) immer eine Reise wert. Und auch Deutschland: „Wir haben durch Corona die deutsche Provinz als Reiseziel entdeckt, zum Beispiel den Harz, das Sauerland oder auch das romantische Rheintal. In diesem Jahr wollen wir zum ersten Mal in den Schwarzwald fahren.“
Nach Dubai soll es allerdings auch bald wieder gehen: „Ja, Homosexualität ist illegal, aber Schwule reisen trotzdem relativ sicher. Dubai ist ein beliebter Treffpunkt für Homosexuelle aus dem Nahen Osten. Wer wissen will, wie die Zukunft aussieht, wird hier fündig.“