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Trans*-Soldatin kämpft für Gleichberechtigung in der Bundeswehr – „meine Welt brach zusammen“

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Von: Michael Schmucker

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Anastasia Biefang
Anastasia Biefang steht im Mai im Bundesverwaltungsgericht. Die Instanz verhandelte über eine Disziplinarmaßnahme gegen Biefang wegen ihres Profils in einem Dating-Portal. © Sebastian Willnow/dpa

Anastasia Biefang setzt sich für queere Menschen bei der Bundeswehr ein und will dafür bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen. „Egal, wie düster die Ausgangslage auch ist.“

Gerade einmal 14 Wörter in einem privaten Dating-Profil eines Soldaten reichen offensichtlich aus, um das Ansehen der Deutschen Bundeswehr nachhaltig zu schädigen – zu diesem Urteil kamen seit 2019 mehrere Instanzen, zumindest wenn es um die ehemalige Bundeswehrkommandeurin und trans*-Frau Anastasia Biefang geht.

Was hatte die bis dahin hochgeschätzte Soldatin getan? Sie hatte nach ihrem Afghanistan-Einsatz zurück in der Heimat ein Tinder-Profil erstellt, auf dem zu lesen war: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung und auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“ Biefang zeigte sich dabei weder in ihrer offiziellen Dienstkleidung noch veröffentlichte sie beispielsweise Nacktbilder.

Ein Screenshot des Dating-Profils erreichte ihren vorgesetzten General, der daraufhin einen Verweis verhing. Biefang ließ dies nicht auf sich beruhen, sondern legte Beschwerde dagegen ein, wie sie BuzzFeed News von Ippen Media erklärt: „Ich hatte anfangs beim Schreiben der Beschwerde ja noch gedacht, dass in der nächst höheren Instanz dann die Einsicht kommt, dass man hier als Bundeswehr übers Ziel hinausgeschossen ist. Als dann aber meiner Beschwerde nicht stattgegeben wurde und in den schriftlichen Begründungen dann sinngemäß erklärt wurde, was für ein nicht integrer und unmoralischer Mensch ich sei, der sexbesessen durch das Leben rennt, wurde mir klar, dass das ein langer Weg werden wird. Meine Welt brach mit jeder weiteren Instanz, die das erneut bestätigt hat, immer mehr zusammen.“

„Mein freies und privates Liebesleben wird in Zusammenhang gebracht mit Straftaten?“

Die Situation erreichte seinen bisherigen Höhepunkt mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Mai 2022, also beinahe drei Jahre, nachdem der Verweis ausgestellt worden war. Biefang war entsetzt, als hier erneut die angebliche „sexuelle Disziplinlosigkeit“ der ehemaligen Bundeswehrkommandeurin hervorgehoben wurde. Zwar erklärten die Richter:innen erstmals, dass Biefang dem Ansehen der Bundeswehr nicht ernsthaft geschadet habe, stellten aber zeitgleich klar, dass sie aufgrund ihres Dating-Profils nicht mehr in der Lage sein könnte, als Vorgesetzte ein mögliches Fehlverhalten von untergebenen Soldat:innen im Bereich sexuelle Selbstbestimmung ahnden zu können.

Auf insgesamt auf 18 Seiten erklärte das Bundesverwaltungsgericht so abermals, warum der Verweis für Biefang deswegen weiter Bestand habe. „Mein freies und privates Liebesleben wird in Zusammenhang gebracht mit Straftaten? Das verstehe ich bis heute nicht!“, so Biefang, die deswegen im Oktober Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat – eine Entscheidung steht hier noch aus.

Moral und Privatsphäre in der Bundeswehr

Der Fall ist auch deswegen so brisant und von großer Bedeutung, weil er die Frage nach der Moral und der Privatsphäre in der Bundeswehr für alle Soldat:innen aufwirft. Hintergrund ist der Paragraf 17 des Soldatengesetzes, in dem vermerkt ist, dass ein Soldat die „Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten“ habe.

Biefang dazu: „Mein Lebensstil hat meinem Vorgesetzten nicht gepasst und widersprach seinen Moralvorstellungen. Das kann durchaus sein, aber darf das deswegen für mich dienstliche Konsequenzen haben? Ich denke, das lässt das Grundgesetz nicht zu. Meine Vorgesetzten haben sich über den Dating-Text aufgeregt, ich lebe aber so! Was heißt das denn in der Konsequenz? Wenn mich ein Soldat beim Sex im Darkroom sieht, heißt das dann, dass er mich künftig melden kann?“ Da der Gesetzestext eine sehr freie Interpretation zulässt, könnten künftig alle Soldat:innen Probleme aufgrund ihres Privatlebens bekommen.

Biefang kämpft für queere Menschen in der Bundeswehr

Ich bin schon der Meinung, dass man als Angehöriger der Bundeswehr gerade in Uniform gewisse Pflichten hat, die man vielleicht als normaler Bürger nicht hätte, aber es bedarf dann einer konkreten Richtlinie des Paragrafen, an den sich dann alle halten können. Dieses Unbestimmbare schafft Unsicherheiten auf allen Ebenen und öffnet Tür und Tor für Diskriminierung.

Anastasia Biefang 

Wie sieht es beispielsweise bei Pride-Paraden im Sommer aus? Dürfte ein schwuler Bundeswehrsoldat dort privat, vielleicht mit freizügigem Outfit, mitlaufen oder könnte das bereits der Moral eines Vorgesetzten entgegenstehen?

Biefang führt diesen Kampf so nicht nur für sich allein, sondern für alle Kamerad:innen und insbesondere für alle queeren Menschen in der Bundeswehr. Viele Kolleg:innen haben gegenüber Biefang auch immer wieder Unverständnis über das Verhalten der Bundeswehr zum Ausdruck gebracht und solidarisierten sich auch in einer gemeinsamen Aktion mit Biefang, indem sie ihre Dating-Profile ebenso öffentlich machten. „Ich würde immer wieder eine Beschwerde einlegen, weil ich immer noch den Verweis für falsch halte. Was sich in den letzten drei Jahren geändert hat, ist der kämpferische Aspekt meinerseits daran“, so Biefang, die die Angelegenheit mit einer Mischung aus Mut, Kampfeslust und Humor weiterverfolgt.

Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für queere Menschen

Natürlich stellt sich dabei auch schnell die Frage, ob die jeweiligen Verantwortlichen bei der Bundeswehr vielleicht deswegen so reagiert haben, weil es sich um einen queeren Menschen handelt. Biefang kann dies nicht beweisen, ihr Gefühl würde diesen Eindruck allerdings bestätigen: „Wir als queere Menschen leben unsere Sexualität zumeist etwas anders aus und ich habe das Gefühl, man wollte mir als trans*-Frau und queere Person zeigen, dass das so nicht geht. So etwas wie sie wollen wir nicht! Ich habe von anderen Kollegen immer wieder gehört: Das wäre dir als Mann nicht passiert.“ Für Biefang ist trotzdem klar, dass sie nach 28 Jahren im Dienst der Bundeswehr auch weiterhin gerne für ihr Land eintritt, sie selbst hatte bisher auch nach ihrem Outing als trans*-Frau durchwegs nur positive Erfahrungen gemacht.

Mit ihrer Kampfeslust für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für queere Menschen ist Biefang in den letzten Jahren auch zu einem Vorbild für viele junge LGBTQIA+-Menschen geworden. Sie freut sich auch auf das neue Selbstbestimmungsgesetz, das 2023 in Kraft treten soll und jungen trans*-Menschen eine namentliche Geschlechtsanpassung vereinfachen soll.

„Wenn es die Möglichkeit gibt, dass Leben für einen jungen Menschen einfacher zu machen, warum sollen wir dies nicht tun? Ich denke aber zudem, dass auch Eltern von trans*-Jugendlichen zumeist gute Entscheidungen treffen. Ich finde daher die aktuellen Diskussionen dazu richtig, man sollte aber auch auf den Rat von Expert:innen hören.“

Biefang fordert gemeinsame Lösungen und Solidarität in der Debatte um das neue Selbstbestimmungsgesetz

Einfache Antworten gibt es laut Biefang hier allerdings nicht, beispielsweise mit Blick auf die Debatten rund um Schutzräume für Frauen. „Ich will gar nicht abstreiten, dass es auch einen Graubereich gibt, wo ein Gesetz auch ausgenutzt werden kann. Da muss man auch darauf achten. Was mich allerdings stört, ist, dass sich derzeit alle Seiten nur noch anschreien, anstatt zu schauen, wie man das gemeinsam lösen kann.“

Biefang hält es zudem für wichtig, Frauen und trans*-Frauen nicht gegeneinander auszuspielen, gerade trans*-Personen erleben bis heute viel Diskriminierung im Alltag, weswegen hier eine Solidarisierung sinnvoller wäre. Auch ein Punkt, weswegen Biefang bis heute nach wie vor als queere Aktivistin unterwegs ist, sie will sichtbar bleiben und mutig voranschreiten. Dieses Selbstbewusstsein möchte Biefang auch an junge trans*-Menschen weitergeben: „Wenn du unsicher bist, höre auf deine Gefühle, die sind echt! Lass dir von der Gesellschaft nichts vormachen, lebe so und zeige dich so, wie du bist. Und ganz wichtig: Es lohnt sich immer zu kämpfen, egal wie düster die Ausgangslage auch ist!“

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