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Bye Bye Twitter: Experte findet, „Kevin Kühnert hat völlig recht“ mit seiner Pause

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Von: Jana Stäbener

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Mit Twitter und Kühnert ist es (vorerst) aus: Dem SPD-Politiker gefällt die „Diskussionskultur“ auf Twitter gar nicht. Recht hat er, findet ein Online-Experte.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert musste sich bei Twitter schon so einige Shitstorms gefallen lassen. Zum Beispiel als die SPD bei der NRW-Wahl haushoch verlor und Kühnert twitterte, sie könne trotzdem regieren. Daraufhin bekam er einiges an negativen Kommentaren ab. Auf Twitter hatte der Politiker laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) knapp 370 000 Follower. Seit Montag, 12. September, lesen die jedoch nichts mehr von ihm – denn Kevin Kühnert hat seinen Twitter-Account @KuehniKev deaktiviert. Eine nachvollziehbare Entscheidung, so Online-Experte Wolfgang Schneider von der Universität Hohenheim gegenüber BuzzFeed News DE.

Twitter-Kühnert ist Geschichte: Keine Lust auf negatives Feedback?

Seitdem trendet auf Twitter nun #Kühnert. Auch weil der Politiker in einem Interview bei RTL am Montag, 12. September, über deutsche Panzer-Lieferungen an die Ukraine gesprochen hatte und davor warnte, Russland damit zu reizen. Auf Twitter erntete er daraufhin Kritik. „Einem überfallenen Land keine Panzer gegen den Aggressor liefern [...] was für ein Witz“, schreibt ein User. „Als ob Russland für irgendetwas eine Legitimation bräuchte“, schreibt ein anderer. Auch wenn diese Kritik zum Beispiel nicht mit dem Bodyshaming verglichen werden kann, das Ricarda Lang auf Twitter erlebt, mutmaßen jetzt einige, er habe seinem „Twitter-Kühnert“ Lebewohl gesagt, weil er keine Lust auf negatives Feedback habe.

Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagt Kühnert jedoch, Twitter sei für seine „politische Arbeit nicht das richtige Medium“ und er habe seinen Account schon seit Monaten nicht mehr genutzt. „Ich finde einfach, dass die Diskussionskultur, wie sie auf Twitter stattfindet, und auch die Art und Weise, wie dort die Gesellschaft repräsentiert oder absolut gar nicht repräsentiert wird, dass das zu Fehlschlüssen und Irrtürmern in politischen Entscheidungen führt“, so Kühnert zum RND. Er habe bei sich selbst festgestellt, dass er eine verzerrte Wahrnehmung von der Wirklichkeit habe, wenn er zu viel Zeit bei Twitter verbringe.

Kevin Kühnert und Twitterlogo – seit dem 12. September hat er seinen Twitter-Account deaktiviert.
Kevin Kühnert hat sich von Twitter zurückgezogen. Als Grund nennt er die „Diskussionskultur“, die dort vorherrsche. © Wolfgang Maria Weber/Panthermedia/IMAGO

Kevin Kühnert nicht mehr auf Twitter – die Entscheidung wundert einen Online-Experte nicht

„Ich finde, Kevin Kühnert hat völlig recht“, sagt der Online-Experte Wolfgang Schweiger zu BuzzFeed News DE. Dass Kühnert sich von Twitter zurückziehe, weil er eine „verzerrte Wahrnehmung“ bei sich feststelle, wundere ihn nicht. „Die Meinungsbeiträge in sozialen Medien haben nichts mit der öffentlichen Meinung zu tun. Deshalb sollte man sich immer hüten, solche Social-Media-Plattformen als Instrument zu nehmen, um die politische Stimmung im Land zu messen“, so Schweiger, der als Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim lehrt.

Das Hauptproblem an Twitter sei, dass politische Themen immer wieder in sehr kurzen, „pointierten“ Tweets abgehandelt werden würden. „Komplexen politischen Entscheidung wird die Diskussion auf der Plattform gar nicht gerecht – sie lässt Graustufen überhaupt nicht zu“, so Schweiger. Außerdem sei die Plattform ein „Elitenetzwerk, das vor allem gesellschaftlich aktive Menschen nutzen“. Als Beispiel nennt der Online-Experte Journalist:innen und Politiker:innen, die sich auch über die Insolvenz von Hakle Toilettenpapier auslassen – hier 13 Tweets.

„Twitter-Nutzer repräsentieren die Bevölkerung in Deutschland in keinster Weise“

Vor allem, wenn man sich die Nutzer:innenzahlen anschaue, werde klar, wie wenig man mit Twitter Aussagen über die Mehrheit treffen könne. Laut dem Digital 2022 Report nutzen Twitter lediglich 22 Prozent der Bevölkerung. Bei Instagram sind 54 Prozent der deutschen Internet-Nutzer:innen von 16 bis 64 Jahren regelmäßig unterwegs, bei Facebook sogar 61 Prozent. „Twitter-Nutzer repräsentieren die Bevölkerung in Deutschland in keinster Weise. Besser wären da noch Facebook und Instagram – das nutzen immerhin mehr als 50 Prozent der Bevölkerung.“

Schweiger glaubt nicht, dass der Twitter-Rückzug für Kevin Kühnert negative Auswirkungen haben wird. „Als Robert Habeck sich von Twitter zurückgezogen hat, haben wir uns gefragt, was das für seine Popularität bedeutet. Heute weiß man: Es hat ihm zumindest nicht geschadet und er wurde kurzzeitig sogar noch beliebter.“ Nur beim Thema Insolvenz hat Habeck kein gutes Bild abgegeben – hier 9 Fakten zu Insolvenz, die auch Robert Habeck lesen sollte. Über Anschuldigungen wie „die SPD zieht sich in das rote Elfenbeintürmchen zurück“ müsse Kühnert nach seiner Entscheidung nun eben drüberstehen.

Debatten auf Twitter polarisieren stark. Es gibt keine Graustufen und komplexe politische Themen werden schlicht nicht richtig abgebildet. Auch der Philosoph Sommer sieht diese Entwicklung kritisch. Im Interview spricht er darüber, warum „die Tendenz zum Wutbürgertum in der fehlenden Partizipation“ begründet ist.

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