Kameras und Kamelreiten: China machte aus einer früheren Stadt der Uiguren eine Art Disneyland
Erst filmten Überwachungskameras, die Muslim:innen beim Beten. Jetzt machen in den Moscheen von Kashgar sogar Tourist:innen Selfies – wie im Disneyland.
Jahrhundertelang signalisierten die gewölbten Eingänge und das kunstvoll gemusterte Mauerwerk der Moscheen von Kashgar, wie wichtig die uigurische Kultur in der alten Stadt war. Dann gerieten die Moscheen ins Fadenkreuz einer chinesischen Kampagne, die sich gegen Muslim:innen, darunter Uigur:innen und Kasach:innen, in der Provinz Xinjiang richtete. Die Regierung entfernte Minarette und übermalte arabische Kalligrafien, wie aus einem Video hervorgeht, das BuzzFeed News US vorliegt.
Polizeibeamt:innen und Metalldetektoren überraschten die Gläubigen, als sie das Gebäude betraten. In der Id Kah, der größten und angesehensten Moschee in Kashgar, überwachten Kameras im Abstand von sechs Metern den Teppich in der Gebetshalle. Ein Foto des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der mit seinem extremen Überwachungssystem chinesische Bürger:innen bespitzelt, hing über einer der Türen, obwohl der Islam die meisten bildlichen Darstellungen verbietet.
Jetzt nutzt die Regierung die verbliebenen Moscheen als Teil einer anderen Kampagne: Um Tourist:innen nach Xinjiang zu locken. Reisende posieren in den Eingängen der Moscheen für Instagram-Fotos, die sie mit Hashtags wie #travel, #streetphotography, #travelblogger, #chill und #holiday versehen. Die Stadt wurde für die sozialen Medien optimiert, und die Moscheen passen genau in dieses Bild. Ein Baum vor einer Moschee ist mit hängenden Ornamenten geschmückt, darunter steht eine der vielen neuen rustikalen Bänke, die auf den öffentlichen Plätzen der Stadt zu finden sind – die perfekte Kulisse für ein Urlaubsfoto.


Muslim:innen in China: Die Regierung unterdrückt die uigurische Kultur in Xinjiang systematisch
Innerhalb weniger Jahre baute China eine umfangreiche und ausgeklügelte Infrastruktur auf, um Muslim:innen in Xinjiang einzusperren und sie zur Arbeit in Fabriken zu zwingen. Hier berichteten wir schon, wie China Uigurinnen und Uiguren unterdrückt – TikTok zeigt nur Propaganda. Die Regierung schuf genug Platz, um jederzeit eine Million Menschen zu inhaftieren. Die Lager und Haftanstalten bilden den Dreh- und Angelpunkt einer Kampagne, die von den USA und anderen Regierungen als Völkermord bezeichnet wurde. Aber China hat auch die uigurische Kultur in den Städten Xinjiangs systematisch ausgehöhlt, muslimische Wahrzeichen entwürdigt und Nicht-Uigur:innen eingeladen, sich dort niederzulassen – oder dort Urlaub zu machen.
Journalist:innen und unabhängige Beobachter:innen konnten Form und Ausmaß dieser Veränderungen bisher kaum erkennen, da es für sie fast unmöglich ist, ohne Polizeischikanen in die Region zu reisen. AP News und The Economist beschrieben in früheren Berichten die Überwachungsinfrastrukturen und die Art und Weise, wie die Stadt zugunsten des Tourismus umgestaltet wurde. Dennoch mangelte es an einer umfassenden visuellen Dokumentation, da Journalist:innen häufig gezwungen wurden, alle von ihnen aufgenommenen Fotos zu löschen.
BuzzFeed News US hat jedoch einige Videos und Fotos zusammengetragen und analysiert, die ein intimes Porträt des aktuellen Lebens in Kashgar, der zweitgrößten Stadt Xinjiangs, vermitteln. Ein Großteil dieser Dokumente wurde von Tourist:innen aufgenommen, die sich in Xinjiang viel freier bewegen können. Einige Videos eines russischsprachigen Touristen, der im Oktober 2017 durch Kashgar spazierte, zeigen, wie die Regierung zur gleichen Zeit, als sie Muslim:innen zu Tausenden zusammentrieb, die Ausübung der uigurischen Kultur in der Stadt erstickte. Überall gibt es Kameras und Polizeikontrollpunkte. An jedem Marktstand und jeder Ladenfront hängen chinesische Flaggen; in einem Video hält eine Gruppe von Polizist:innen an, um zu überprüfen, ob die Flaggen richtig hängen.

Tourismusindustrie in Xinjiang – daneben erleben die Uiguer:innen Überwachung und Kontrolle
Wir analysierten die Videos und erfassten die Präsenz von CCTV-Kameras sowie von Polizeikontrollpunkten, -stationen und -patrouillen. Anschließend verorteten wir sie anhand des Filmmaterials, um eine detaillierte Karte der Stadt und ihrer Überwachungsinfrastruktur auf dem Höhepunkt der Razzien zu erstellen. Wir verglichen anschließend spätere Videos und Fotos, um zu dokumentieren, wie sich die Stadt von 2017 bis heute verändert hat.
Mitte 2019, nachdem nach Schätzungen der Vereinten Nationen eine Million Menschen in der Region eingesperrt waren, verkündete die Regierung den Sieg und erklärte, sie habe den Terrorismus besiegt. Sie wende sich nun dem Tourismus zu, hieß es. „Da das Eindringen des religiösen Extremismus eingedämmt wurde, sind öffentliche Ordnung und Sicherheit in die Gesellschaft zurückgekehrt. Es herrscht Gleichheit, Solidarität und Harmonie zwischen den ethnischen Gruppen und Religionen“, schrieb die Regierung in einer Informationsschrift, die der State Council of the People‘s Republic of China, veröffentlichte. Im selben Dokument lobte die Regierung die Tourismusindustrie in Xinjiang.
China macht Kashgar zu einer falschen Stadt mit Disneyland-ähnlichen Golf-Buggys
Etwa zu dieser Zeit begann die Regierung, einige ihrer bedrohlichsten Überwachungsmaßnahmen in Kashgar zurückzunehmen, wie eine Analyse zeitgenössischer Fotos und Videos zeigt. In den drei Jahren hat sich ein ganz anderes Bild entwickelt, das eher an Disney erinnert, als an die Kontrolle und Überwachung, die dem zuvor ging: Reisegruppen, Uigur:innen in 100 Jahre alten Kostümen, die die Besucher:innen unterhalten, und eine Flotte von Disneyland-ähnlichen Golf-Buggys, die die Leute herumkutschieren.
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Viele Städte in Xinjiang ähneln inzwischen potemkinschen Dörfern (das sind falsche Städte, die aus Attrappen bestehen), mit sorgfältig gepflegten Fassaden, hinter denen sich massive menschliche Traumata verbergen, so Expert:innen. Aber nirgendwo ist das so offensichtlich wie in Kashgar. „Die Stadt hat sich völlig verändert“, sagt Rian Thum, Historiker für den Islam in China an der Universität Manchester. „Es ist eine absolute Disneyfizierung. Es ist ein fremder Ort - ein Vergnügungspark.“

Tourismusindustrie in China: Stadt Kashgar hatte besondere Bedeutung für die uigurische Kultur
Kashgar liegt an der alten Seidenstraße und spielt seit Hunderten von Jahren eine wichtige Rolle in der uigurischen Literatur. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert, lange bevor die Kommunistische Partei in China an die Macht kam, war Kashgar Hauptstadt zweier Staaten, die von türkischen Kulturen kontrolliert wurden. Die Stadt mit ihren dicht gedrängten Märkten, heiligen Gräbern und Monumenten galt lange Zeit als das am besten erhaltene Beispiel einer zentralasiatischen Stadt, so Thum.
Doch 2009 begann die chinesische Regierung im Rahmen einer Modernisierungskampagne mit dem Abriss der Altstadt von Kashgar. Sie siedelte Familien, die dort seit Generationen gelebt hatten, in neu errichtete Wohnblocks am Stadtrand um. Die älteren Lehmziegelgebäude und verwinkelten Gassen wurden durch neue Betonbauten ersetzt, die allerdings in einem verschnörkelten Stil gehalten sind. Mitte 2015 wurde im Südosten der Altstadt ein riesiges Stadttor gebaut, und auch die Stadtmauern wurden so gestaltet, dass sie aussehen, als ob sie schon seit Hunderten von Jahren bestehen würden.
2016 verschärfte sich die Unterdrückung der Uigur:innen und Muslim:innen drastisch
Abduweli Ayup wuchs in Kashgar auf. Als die Abrissarbeiten begannen, sah er überall Bulldozer. Wenn er an Straßenständen aß, schmeckte jeder Bissen nach Staub. Ayup erzählte, er sei 2013 zum ersten Mal eingesperrt worden, nachdem er Schulen eröffnet hatte, in der uigurische Kinder in ihrer eigenen Sprache und nicht auf Mandarin-Chinesisch unterrichtet wurden. Er wurde 15 Monate lang in einem erstickend überfüllten Gefängnis festgehalten, in dem es keine Toilette mit Wasserspülung gab, sagte er. In den ersten sechs Monaten wurde er jeden Tag verhört, sagte er. Nach seiner Freilassung floh Ayup in die Türkei.
Ende 2016 verschärfte die Regierung ihre Unterdrückung der Uigur:innen und anderer Muslim:innen drastisch und startete eine Kampagne, die die USA und andere Länder inzwischen als Völkermord bezeichnen. Auch Außenministerin Annalena Baerbock fordert mehr Härte im Umgang mit China. Nach Berichten des CSIS, führte China die Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität als Grund für seine Politik in Xinjiang an. Die Regierung begann, Menschen wegen Verstößen wie dem Tragen eines Bartes oder dem Herunterladen einer verbotenen App zu inhaftieren. Ein Daten-Leak enthüllte die grausame Folter der Uigur:innen.
Russischer Tourist zeigt Ayup Video von Kashgar und Xinjiang
Tausende von Kilometern entfernt konnte Ayup nicht mit ansehen, wie seine Heimatstadt zu einem Polizeistaat verkommt. Doch der russischsprachige Tourist, der Kashgar im Oktober 2017 besuchte und seine Erlebnisse auf Video aufzeichnete, bietet einen seltenen Einblick in die schreckliche Zeit für Uigur:innen in Kashgar und Xinjiang.
Der Tourist erzählt, was er sieht, während er filmt, und zwar scheinbar im Laufe eines einzigen Tages. Die Kamera verweilt oft auf Überwachungskameras, Kontrollpunkten und polizeilicher Infrastruktur zwischen Aufnahmen von Handwerker:innen bei der Arbeit oder den an Marktständen angebotenen Lebensmitteln. Einige seiner Beobachtungen stechen hervor.
„Mir sind einige Leute aufgefallen, gerade heute Morgen habe ich ein paar von ihnen gesehen, die herumlaufen und an die Türen klopfen und etwas nach den Angaben in ihren Listen überprüfen“, sagt er an einer Stelle. Die Videos werden oft in einer einzigen Einstellung gefilmt. Auf diese Weise konnte BuzzFeed News US die Überwachungsinstrumente in einem weiten Bereich der Altstadt aufzeichnen und geografisch verorten – und sich ein detailliertes Bild von Kashgar auf dem Höhepunkt der Razzien machen.

Staatliche Kontrolle in China: Veränderungen der Moscheen dramatisch
Die Kontrollpunkte lagen in der Regel einige hundert Meter voneinander entfernt – etwa drei Minuten Fußweg. Aber einige waren nur 50 Meter entfernt. An wichtigen Kreuzungen wurden die Kontrollen verschärft, mit Metalldetektoren, schweren Metallbarrieren über der Straße und Pavillons zum Schutz der dort stationierten Polizist:innen. Selbst an kleineren Kreuzungen versperrten oft zwischen Verkehrskegeln gespannte Schnüre die Straße, und Polizisten, die an einem Tisch in der Nähe saßen, überprüften die Papiere von Einheimischen, die passieren wollten. Die Einfahrt zu einer kleinen Straße war durch Schranken versperrt, die den Fahrkartenschranken am Eingang einer U-Bahn ähnelten.
Die Veränderungen in den Moscheen waren ebenso dramatisch. Mehr als ein Dutzend kleinerer Moscheen in der Nachbarschaft, die von BuzzFeed News US identifiziert wurden, waren betroffen. So auch die Id Kah. Mit ihrem großen Eingang und den mit zitronengelben Kacheln verkleideten Außenwänden dominiert sie den großen Platz im alten Stadtzentrum von Kashgar und hat eine besondere Bedeutung für die Muslim:innen. In weniger angespannten Zeiten versammelten sich die Menschen auf dem Platz vor der Moschee, um Festlichkeiten wie das Zuckerfest zu feiern. Vor seiner Flucht kam Ayup weniger zum Gebet in die Id Kah, sondern eher, um sich mit Freund:innen zu treffen, die er von der anderen Seite des Raumes anlächelte.
China greift auch in der Filmindustrie zu diversen Maßnahmen, um das gewünschte Bild der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Bei „Phantastische Tierwesen“: schneidet ein Filmstudio für China die Szene mit Dumbledores Homosexualität raus.

In dem Touristenvideo von Id Kah sitzen zwei Polizisten in Helmen und kugelsicheren Westen an einem Tisch vor dem Eingang. Eine Überwachungskamera ist auf den Eingang gerichtet, um alle Besucher:innen zu erfassen. Besucher:innen müssen beim Betreten Metalldetektoren passieren. Im Inneren ist das Gelände mit Kameras gespickt, die an den Wänden des Geländes und an gerüstartigen Bögen über den Wegen angebracht sind.

Id-Kah-Moschee wird für staatliche Propaganda der chinesischen Regierung genutzt
Entlang der Rückwand der Gebetshalle ist eine Reihe von CCTV-Kameras im Abstand von sechs Metern angebracht, die die knienden Betenden beobachten. Das Foto von Xi Jinping, das ihn bei einem Treffen mit muslimischen Religionsführer:innen zeigt, befindet sich über einer Tür zu einem geschlossenen Teil der Gebetshalle. In mehreren anderen Moscheen fordern Propagandaschilder über oder neben dem Eingang die Menschen auf, „die Partei zu lieben, das Land zu lieben“ oder erinnern sie an die Bedeutung der ethnischen Einheit. Auf großen Plakaten an den Wänden wird erklärt, was illegale religiöse Aktivitäten sind.
Auch über die Social-Media-Plattform TikTok sammelt die chinesische Regierung Daten – das zeigen geleakte TikTok-Meetings.
Laut einer Analyse von BuzzFeed News US, die neuere Videos, Fotos und Satellitenbilder mit den Videos aus dem Jahr 2017 vergleicht, setzte ab 2019 eine Veränderung in Kashgar ein, die bis heute anhält. Die schweren Metallbarrieren und die mit Stacheldraht versehenen Zäune, die an den Eingängen zu Schulen und Polizeistationen errichtet worden waren, waren Mitte 2019 verschwunden. Auch einige der Kameras, die sich in der Stadt ausgebreitet hatten, verschwanden – ebenso wie mehrere Kontrollpunkte. Selbst die Polizei verringerte ihre Präsenz. Die verbliebenen Beamt:innen waren weniger auffällig und hatten ihre Schutzhelme gegen Schirmmützen getauscht.
Uigur:innen in China werden weiterhin überwacht – ohne, dass Urlauber:innen es merken
Aber die Überwachung der Uigur:innen hört nicht auf. Viele Menschen, die aus den Lagern entlassen wurden, werden über ihre Handys überwacht und können ihre Städte ohne Genehmigung nicht verlassen. Die Behörd:innen untersuchen und überwachen ehemalige Häftlinge, um zu prüfen, ob die „Umerziehung“ dazu beigetragen hat, sie in „normale Menschen“ zu verwandeln“, so Nury Turkel, Vorsitzender der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit, der für sein kürzlich erschienenes Buch „No Escape“ ehemalige Häftlinge interviewt hat.
Jüngste Fotos und Videos zeigen, dass es immer noch Kontrollpunkte an wichtigen Zugangspunkten gibt, oft teilweise versteckt und an Orten, wo sie natürlicher wirken. Am Haupttor zur Altstadt beispielsweise oder als Teil des imposanten neuen Tores am Ende der Straße, wo der Nachtmarkt stattfindet.
Die Kameras sind nun regelmäßiger entlang der Straßen und an den Hauptzugängen zur Altstadt verteilt, sodass das Gebiet umfassender abgedeckt ist und die Behörden einen klaren Überblick darüber haben, wer sich dort aufhält. Neue Kameras wurden häufig an Orten installiert, an denen früher die Polizei stationiert war. Die Überwachung bleibt bestehen. Sie ist nur weniger offensichtlich – und weniger aufdringlich für Urlauber:innen.
Fotogene Bauten für Urlaubsfotos in Kashgar: „Sehen Sie das – das ist nur für Tourist:innen“.
Abduweli Ayup ist seit 2015 nicht mehr nach Kashgar zurückgekehrt. Die Chancen, dass er dies in nächster Zeit tun kann, scheinen gering. Die chinesische Regierung hat ihm den Pass entzogen, sagt er. Manchmal schaut er sich auf YouTube Videos von seiner Heimatstadt an. Dabei fühlt er sich nicht besser. Es fühle sich zwanghaft an, sagte er, „wie schlechtes Essen zu essen“. „Man will es immer wieder essen, aber hinterher hat man ein flaumiges Gefühl im Magen“, ergänzte er. Als er sich im Gespräch mit einem Reporter von BuzzFeed News US ein Video ansah, zeigte Ayup auf eine riesige Skulptur eines traditionellen Saiteninstruments vor den Toren der Stadt und sagte: „Sehen Sie das – das ist nur für Tourist:innen“.
Die Stadt ist jetzt voll von solchen fotogenen Bauten. An der Hauptkreuzung in der Nähe des Stadttors stehen riesige Teekannen. Andernorts zeigen Wandgemälde Karten von Xinjiang oder tragen Slogans wie „Xinjiang Impressions“, wo Besucher:innen anhalten, um Urlaubsfotos zu machen. Der Metallwarenmarkt hat einen neuen Eingang mit einem großen Schild, auf dem Silhouetten von Eisen hämmernden Figuren zu sehen sind. Die Amboss-Statue an der Ecke verfügt jetzt über eine Feuerprojektion, Funken und eine Tonspur, die das Hämmern von Metall zeigt. Auch Kamelreiten ist möglich.
In den Videos, die er gesehen hat, sind Ayup auch Aufnahmen von Menschen aufgefallen, die in traditioneller uigurischer Kleidung tanzen – Kostüme, die sie vor mehr als einem Jahrhundert getragen haben könnten. Solche Figuren sind im chinesischen Staatsfernsehen und bei den jährlichen Parlamentssitzungen des Landes zu sehen. „Niemand würde diese Kleidung mehr tragen, es sei denn, es handelt sich um eine Show“, sagte Ayup.
Wachsender Tourismus in Xinjiang wirkt sich positiv auf Chinas Wirtschaft aus
Der Tourismus in Xinjiang boomt derzeit. Im vergangenen Jahr besuchten 190 Millionen Tourist:innen die Region, was einem Anstieg von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Und das, obwohl die Besucher:innenzahlen aufgrund der Pandemie weltweit zurückgingen. Die Einnahmen stiegen um 43 Prozent. Im Rahmen ihrer Kampagne „Xinjiang ist ein wunderbares Land“ (siehe Video unten) produzierte die chinesische Regierung englischsprachige Videos und führte Veranstaltungen durch, um die Region als friedlich, neu aufblühend, voller dramatischer Landschaften und reicher Kultur darzustellen.
In den chinesischen Staatsmedien wurde dies auch als wirtschaftlicher Wachstumsmotor für die Einheimischen in Xinjiang dargestellt. In einem Artikel wurde beschrieben, wie eine ehemalige Lagerinsassin namens Aliye Ablimit nach ihrer Entlassung eine Ausbildung im Gastgewerbe erhielt. „Nach dem Abschluss wurde ich Reiseleiterin für die antike Stadt Kashgar“, schreibt Ablimit in dem Artikel. „Später habe ich mein Haus in ein Bed and Breakfast umgewandelt. Bei den Tourist:innen ist mein Haus wegen seines uigurischen Stils sehr beliebt. Alle Zimmer sind heute ausgebucht. Jetzt habe ich ein monatliches Einkommen von etwa 50.000 Yuan, also etwa 7.475 Dollar.“
Auch Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Shein stammen aus China. Sie haben zwar auch einen positiven Effekt auf Chinas Wirtschaft, haben aber so wie Shein dutzende Klagen am Hals, weil sie regelmäßig Designs anderer Marken klauen.
Moscheen in Kashgar – viele der Gläubigen sind verschwunden
Bei den Moscheen in Kashgar ist die Fassade weniger gut erhalten. Viele der kleineren Moscheen in den Stadtvierteln scheinen nicht mehr in Betrieb zu sein, ihre Holztüren sind beschädigt und mit Vorhängeschlössern verriegelt – andere wurden ganz abgerissen oder für andere Zwecke umfunktioniert, darunter Cafés und öffentliche Toiletten. Im Inneren der Id-Kah-Moschee sind viele der Kameras verschwunden, auch in den Gebetshallen. Aber wie in den vergangenen fünf Jahren zu erwarten war, sind auch viele der Gläubigen verschwunden, von 4.000-5.000 beim Freitagsgebet im Jahr 2011 auf heute nur noch etwa 800, wie Taiwan News berichtete.
Der Imam der Moschee, Mamat Juma, bestätigte dies in einem Interview mit einem Vlogger, der häufig Videos produziert, die die Erzählungen der chinesischen Regierung unterstützen. Das Video wurde im April 2021 veröffentlicht. Mit einem Übersetzer bemüht er sich, darauf hinzuweisen, dass nicht alle Uigur:innen Muslim:innen sind und die Rolle der Religion in der uigurischen Kultur zu schmälern. „Ich mache mir wirklich Sorgen, dass die Zahl der Gläubigen sinken wird“, sagte er, „aber das sollte kein Grund sein, sie zu zwingen, hier zu beten.“
Zusätzliche Berichterstattung durch Irene Benedicto.
Autor:innen sind Alison Killing, Megha Rajagopalan und Christo Buschek. Dieser Artikel erschien am 30. Juni 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.