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11 Fake News zum Ukraine-Krieg, die erschreckend erfolgreich waren

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Von: Jana Stäbener

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Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj und eine Ukraine-Flagge. Hier sind die 11 erfolgreichsten Fake News.
Im Ukraine-Krieg verbreiteten sich viele Fake News – wir sammeln 11 der auf Facebook erfolgreichsten in diesem Artikel. © Ukraine Presidency/dpa (Collage)

Der Ukraine-Krieg bietet viele Gelegenheiten für Fake News, Lügen und Hetze. BuzzFeed News sammelt die 11 erfolgreichsten Falschmeldungen auf Facebook.

Im Krieg werden Desinformationen zur Waffe. Besonders im Ukraine-Krieg, der seit dem 24. Februar herrscht, werden Lügen und Übertreibungen bewusst genutzt, um die Öffentlichkeit in eine bestimmte Richtung zu lenken. Auch auf Social Media werden über die Ukraine falsche Videos, manipulierte Bilder oder Missinformationen geteilt. Wir haben diese seit Beginn in einem Fake-News-Ticker zum Ukraine-Krieg gesammelt, den wir jedoch mittlerweile eingestellt haben. Es werden zwar immer noch Fake News zur Ukraine geteilt, aber nicht mehr so viele, wie in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn.

Aber was waren eigentlich in Deutschland die erfolgreichsten Falschmeldungen und hetzerischen Schlagzeilen zur Ukraine? Wir von BuzzFeed News Deutschland haben recherchiert, welche irreführenden Fake News zur Ukraine in den vergangenen Monaten auf Facebook besonders erfolgreich waren.

Erfolgreiche Fake News zum Ukraine-Krieg: Wie haben wir das ausgewertet?

Um die erfolgreichsten Fakenews herauszufiltern, haben wir die Software Buzzsumo genutzt, die zu einzelnen Themengebieten eine Auswertung der Shares, Likes und Kommentare von auf Facebook geteilten Artikeln ermöglicht. Für unsere Recherche haben wir den Zeitraum vom 1. Februar bis 27. Juni 2022 gewählt. Wir haben uns die erfolgreichsten Artikel zum Keyword „Ukraine“ in dieser Zeit angesehen und insgesamt über 1.600 Artikel auf ihre Quelle und Kernaussage untersucht. Dabei haben wir Meinungstexte oder reine Videostatements ausgelassen und uns auf „journalistisch anmutende“ Artikel konzentriert. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass wir Seiten außen vor lassen mussten, die ihre Inhalte nicht auf Facebook teilen.

Zudem haben wir einige der uns bekannten Fake News-Seiten gesondert ausgewertet und die erfolgreichsten Meldungen der jeweiligen Seiten herausgesucht. Anders als etwa im englischen Sprachraum gibt es in Deutschland jedoch kaum Webseiten, die ausschließlich Falschnachrichten verbreiten – viele gehen nach einer gewissen Zeit offline, wie beispielsweise der Blog „Halle-Leaks“, den wir in unserer Zusammenfassung der 8 erfolgreichsten Falschmeldungen auf Facebook 2018 erwähnten.

Seiten, die wir untersucht haben, sind unter anderem: Antispiegel, Anonymous.org, Voltaire.net, truth24, journalistenwatch, Philosophia Perennis, nachdenkeseiten und Freie Welt. Aber auch andere Nachrichtenanbieter wie die Junge Freiheit, die Politikwissenschaftler als in einem „Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“ einordnen, oder die Promi-Seite OhmyMag sind in unserer Aufzählung enthalten, weil sie auch Artikel veröffentlichten, die irreführende Informationen enthalten.

Unsere wichtigsten Ergebnisse:

Hier sind 11 der erfolgreichsten Fake News zum Ukraine-Krieg auf Facebook

Hier kommen die 11 erfolgreichsten Fake News zum Ukraine-Krieg auf Facebook. Achtung: Viele der hier präsentierten Artikel enthalten einen wahren Tatsachenkern, erfinden dann aber Details hinzu, verdrehen die Wahrheit oder verpacken Inhalte in irreführende oder übertriebene Überschriften, sodass ein falscher Eindruck entsteht. Wir erklären zu jeder Nachricht, warum wir sie als „irreführend“ einordnen.

1. Ukraine Fake News: „Baerbock will bis zu zehn Millionen Ukrainer aufnehmen“

Annalena Baerbock (Grüne) in Artikel bei der Jungen Freiheit.
Bei diesem Text der Jungen Freiheit ist es die Formulierung der Überschrift, die „hetzerisch“ wirkt. © Screenshot Website Junge Freiheit

Diese Fake News von der Jungen Freiheit ist eine der erfolgreichsten Meldungen zum Ukraine-Krieg, sie hat 7800 Interaktionen auf Facebook. Dabei basiert sie nicht grundsätzlich auf einem falschen Inhalt, sondern nutzt eine verdrehte Überschrift, um zu polarisieren. „Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich dafür ausgesprochen, bis zu zehn Millionen ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen“, heißt es im Artikel des rechten Mediums. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass acht bis zehn Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine kommen. Und wir werden sie alle aufnehmen“, habe die Politikerin auf einem Parteitag der Grünen in Brandenburg gesagt.

Das Problem: Annalena Baerbock sprach beim Parteitag zwar von bis zu acht Millionen Flüchtlingen, aber eben davon, dass diese in die Europäische Union (EU) kommen würden. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) sagte sie damals: „Wir haben gestern eine Luftbrücke gestartet als Signal, dass weitere Flüge folgen, in ganz Europa und über den Atlantik. Das werden Tausende Flüge sein. Es werden acht bis zehn Millionen Flüchtlinge kommen und wir werden sie alle aufnehmen.“ Dieser Zusatz fehlt im Artikel der Jungen Freiheit – sogar das Wort „Europa“ findet sich in dieser Meldung an keiner Stelle. Auch die Tatsache, dass es für Brandenburg selbst um eine Zahl von 40.000 Flüchtlingen ging, lässt das Magazin aus seiner Meldung raus.

Die irreführende Nachricht wurde unter anderem von der AfD Hamburg und AfD-Politikern wie Dennis Hohloch, einem Abgeordneten im Landtag Brandenburg, geteilt. Auch politikversagen.net und der Twitter-Account Zeitgeschehen teilten die Meldung.

2. Ukraine Fake News: „Russland bombardiert eine Geburtsklinik? Marianna und die neue Brutkastenlüge“

Anti-Spiegel Falschmeldung zu Angriff auf Geburtsklinik in Mariupol.
Nein, die Frau auf dem Bild ist keine Schauspielerin – sie war wirklich schwanger und hat mittlerweile ihr Kind zur Welt gebracht. © Screenshot Website Anti-Spiegel

Am 9. März gingen erschreckende Bilder um die Welt, die schwangere Menschen zeigten, die auf Tragen aus einem Trümmerchaos getragen wurden. Es handelte sich bei dem Vorfall um einen mutmaßlichen Angriff auf eine Geburtsklinik im schwer umkämpften Mariupol. Eines der Bilder, das berühmt wurde, ist das der Bloggerin Marianna Podgurskaya, die in einem gepunkteten Schlafanzug die Treppen hinunterläuft.

Kurz darauf häuften sich im Netz Zweifel, dass der Angriff echt sei. Marianna sei eine Schauspielerin, heißt es. Die Klinik in Wirklichkeit ein Militärstützpunkt. Auch der Anti-Spiegel teilte einen Artikel, in dem er den Bombenangriff mit „Marianna und die neue Brutkastenlüge“ betitelt. „Die „Opfer“ sind jedoch Schauspieler, wie jeder leicht überprüfen kann“, schreibt der Anti-Spiegel. Die Bloggerin sei die gleiche Frau, die auch auf dem Bild einer anderen Toten zu sehen sei. Außerdem sei die Geburtsklinik in Mariupol geräumt gewesen und zu einem Stützpunkt des rechtsextremen Asow-Bataillons umfunktioniert worden.

Das Faktencheck-Team von Correctiv behandelt das Thema in einem eigenen Artikel und kommt zum Fazit, dass mehrere Hinweise darauf hindeuten, „dass die Klinik zum Zeitpunkt des Angriffes in Betrieb war. Es gibt keine Belege, dass diese als militärischer Stützpunkt für die Ukraine genutzt wurde.“ Dass Marianna der toten Frau auf dem Bild ähnlich sieht, ist reine Spekulation. Schwanger war sie jedenfalls, wie man am Instagram-Account der Beauty-Bloggerin leicht erkennen kann. Ein paar Tage nach Angriff auf die Klinik brachte sie ein Mädchen zur Welt, berichtete die Journalistin Olga Tokariuk.

3. Ukraine Fake News: „Zunächst für 2022: Jetzt soll die Kriegssteuer kommen“

Christian Lindner auf der Website der Jungen Freiheit.
Die „Kriegssteuer“ war am 1. Juni nicht beschlossene Sache – sie wurde vom Bundesland Bremen nur vorgeschlagen. © Screenshot Website Junge Freiheit

Mit 6300 Interaktionen auf Facebook ist dieser Artikel der Jungen Freiheit unser Top drei unter den elf erfolgreichsten Falschmeldungen zum Krieg in der Ukraine. Wie schon bei Nummer eins auf unserer Liste ist hier wieder der Dreh irreführend – nicht der Inhalt per se. Auch die dpa berichtete in Medien wie der Zeit über die sogenannte „Übergewinnsteuer“, die auch Ricarda Lang forderte (wofür sie dann übelstes Bodyshaming erfuhr). Das Problem an der Meldung der Jungen Freiheit ist, dass der Kontext fehlt. Es handelt sich um eine Forderung, keine durchgesetzte Tatsache, weshalb die dpa in ihrer Meldung zum Thema auch viel Kritik an einer „Übergewinnsteuer“ zitiert.

Diese fehlt bei der Jungen Freiheit, wie an diesem Satz am Ende des Texts erkennbar wird: „Die Abgabe soll ‚zunächst‘ nur für 2022 erhoben werden.“ Dabei lehnte das Finanzministerium einen Vorstoß in diese Richtung ab, wie die dpa berichtete. Im Bundesrat und im Bundesfinanzministerium erntete der Vorschlag für eine Übergewinnsteuer Kritik. Es wäre der „falsche Weg“ und „keine gute Idee“, sagte Finanzstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) bei der Beratung des Antrags in der Länderkammer. „Eine solche Steuer wäre ökonomisch kontraproduktiv, rechtlich problematisch und schon gar nicht schnell umsetzbar.“

Trotzdem vermittelt die Meldung mit dem Titel „Zunächst für 2022: Jetzt soll die Kriegssteuer kommen“, dass die Übergewinnsteuer (die hier als Kriegssteuer bezeichnet wird) kommen soll. Twitter-Profile wie @HAMBURGonline, Gunnar Lindemann (AfD) oder Bernd Luge (AfD-nah) teilten die Nachricht.

4. Ukraine Fake News: „Ein Video der ukrainischen Polizei bestätigt, dass es in Butscha kein Massaker der russischen Armee gegeben hat“

Website Anti-Spiegel zu Massakern in Butscha.
Es gibt sowohl Video-, als auch Foto-Beweise und Augenzeug:innen, die die Massaker in Butscha bestätigen. © Screenshot Website Anti-Spiegel

Dieser Fake-News-Artikel des Anti-Spiegels ist nicht der einzige, der die Verbrechen in Butscha bestreitet. Auch unter dem Titel „Warum die Meldungen über angebliche russische Kriegsverbrechen in Butscha eine Lüge sind“, findet sich auf dieser Internetseite eine Falschnachricht. Zusammen haben beide Texte über 10.000 Interaktionen generiert. In einem ausführlichen Faktencheck bezieht sich das Recherche-Kollektiv Correctiv auf die Behauptungen. Der Artikel des Anti-Spiegels bezieht sich auf ein 8-minütiges Video, dass Soldaten in Butscha (Vorort von Kiew) zeigt. Weil im Video keine Toten zu sehen seien, habe es auch keine Kriegsverbrechen gegeben – so die These.

Laut Correctiv habe die Faktencheck-Redaktion der AFP die Orte in dem Video auf einer Karte dargestellt. Gut zu erkennen ist zum Beispiel der Supermarkt Novus in der Kyjevo-Myrots’ka Straße in Butscha. Es seien deutlich zwei Leichen zu erkennen, heißt es. Dass es „nur“ zwei Leichen seien, sei zudem kein Beleg dafür, dass es keine weiteren Toten gab. Beweise dafür lieferten Zeugen gegenüber der Organisation Human Rights Watch, Satellitenbilder der New York Times und Screenshots aus Google Maps.

Zeitweise gab es auch Gerüchte, dass es keine Massaker gegeben habe, weil die Leichen in Butscha weiße Armbinden trugen. Wir von BuzzFeed News haben nachgefragt: Weiße Armbinden an Zivilist:innen in Butscha: Militärexperte erklärt, was sie bedeuten könnten.

5. Ukraine Fake News: „Selensky will Krieg, keine Friedensverhandlungen“

Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Website Philosophia Perennis.
In diesem Artikel behauptet der Autor David Berger, der ukrainische Präsident „Selinskyj will diesen Krieg weitertreiben“. © Screenshot Philosophia Perennis

Fast zwei Monate nachdem Putin die Ukraine angegriffen hatte, erschien auf dem Blog Philosophia Perennis ein Beitrag dazu, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj keine Friedensverhandlungen wolle, sondern Krieg. Der Autor David Berger (von dem wir in dieser Liste noch mehr lesen werden) spielt darauf an, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein Besuch in der Ukraine verweigert wurde. Das kritisierte auch Habeck (Grüne) als „diplomatischen Fehler“. Doch Berger kritisiert nicht nur, dass Steinmeier ausgeladen wurde. Er interpretiert das als Zeichen, dass „Selinskyj diesen Krieg weitertreiben will“. Er bezeichnet den ukrainischen Präsidenten als „kleptokratischen Multimillionär“, der nur eines wolle: „Den totalen Krieg ohne Rücksicht auf Verluste statt irgendwelcher Friedensverhandlungen, mehr Waffen statt die Friedenshilfe deutscher Politiker, deren Auffassungsgabe über die von Baerbock hinausgeht.“

Aussagen, wie diese, wirken fast kurios, schaut man sich beispielsweise die Wochen vor dem 24. Februar an, in denen sich unzählige Staatschefs die Ohren wund telefonierten, um eine diplomatische Lösung für die Konflikte an der russisch-ukrainischen Grenze zu finden. Noch Mitte März äußerte sich Selenskyi optimistisch, nachdem er Verhandlungen mit Russland geführt hatte. „Wir alle wollen so schnell wie möglich Frieden und Sieg“, sagte Selenskyj laut Tagesschau in einer Videobotschaft. „Aber es braucht Mühe und Geduld.“ Auch mehr als zwei Monate später sagte er laut Welt „Der Krieg wird blutig sein, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie.“

Immer wieder erklären Politiker:innen wie Viola Cramon (Grüne), die wir interviewt haben, oder Marina Weisband (Grüne), die aus der Ukraine stammt, dass eine Niederlage im Kampf gegen Russland ein herber Schlag für die Demokratie sei. Und zwar nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa. Deswegen befindet sich die Ukraine durch den Krieg auch in einem ethischen Dilemma zwischen Aufgeben und weiterkämpfen.

6. Ukraine Fake News: „Hat die EU Biowaffenlabore in der Ukraine finanziert?“

Website Freie Welt – Artikel über Biowaffen-Labore in der Ukraine.
Immer wieder kursieren Gerüchte, dass die Ukraine Biowaffen herstellt. Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. © Screenshot Freie Welt

In einer Meldung der Freien Welt heißt es, dass laut Reuters „die umstrittenen Biolabore in der Ukraine auch von der EU mit unseren Steuergeldern finanziert“ wurden. Sucht man nach der Originalquelle, so wird jedoch schnell klar, dass in dieser Meldung der Kontext fehlt. In der Meldung von Reuters geht es um die allgemeine Forschung an Krankheitserregern, die in nahezu jedem Land der Welt üblich ist. Aufgrund des Angriffskrieges auf die Ukraine sollten „gefährliche Erreger“ zerstört werden – daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich um gezielte Biowaffen handle.

Auch der Anti-Spiegel und weitere Seiten teilten Artikel zu angeblichen Biowaffen-Laboren in der Ukraine. Insgesamt haben die beiden Meldungen etwa 7000 Interaktionen auf Facebook. Joachim Kuhs, Bundesschriftführer der AfD, und auch die AfD Melle und Gelsenkirchen teilten die Nachricht. Ersterer ist in ihr auch aufgeführt, er habe als EU-Abgeordneter im Haushaltsausschuss „eine Anfrage an die EU-Kommission gerichtet, um zu erfahren, welche EU-Mittel an Bioforschung in der Ukraine geflossen sind“, heißt es in der Meldung.

In einem Faktencheck griff Correctiv das Thema „Biowaffen-Labore“ auf. „Schon vor einigen Jahren kursierten Falschmeldungen über angebliche Biowaffen in der Ukraine“, schreibt Correctiv. Die Mitte April 2022 aktuellen Behauptungen, die USA habe die Existenz von Biowaffen in der Ukraine zugegeben, sei jedoch falsch – sie antwortete nur, die Ukraine habe biologische Forschungslabore. 1975 trat ein Übereinkommen zum Verbot biologischer Waffen in Kraft, das die Entwicklung, Produktion, Anreicherung und Lagerung biologischer Waffen verbietet – sowohl Russland, die USA als auch die Ukraine und Deutschland haben das Abkommen unterzeichnet.

7. Ukraine Fake News: „Lebensgefahr durch Bombenangriff: Angelina Jolie aus Ukraine evakuiert“

Website Ohmymag – Artikel über Angelina Jolie in der Ukraine.
„Lebensgefahr durch Bombenangriff“ ist für Angelina Jolies Besuch in der Ukraine ein wenig übertrieben formuliert. Sie erlebt einen Fliegeralarm – andere Medien berichten jedoch nicht von einer Evakuierung aus der Ukraine. © Screenshot Ohmymag

Keine Fake News im klassischen Sinne, aber etwas irreführend: Das Magazin Ohmymag schreibt, wie viele andere Medien auch, über Angelina Jolies Besuch in der Ukraine. Auf Facebook erzielte es mit diesem Artikel um die 3300 Interaktionen, damit ist der Artikel auf Platz sechs der erfolgreichsten Facebook-Posts des Star-Magazins. Die Überschrift, die hier verwendet wird, scheint jedoch teilweise übertrieben zu sein. Angelina Jolie erlebte in der Ukraine zwar einen Fliegeralarm, antwortete darauf aber laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ganz cool „Nein, nein, mir geht es gut“.

Von einer „Evakuierung aus der Ukraine“, die das Ohmymag anspricht, finden sich bei anderen Medien keinerlei Hinweise. Aufgrund des Fliegeralarms musste der Hollywood-Star zwar den unmittelbaren Gefahrenort verlassen – das ganze Land jedoch wohl eher nicht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, dass sich Jolie am Samstag, 30. April, in Lwiw aufgehalten habe. Am vierten Mai teilt sie auf Instagram einige Bilder von ihrem Besuch und verliert kein Wort über eine angebliche Evakuierung aus der Ukraine (siehe unten).

8. Ukraine Fake News: „Afrikanische Studenten“ aus der Ukraine verlieren zufällig ihre Pässe auf dem Weg nach Deutschland

Flüchtlinge aus der Ukraine in einem Artikel bei Philosophia Perennis.
Afrikanische Student:innen, die aus der Ukraine flüchten, würden nur etwas „vorspielen“, suggeriert dieser Text von Philosophia Perennis. © Screenshot Website Philosophia Perennis

Diese Meldung bei Philosophia Perennis greift eines der oben beschriebenen Hauptthemen „Flüchtlinge“ auf. Artikel der „Mainstream-Medien“, wie wohl auch dieser Artikel von BuzzFeed News über afrikanische Studierende, die verzweifelt versuchen, aus der Ukraine zu fliehen, werden stark kritisiert. Ihnen „ist ein neues Kunststück in Sachen Framing illegaler Migranten“ gelungen, schreibt das Medium, das sich selbst als „migrations-kritisch“ bezeichnet. Besonders die Hessenschau bekommt ihr Fett weg, weil sie über Studierende aus Kamerun berichtet, die Rassismus bei ihrer Flucht erfahren mussten.

„Ähnliche Elaborate liest man in der linken Zeit. Dort werden Afrikaner, die aus der Ukraine Hals über Kopf flohen und dabei Kinder und Frauen zurückließen, kurzerhand zu Helden und Opfer stilisiert“, heißt es. Dabei ist es kein Einzelfall, dass Geflüchtete aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft zurückstecken müssen – insbesondere gegenüber ukrainischen Flüchtlingen, die „europäischer“ aussehen. In Hamburg ließ die Stadt nur ukrainische Flüchtlinge in eine Unterkunft – das ist offene Diskriminierung.

9. Ukraine Fake News: „Ukrainische Flüchtlinge lehnen Impfungen dankend ab“

Falschmeldung zu ukrainischen Flüchtlingen, die sich nicht impfen wollen.
Bei „Bürgermeistern und Impfstoff-Profiteuren“ gebe es großes Geschrei, weil zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine die Impfung ablehnen würden, schreibt David Berger von Philosophia Perennis. © Screenshot Philosophia Perennis

Flüchtlinge sind auch bei dieser Meldung das Hauptthema. Hier fehlt vor allem der Kontext – der Tatsachenkern der Nachricht ist richtig. In der Tat berichteten Städte wie Nürnberg und Fürth davon, dass Flüchtlinge Angst vor einer Zwangsimpfung hätten. Der Text von Philospohia Perennis zieht jedoch das falsche Fazit. „Großes Wehgeschrei bei Bürgermeistern und Impfstoff-Profiteuren“, heißt es im Vorspann des Artikels. Die Städte haben die Flüchtlinge mit einer „Art Willkommensgeschenk in Form einer Impfung beglücken [wollen] und damit zumindest einen Teil der zu viel gekauften Impfladungen loswerden [wollen]“, heißt es auf der Plattform.

Davon ist in einer Meldung des Bayrischen Rundfunks (BR) zum selben Thema jedoch nicht die Rede. Grund für die Impfaktion ist, dass nur etwa ein Drittel der Ukrainer:innen gegen das Corona-Virus geimpft sei – zum Teil auch mit Impfstoffen, die in der EU nicht zugelassen seien. Diese geringe Impfquote könnte zu einem Problem in Sammelunterkünften führen. Man versuche das Problem, dass viele Menschen „panische Angst vor ‚Zwangsimpfungen‘“ haben, sensibel anzugehen, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD). Man wolle nun erst einmal medizinisch aufklären.

10. Ukraine Fake News: „Pentagon organisiert den Sieg der Ukraine beim Eurovision Song Contest 2022“

Website Voltaire.net mit Artikel über das Pentagon, das angeblich die Gewinner beim ESC festlegte.
Wer steckt hinter dem Sieg der Ukraine beim ESC? Das Pentagon, behauptet Voltaire.net. © Screenshot Voltaire.net

Schon mehrfach wurde des ESC Opfer von Falschmeldungen. Am 18. Mai 2022 berichteten wir in unseren Fake-News-Ticker, der momentan eingestellt wurde, von der Fake News, der Sänger Oleh Psiuk, der mit der Band „Kalush Orchestra“ den ESC gewonnen hat, habe beim Eurovision Song Contest einen Hitlergruß gezeigt. Ein Faktencheck von Reuters stellte diese Missinformation richtig – es handelte sich um ein simples Victory-Zeichen.

Auch die Website Voltairenet.org teilte eine Falschmeldung zum ESC. Die These: Das „Pentagon organisiert den Sieg der Ukraine beim Eurovision Song Contest 2022“. „Es gibt nur Naive, für die dieser Wettbewerb Fairplay ist. Er ist in erster Linie ein Propagandainstrument. Die NATO, die ihn 1955 entworfen hat (siehe Dokument unten), hat immer die Fäden gezogen“, schreibt das Portal.

Dass der ESC schon immer eine politische Bedeutung hatte, und auch die Veranstalter:innen mehr oder weniger stark beeinflussen, wer gewinnt – dieses Gerücht ist gar nicht so unrealistisch. Aber das Pentagon und die Nato? Die haben wahrscheinlich Besseres zu tun. Wahrscheinlicher ist es, dass die Zuschauer:innen mit ihrem Mitgefühl ein Zeichen setzen wollten, vor allem weil die ukrainische Band beim ESC 2022 schon lange angab, gewinnen zu wollen, um ein optimistisches Zeichen zu setzen.

11. Ukraine Fake News: „Ukraine-Krieg als Vorwand: Bundesregierung begeht den nächsten Asylbetrug“

Website Anonymous News – Artikel über Asylbetrug und Flüchtlinge aus der Ukraine.
Die Bundesregierung begehe den nächsten Asylbetrug, behauptet Anonymousnews.org – in Polen wäre die Willkommenskultur viel herzlicher. © Screenshot Website Anonymous News

Schon 2017 haben wir 8 der erfolgreichsten Falschmeldungen zusammengesammelt. Auch hier dominierten Themen wie „Asyl“, „Flucht und „Impfungen“. Unter den Top-Verbreitern für Falschnachrichten war hier auch die Seite Anonymousnews, die damals noch unter der Domain „.ru“ lief. Heute nutzt sie „.org“, um Falschmeldungen gezielt zu verbreiten und spielt damit auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. Dieser verbreitet seit Kriegsbeginn auf diversen Kanälen immer wieder Falschnachrichten zum Ukraine-Krieg – auch im Fernsehen. Eine Reporterin machte darauf selbst aufmerksam: „Sie lügen euch an“: sagte sie in russischer Nachrichtensendung über den Krieg – und wird verhaftet.

Das Portal Anonymousnews.org schreibt Anfang März darüber, dass der Ukraine-Krieg ein Vorwand für den nächsten Asylbetrug sei und könnte damit genau die Ängste schüren, die viele Deutsche beim Thema Migration haben. Für Putin ein Plus – denn jeglicher Hass auf die Ukrainer:innen würde ihm zugutekommen. „Über die Ukraine wandert gegenwärtig eine gigantische Anzahl außereuropäischer Migranten nach Deutschland ein“, heißt es in der Meldung. Und Deutschland wolle alle aufnehmen – Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Luise Amtsberg würden sich „im Vollgefühl der eigenen moralischen Überlegenheit in die Brust [werfen]“.

Polen hingegen sei „ein Musterbeispiel an praktischer Nächstenliebe und echter ‚Willkommenskultur‘“ und helfe gezielt denen, die tatsächlich in Not und Gefahr seine. Die „Regierung gewordene Migrationslobby in Deutschland“ jedoch nutze „die Ukraine-Krise dreist aus, um die Tür für den nächsten großen Asylbetrug zu öffnen“. Dabei berichteten sowohl die Süddeutsche Zeitung, als auch die Frankfurter Rundschau davon, dass viele Schwarze Ukraine-Geflüchtete von Rassismus an der Grenze erzählen.

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