Welche Rolle lustige Memes über Russland im Ukraine-Krieg spielen

Die Gegenoffensive der Ukraine ist für viele ein großer Überraschungserfolg – und für Russland eine Farce. Putins Militär wird auf Twitter zum Meme.
Eigentlich wollte der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine innerhalb von wenigen Tagen unter seine Kontrolle bringen. Doch nun dauert der bewaffnete Konflikt schon seit mehr als 200 Tagen an – Gründe dafür sind der absolute Verteidigungswille des Landes sowie die westlichen Waffenlieferungen. Die erfolgreiche Gegenoffensive der ukrainischen Truppen im Osten des Landes, die seit Wochen läuft und in diesen Tagen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht, bringt auch viele Fachleute zum Staunen.
Eigenen Angaben zufolge hat die Ukraine seit Beginn der Gegenoffensive 6000 Quadratkilometer zurückerobern können, die zuvor vom russischen Militär besetzt worden waren. Zur Veranschaulichung: Das ist mehr als die doppelte Fläche des Saarlandes. Wie so oft liegt über diesen Meldungen der Nebel des Krieges. Es lässt sich nicht zweifelsfrei überprüfen, wie nachhaltig die Erfolge tatsächlich sind, da auch zahlreiche Fake News kursieren. Auf Twitter machen sich viele allerdings lustig über Russland und Wladimir Putin – schließlich gehört das russische Militär zu den gefürchtetsten Streitkräften auf der Welt.
Zehntausende Likes für Memes, die die Ukraine im Krieg gegen Russland bestärken
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar werden Memes zu dem Konflikt im Internet hochgeladen. Auffällig ist, wie erfolgreich die pro-ukrainische Seite ist. Wie in jedem Konflikt kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Behörden und regierungsnahe Stellen diese Narrative aus Eigeninteresse befeuern – in diesem Fall die ukrainische Regierung rund um Präsident Wolodymyr Selenskyj. Schließlich soll die Moral im eigenen Land hochgehalten und die Deutungshoheit im Ausland gewonnen werden.
Den Ukrainian Memes Forces (zu Deutsch: Ukrainische Meme-Streitkräfte) folgen auf Twitter mehr als 275.000 Menschen – damit ist das Konto der größte Meme-Kanal zum Russland-Ukraine-Krieg auf Twitter. Regelmäßig gehen die Tweets viral, Zehntausende liken die Posts und verstärken damit die Reichweite. Hier eine kleine Auswahl:
Selbst beim Schlafengehen drehen sich die Gedanken in diesem Meme um den Russland-Ukraine-Krieg:
Das Militär Russlands – ein beschwipster Drache?
Putin will wissen, wie sich Russlands Truppen im Ukraine-Krieg schlagen – mit der langen Antwort dürfte er nicht zufrieden sein:
Wer hinter den Ukrainian Memes Forces steckt, ist nicht bekannt. Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) hat den Account analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass vier Hauptthemen bei den Tweets im Vordergrund stehen:
- Hervorhebung des Heldentums und der Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte und Zivilbevölkerung
- Verspottung der russischen Truppen und Wladimir Putins
- Aufdeckung und Enthüllung von russischen Fake-News-Kampagnen
- Kritik an schleppenden Waffenlieferungen und dem geringen Einsatz des Westens
NAFO kämpft mit Hunde-Memes an der Seite der Ukraine gegen Fake-News aus Russland
Aber nicht nur die Memes Forces verbreiten ironische Bilder zum Ukraine-Konflikt, viele User:innen schließen sich dem Internetkampf gegen Russland an. Größere Bekanntheit erlangte zuletzt die NAFO, die North Atlantic Fellas Organization. In Anlehnung an das westliche Militärbündnis NATO hat sich dort eine lose Ansammlung von Internet-Nutzer:innen zusammengefunden, die gegen russische Desinformation kämpfen und die Ukraine solidarisch unterstützen.
Das Erkennungszeichen der NAFO-Mitglieder ist eine besondere Hunderasse aus Japan: ein Shiba Inu. Um ihn werden nicht nur Memes gebaut, die Fellas (zu Deutsch: Kumpel) tragen den Hund auch stolz als Profilbild. Unter den NAFO-Angänger:innen: Martin Walther, ein 44-jähriger Kaufmann aus Dresden. „Die russische Propaganda agiert sehr stumpf, das lässt sich leicht vorführen“, sagte Walther dem ZDF. „Und die Menschen nehmen das wahr, ob hier im Westen oder in der Ukraine.“
Dass die NAFO nicht nur bei Privatpersonen im Internet ein Dasein führt, sondern auch hohe Wellen bei offiziellen ukrainischen Behörden schlägt, sieht man an diesem Beispiel:
Verteidigungsministerium der Ukraine bedankt sich bei der NAFO – daraufhin bastelt ein Fella einen Hund im Look des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow
Verteidigungsminister der Ukraine trägt nur eine Woche später ein T-Shirt der NAFO
Nur eine Woche nach dem Dankespost seines Ministeriums an die NAFO, trug Oleksij Resnikow dann selbst ein T-Shirt mit dem bekannten Hund. „Danke, dass ihr mich zur NAFO eingeladen habt! Unsere gemeinsame Arbeit geht weiter“, schrieb der Verteidigungsminister am 4. September auf Twitter. Die ukrainische Armee kämpfe für die Zukunft Europas, die NAFO zerstöre derweil Propaganda aus dem Kreml.
Expertin über Memes im Ukraine-Krieg: „Die Masse kann so durchaus eine eigene Wirkung erzielen“
Wie bewertet die Wissenschaft die Rolle der Memes im Ukraine-Krieg? Medienpsychologin Anne Leiser geht davon aus, dass die kollektive Masse mit den Internetbildchen die Macht habe, sich gegen Machtstrukturen aufzulehnen und das entstehende Narrativ mitzubestimmen. „Die Meme-Kultur zelebriert gerne das Amateurhafte“, erklärte Anne Leiser gegenüber der NZZ.
„Einzelpersonen kreieren selbständig Inhalte – so werden die traditionellen Netzstrukturen aufgehoben. In der Netzkultur wirken besonders die Narrative vom Amateurhaften oder Schwächeren, der gehört wird.“ Auf der einen Seite steht somit Russland, eine Atommacht und das flächenmäßig größte Land der Erde, auf der anderen Seite die vergleichsweise kleine und vermeintlich schwächere Ukraine.
Leiser glaubt, dass die Ukraine-Memes durchaus Bedeutung haben. „Das Teilen und Weiterverbreiten führt zu einem Gefühl der Wirkung. Memes verändern somit auch die Prozesse der traditionellen Medien, und die Masse kann so durchaus eine eigene Wirkung erzielen“, sagte die Expertin. Auch Elon Musk, ein umstrittener Liebhaber von Memes, hilft der Ukraine im Kampf gegen die russischen Truppen. (tvd)