1. BuzzFeed
  2. News

Väter in Deutschland werden zu „gerechter Arbeitsteilung“ gezwungen, zeigt Studie

Erstellt:

Von: Jana Stäbener

Kommentare

Wie ticken Väter heute? Das fragten sich Forschende der Universität Braunschweig. Ihr Ergebnis: Es geht voran bei der Gleichberechtigung.

Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen – das ist für Eltern auch im Jahr 2023 noch eine große Herausforderung. Die „Arbeitswelt der Zukunft“ sieht düster aus, sagen arbeitende Eltern. Es sind nicht nur Mütter, die ihren Beruf in Verbindung mit ihrer Elternschaft negativ wahrnehmen. Auch Väter erleben einen sogenannten „Work-Family-Konflikt“.

Das haben Forschende der Technischen Universität (TU) Braunschweig und Fachhochschule Kiel herausgefunden. Sie befragten von April bis Oktober 2021 insgesamt 2200 Väter zwischen 17 und 67 Jahren zu ihrer Vorstellung von Vaterschaft beziehungsweise deren Zielen und Herausforderungen. BuzzFeed News DE fasst die Ergebnisse für dich zusammen.

Väter in Deutschland: „Die ideale Vaterschaft braucht finanzielle Sicherheit“

Die Sozialwissenschaftler:innen fragten Väter in ihrer Studie „VAPRO – You don need Superheroes“, wie sie sich selbst wahrnehmen und ob die Vaterrolle ihren Job beeinflusse. Etwa 75 Prozent antworteten auf diese Frage mit „Ja“. Umgekehrt beeinflusste der Beruf bei etwa 70 Prozent die Vaterschaft. Und: Fast 70 Prozent der Väter in Deutschland, bei denen das so ist, nehmen diesen Einfluss als negativ wahr.

Der Professor für Armut und soziale Ungleichheit, Kai Marquardsen, von der Fachhochschule Kiel, sieht den Grund dafür im unglaublich „großen Druck vonseiten der Wirtschaft“. In einem Pressegespräch am 6. Februar 2023 sagt er: „Das Ideal, dass eine Person arbeitet, das geht nicht mehr. Das führt zu unglaublich vielen Baustellen in den Familien, also zu sehr starker Überforderung.“

Man habe beobachten können, dass es einen Trend hin zu „gezwungenermaßen mehr gerechter Arbeitsteilung“ gebe. „Die ideale Vaterschaft braucht finanzielle Sicherheit, und dem widersprechen die momentanen Sorgen des Alltags“, so Marquardsen. Vor allem bei armutsbetroffenen Vätern, sei zu erkennen, dass sie eigentlich gerne aktiver wären, das aber einfach nicht können, ergänzt Kim Bräuer vom Lehrstuhl für Soziologie an der TU Braunschweig.

Väter von heute sehen Zuneigung zeigen als ihre wichtigste Aufgabe an.
Väter von heute sehen Zuneigung zeigen als ihre wichtigste Aufgabe an. © Kelsey Smith/Cavan Images/IMAGO

Finanzielle Sicherheit ist für viele Eltern ein Thema, denn ein Kind ist für viele inzwischen Luxus, sagt eine Soziologin – bis zum Studium kostet es 230.000 Euro.

Von Vaterschaft und Mutterschaft hin zu Elternschaft

„Wir sehen keine Retraditionalisierung“, sagt Bräuer. Der Trend, dass Frauen auf TikTok #tradwife sein und den Haushalt machen wollen, scheint also eine Minderheit zu betreffen. „Die Daten zeigen, dass es dahingeht, dass Mutterschaft und Vaterschaft sich ein Stück weit auflösen, hin zur Elternschaft.“ Alle Väter hätten Branchen-übergreifend mehr oder weniger bedauert, den eigenen Vorstellungen von Vaterschaft nicht gerecht zu werden. Das spreche gegen alte Geschlechterrollen, so Bräuer.

Der Großteil habe sich vom Bild des Vaters als „Ernährer“ also von dieser eher alten Vorstellung von Männlichkeit gelöst, so die Forschenden. Väter heute legen laut Studienergebnissen Milieu-übergreifend Wert darauf, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Dem Kind Zuneigung zu zeigen, ist für fast 60 Prozent der Befragten das Wichtigste.

„Ich habe meinem Sohn immer gesagt, wir sind immer beste Kumpels. Also egal, was passiert, oder egal, was er macht [...] er soll immer zu mir kommen“, sagt ein Teilnehmer der Studie (siehe unten). Gleichzeitig lehnen sie die Vaterschaftspraktiken der eigenen Väter ab.

Väter in Deutschland: 48 Prozent teilen sich Care-Arbeit gerecht auf

BuzzFeed News DE fragt die Forscher:innen, was sie an den Ergebnissen am meisten überrascht hat. Flora Brzosa vom Lehrstuhl für Soziologie an der TU Braunschweig antwortet: „Nur 2,5 Prozent der befragten Väter in Deutschland sagen, dass sie ihren Kindern umweltverträgliches Verhalten mitgeben wollen. Das fanden wir vor dem Hintergrund der immer dringlicher kommunizierten Klimakrise ein überraschendes Ergebnis.“

Weniger überraschend war wohl das Ergebnis, dass trotz der Zunahme an „gerechter Arbeitsteilung“, immer noch nur jeder zehnte Vater angab, mehr Care-Arbeit zu übernehmen als sein:e Partner:in. Etwa 48 Prozent gaben an, sich die Arbeit gerecht zu teilen, bei 42 Prozent übernimmt der andere Elternteil die meisten Aufgaben. Hier gebe es übrigens keine statistischen Unterschiede zwischen Regenbogen-Familien und heteronormativen Partnerschaften.

Elterngeld muss „integrativer“ gedacht werden

Für eine wirklich gelungene Gleichberechtigung brauche es einmal die „gelungene Kinderbetreuung“ und die „flexible Erwerbstätigkeit“, so Bräuer. Aber genau diese sei nicht für alle möglich, weshalb die Studienautor:innen die Handlungsempfehlung aussprechen, die „staatliche Regulierung von Elterngeld integrativer zu denken“.

Bräuer verweist auf das schwedische Modell, bei dem sowohl Arbeitgeber als auch Staat einen Teil beisteuern, was 100 Prozent Lohnausgleich ermögliche. Außerdem sollten die Elterngeldsätze besonders für armutsbetroffene Menschen erhöht werden, denn sonst bleibe eine gelungene und gleichberechtigte Vaterschaft „für manche Familien für immer verschlossen“.

Mehr zum Thema: Mit Mehrgenerationenhäusern bauen sich Eltern ein Dorf, um ihre Kinder zu erziehen.

Auch interessant

Kommentare