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2022 starben in den USA bereits 17.820 Menschen durch Waffengewalt

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30. Mai 2022, Austin, Texas, USA: Ein junges Mädchen legt ein Tuch mit der Aufschrift „More guns make me less safe“ bei einer Gedenkfeier für die Opfer der Massenerschießung in der Robb Elementary School in Uvalde, Texas, auf die Stufen zum Gelände des Texas Capitol in Austin.
Montag, 30. Mai 2022: Ein Mädchen besucht die Gedenkfeier für die Opfer der Massenerschießung in der Robb Elementary School in Uvalde, Texas. © IMAGO/Bob Daemmrich

In den USA starben allein am letzten Maiwochenende 130 Menschen durch Waffengewalt – Anti-Waffen-Aktivist:innen setzen sich dafür ein, dass das ein Ende hat.

Ein Memorial Day Festival in Oklahoma. Eine Hausparty in Philadelphia. Eine Schulabschlussfeier in Alabama. Am letzten Mai-Wochenende kamen viele Amerikaner:innen über die Feiertage zusammen. Doch dieser Frieden wurde durch einige tragische Fälle von Waffengewalt erschüttert.

Die schockierenden und tödlichen Massenerschießungen sowohl in Uvalde (Texas), bei der 21 Menschen in einer Grundschule getötet wurden und auch die in Buffalo (New York), waren während dieser Zeit bei vielen Menschen Gesprächsthema Nummer Eins. Doch landesweit kam es zu Hunderten weiteren kleineren Schießereien, bei denen Menschenleben ausgelöscht, Menschen verletzt und Familien auseinandergerissen wurden. Auch einige Tage später, am ersten Juni, starben vier Menschen bei einer Schießerei in Tulsa.

Waffengewalt in den USA: 300 Schießereien in nur 72 Stunden

Am Memorial Day-Wochenende kam es in nur 72 Stunden in den USA zu mehr als 300 Schießereien, wie aus den Daten des Gun Violence Archive hervorgeht. Mehr als 130 Menschen wurden getötet, darunter ein 16-jähriges Mädchen und eine 21-jährige junge Frau, die gegen ein Uhr nachts auf einer Feier in Philadelphias Stadtteil Port Richmond erschossen wurde. Bei vielen der anderen Schießereien kam nur eine Person zu Schaden. Bei einer Schießerei am Sonntagnachmittag, 29. Mai, auf einer Autobahn im Südosten von Las Vegas, wurden bis zu sieben Personen verletzt.

„Massenerschießungen sind die Spitze des Eisbergs in der Krise der Waffengewalt in diesem Land", so Melody McFadden, freiwillige Mitarbeiterin von Moms Demand Action und Mitglied des Veteranen-Beirats von Everytown, gegenüber BuzzFeed News US. „Es ist wichtig zu erkennen, dass jeden Tag Menschen durch Waffengewalt sterben, die keine nationalen Schlagzeilen machen."

Schulmassaker in Uvalde (Texas) verbreitet Schrecken im ganzen Land

Die Ermordung von 19 Kindern und zwei Erwachsenen, in ihren texanischen Klassenzimmern bei Uvalde (Texas), bei dem auch der Ehemann einer der Ermordeten an einem späteren Herzinfarkt starb, löste nationales Entsetzen aus. Zum ersten Mal seit Jahren wurden – wenn auch nicht ausführlich genug – bundesstaatliche Maßnahmen in Bezug auf Schusswaffen in Betracht gezogen. Aber im ganzen Land machen sich auch Angst und Schrecken breit.

In Florida wurde ein 10-jähriger Fünftklässler verhaftet und angeklagt. Ein Facebook Video hält den Moment fest, als er von einem Polizisten aus dem Schulgebäude abgeführt wird. Der Junge soll angeblich eine Textnachricht über eine geplante Schießerei an seiner Schule in Cape Coral verschickt haben.

Sheriff Carmine Marceno sagte in einer auf Facebook geteilten Erklärung, dass das Verhalten des Jungen angesichts der Tragödie in Uvalde „widerlich“ sei. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich wie ein kleiner Verbrecher zu verhalten. Das ist nicht lustig“, sagte Marceno. „Dieses Kind hat eine falsche Drohung ausgesprochen, und jetzt bekommt er die realen Konsequenzen zu spüren.“

„Wir müssen 365 Tage im Jahr aufpassen und Maßnahmen ergreifen, damit dies ein Ende hat“

Anti-Waffengewalt-Befürworter:innen zeigen sich zuversichtlich, dass sich die angespannte nationale Stimmung in politisches Handeln umsetzen lasse. Sie fordern von Amerikaner:innen und den Medien ein stärkeres Bewusstsein über Fälle von Waffengewalt, die abseits der in den Medien gezeigten Massenerschießungen stattfinden.

„Diese öffentlichkeitswirksamen Momente sollten uns aufklären und zum Handeln anregen“, sagte Noah Lumbantobing, Sprecher von March for Our Lives, gegenüber BuzzFeed News US, „aber sie sollten nicht die einzigen Momente sein, in denen wir aufpassen, in denen wir unsere Gesetzgeber zum Handeln auffordern, in denen wir auf der Straße marschieren und uns zeigen.“ Im Gegensatz dazu waren Ideen der Republikaner:innen weniger sinnvoll, denn sie hatten mit Waffen wenig zu tun.

„Wir müssen 365 Tage im Jahr aufpassen und Maßnahmen ergreifen, damit dies ein Ende hat“, sagte Lumbantobing. „Andernfalls werden wir beim nächsten Mal wieder hier sein, und die Kinder werden weiter leiden, die Menschen werden weiter leiden, und die Gemeinden werden weiter leiden.“

28. Mai 2022, Buffalo, New York, USA: US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Second Gentleman Doug Emhoff an einer Mahnwache, nach der Teilnahme an der Gedenkfeier für das Opfer der Massenerschießung, Ruth Whitfield in Buffalo, New York, USA.
28. Mai 2022, Buffalo, New York, USA: US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Second Gentleman Doug Emhoff besuchten die Mahnwache an der Ecke Jefferson & Landon, nach der Gedenkfeier für das Opfer der Massenerschießung, Ruth Whitfield, in Buffalo. © IMAGO/Malik Rainey/IMAGO

Alltägliche Waffengewalt: „Die Kugeln flogen buchstäblich überall hin“

Die „alltägliche Waffengewalt“, von der Lumbantobing spricht, umfasst tödliche Vorfälle häuslicher Gewalt. So berichtete Local 4 Click on Detroit von der Ermordung einer Mutter und ihrer drei Kinder unter zehn Jahren durch ihren Ehemann am Samstag, 28. Mai 2022, in Zentral-Michigan.

Aber auch Gewalt auf der Straße, wie in der kleinen Stadt Taft in Oklahoma, südöstlich von Tulsa, wo sich am Freitagabend etwa 1500 Menschen zu einem Fest im Freien versammelt hatten. Sie bedienten sich an einem Imbisswagen und feierten den Beginn des Memorial-Day-Wochenendes. KSL TV5 berichtete, dass kurz nach Mitternacht nach einem mutmaßlichen Streit Schüsse fielen, woraufhin sich die Menschen in Panik in Sicherheit brachten.

„Die Kugeln flogen buchstäblich überall hin“, berichtete Jasmayne Hill der Zeitung Tulsa World und beschrieb, wie sie auf den Boden ihres Imbisswagens sprang, um in Deckung zu gehen. Mindestens eine Kugel traf das Fahrzeug und verfehlte nur knapp einen Propan-Tank. „Es war wie in einem Film“, sagte Hill. Als die Schüsse endlich aufhörten, war eine 39-jährige Frau tot. Sieben weitere Personen im Alter von 56 bis neun Jahren waren verletzt worden.

„Kein Elternteil sollte jemals diesen Anruf erhalten müssen“

Am Sonntag, 29. Mai, wurde ein 26-jähriger Mann in Gewahrsam genommen, nachdem er sich selbst gestellt hatte, wie das Oklahoma State Bureau of Investigation mitteilte. Zwei Bundesstaaten weiter, in Tennessee, wurden am letzten Samstagabend im Mai bei einer Schießerei in der Innenstadt von Chattanooga sechs Teenager:innen verletzt. „Zwei der Verletzten schweben in Lebensgefahr“, äußerte sich Polizeichefin Celeste Murphy gegenüber Reporter:innen von Local 4 Click on Detroit.

„Ich bin untröstlich für die Familien und die Opfer, deren Leben gestern Abend durch die Schüsse zerstört wurde. Kein Elternteil sollte jemals diesen Anruf erhalten müssen“, sagte Bürgermeister Tim Kelly. „Aber ich bin auch wütend. Gestern Abend wurden sechs Teenager:innen erschossen. Das ist ungeheuerlich und muss aufhören“, sagte der Bürgermeister. „Es ist lächerlich, dass ich überhaupt öffentlich erklären muss, dass Waffen in den Händen unserer Kinder nichts zu suchen haben.“

Ein Mann legt nach einer Demonstration für eine strengere Waffengesetzgebung und einer Mahnwache für die Opfer in Buffalo, NY, und Uvalde, Texas, Blumen auf die Barrikade vor dem Obersten Gerichtshof.
Ein Mann legt nach einer Demonstration für eine strengere Waffengesetzgebung und einer Mahnwache für die Opfer in Buffalo, NY, und Uvalde, Texas, Blumen auf die Barrikade vor dem Obersten Gerichtshof. © Allison Bailey/NurPhoto/IMAGO

In den USA sterben täglich 110 Menschen durch Schusswaffen

Kelly war einer der zehn Vorsitzenden der Gruppe „Mayors Against Illegal Guns“, die erst am 27. Mai 2022 eine Erklärung veröffentlicht hatten, in der sie den Kongress aufforderten, Maßnahmen zur Waffensicherheit zu ergreifen. Sie wiesen darauf hin, dass in den USA jeden Tag durchschnittlich 110 Amerikaner:innen durch Schusswaffen getötet werden, so auch ein junger schwarzer Mann, der durch Polizeigewalt starb.

„Und doppelt so viele werden jeden Tag erschossen und verwundet – aufgrund häuslicher Gewalt, bei Schießereien auf den Straßen unserer Städte und bei grausamen Massenschießereien in Supermärkten und Grundschulen“, so die Bürgermeister:innen. „Damit ist jetzt Schluss. Der US-Senat hat die moralische Verpflichtung, Maßnahmen zur Waffensicherheit zu ergreifen. Wenn er dies nicht tut, vernachlässigt er seine grundlegendste Verantwortung: für unsere Sicherheit zu sorgen.“

Die Gruppe, der mehr als 1000 amtierende und ehemalige Bürgermeister:innen angehören, fordert unter anderem eine Ausweitung der Zulässigkeit-Überprüfungen, die es den Behörden ermöglichen würde, einer Person, die Anzeichen einer Selbst- oder Fremdgefährdung aufweist, die Waffe wegzunehmen, sowie eine bessere Regulierung von Angriffswaffen.

Waffengewalt in den USA: „Leben sind zerbrechlich und kostbar“

Sechs junge Menschen wurden am Freitagabend, 27. Mai 2022, auf einer Abschlussfeier in Anniston, Alabama, etwa 60 Meilen (ca. 97 km) östlich von Birmingham, ebenfalls von Schüssen getroffen. Über 150 Personen hatten an der Veranstaltung teilgenommen. Einige der Anwesenden waren erst 14 Jahre alt. „Leben sind zerbrechlich und kostbar“, sagte der Polizeichef von Anniston, Nick Bowles, in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung. „Dies ist kein Videospiel oder Film. Man kann nicht einfach wieder auftauchen. Die andere Person bekommt keine weitere Chance, wieder zu spielen.“

Im Sommer kommt es in amerikanischen Städten in der Regel zu den meisten Schießereien, insbesondere in benachteiligten Vierteln, in denen People of Color (PoCs) leben. Dort gibt es in vielen Häusern keine Klimaanlage, was wiederum bedeutet, dass sich mehr Menschen auf den Straßen versammeln. Das erzählt die Anti-Waffengewalt-Gruppe, die von der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords gegründet wurde, der 2011 in den Kopf geschossen wurde. Da die Schule als Zufluchtsort nicht zur Verfügung steht, sind junge Menschen in den wärmeren Monaten auch anfälliger für diese Gewalt.

„Wir wollen die Fälle von Gewalt angehen, lange bevor sie passieren“

Vergangenes Jahr kündigte das Kabinett Biden Maßnahmen an, um diese saisonale Gewalt im Sommer zu bekämpfen, unter anderem durch die Bereitstellung von mehr Ressourcen zugunsten Strafverfolgung und Bekämpfung illegaler Waffenverkäufe, aber auch durch Investitionen in Sommerprogramme und Beschäftigungsmöglichkeiten, um die Menschen von der Straße zu holen.

Lumbantobing von „March for Our Lives“ sagte jedoch, dass es auch mehr proaktive Investitionen in die Gesundheitsversorgung, Bildung und erschwinglichen Wohnraum geben müsse, um die Ursachen zu bekämpfen, die Menschen eher zu Waffengewalt verleiten. „Wir wollen die Fälle von Gewalt angehen, lange bevor sie passieren“, sagte Lumbantobing. „Wenn jemand bereits eine Waffe in der Hand hat oder bereits jemanden erschossen hat, ist es zu spät.“

1. Juni 2022: Menschen schlendern um eine Gedenkstätte auf dem Stadtplatz von Uvalde, um der Opfer der Massenschießerei von letzter Woche zu gedenken. Ein Schütze drang in die Robb Elementary School ein und tötete 19 Kinder und zwei Erwachsene.
1. Juni 2022: Auf dem Stadtplatz von Uvalde, wurde eine Gedenkstätte für die Opfer des Schulmassakers an der Robb Elementary School errichtet. © Robin Jerstad/ZUMA Wire/IMAGO

2022 sind in den USA bereits 17.820 Menschen durch Waffengewalt gestorben

Die American Public Health Association bezeichnet Waffengewalt in den USA als eine Krise der öffentlichen Gesundheit. Sie ist eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle in den USA und verantwortlich für mehr als 38.000 Todesfälle pro Jahr, schreibt das Pew Research Center. Bis zum 30. Mai sind nach Angaben des Gun Violence Archive in diesem Jahr mindestens 17.820 Menschen durch Waffengewalt gestorben. Expert:innen vom New England Journal of Medicine zufolge sind Schusswaffen auch die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA.

McFadden, Freiwillige bei „Moms Demand Action“, kennt den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen durch Schusswaffen nur zu gut. Wie die „Newtown Action Alliance Foundation“ berichtet, wurde McFaddens Mutter von einem Freund vor den Augen ihrer Kinder erschossen, als McFadden noch ein Kind war. McFadden verlor außerdem eine Nichte durch eine Kugel in Myrtle Beach, South Carolina, am langen Wochenende des Memorial Day 2014. Sie fordert nun den Senat auf, mit „Maßnahmen des gesunden Menschenverstands“ zu handeln, um anderen das zu ersparen, was sie durchgemacht hat. „Ich weiß aus erster Hand“, sagte sie, „dass Waffengewalt überall und jederzeit zuschlagen kann“.

Autor ist David Mack. Dieser Artikel erschien am 30. Mai 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Übersetzt von Aranza Maier.

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