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Klimaseniorinnen sorgen mit Klage für Aufsehen

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Von: Jana Stäbener

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Die Klimakrise ist eine Überlebensfrage für die Menschheit, aber sie macht auch den Tieren schwer zu schaffen. Wie schmelzendes Eis für Eisbären.
Die Klimakrise ist eine Überlebensfrage für die Menschheit – und für Tiere wie den Eisbären. © imago images/imagebroker

Beim Menschengerichtshof geht die erste Klimaklage ein. Mehrere Gruppen treten in diesem Sommer juristisch für mehr Klimaschutz ein.

Straßburg (dpa) – Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird an diesem Mittwoch, 29. März 2023, erstmals über mögliches staatliches Versagen gegenüber dem Klimawandel verhandelt, das auch die Letzte Generation der deutschen Regierung immer wieder vorwirft. Hintergrund sind Klagen aus der Schweiz, aus Frankreich und Portugal. Je nach Ausgang der Verfahren könnte es für Regierungen richtig ungemütlich werden.

Mehrere Klagen fordern im Sommer 2023 Verantwortung für den Klimawandel

In diesem Sommer werden drei Klagen vor dem EGMR verhandelt, die sich mit der Verantwortung für den Klimawandel beschäftigen. Den Anfang machen die Klimaseniorinnen, ein Zusammenschluss von Schweizer Rentnerinnen, initiiert und unterstützt von Greenpeace. „Das Spezielle an uns ist, dass wir die einzige Gruppe alter Aktivistinnen sind“, sagt die 73-jährige Rosmarie Wydler-Wälti der dpa.

Die Klimaseniorinnen argumentieren, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet sind, beispielsweise wegen extremer Hitzewellen. Am selben Tag wird auch der Fall eines französischen Bürgermeisters verhandelt, der für die Einhaltung der Pariser Klimaziele klagt. Später im Sommer gehen außerdem portugiesische Jugendliche gegen 33 Mitgliedstaaten des Europarats vor.

In Deutschland versuchte sich das Bündnis „Berlin 2030 Klimaneutral“ an der Forderung neuer Klimapolitik – und scheiterte. Ein Experte erklärt, warum.

Wie stehen die Chancen, dass die Klimaklagen beim Menschengerichtshof Erfolg haben?

„Der EGMR hat sich zwar zuvor schon mit Umweltemissionen – Lärm oder Luftverschmutzung – auseinandergesetzt, aber noch nie mit den CO₂-Emissionen eines Landes“, sagt die Völkerrechtlerin Birgit Peters von der Universität Trier. Deswegen wird das Verfahren zur Klage der Klimaseniorinnen mit besonderer Spannung erwartet. „Es bestehen Anzeichen dafür, dass das Gericht die Beschwerde der Klimaseniorinnen zum Anlass nehmen wird, um einheitliche Grundsätze für alle drei ähnlich gelagerten Fälle auszuarbeiten“, sagt der Umweltrechtler Johannes Reich von der Universität Zürich.

Gerade weil umweltrechtliche Fragen bisher keine große Rolle vor dem EGMR gespielt haben, ist eine Vorhersage sehr schwierig. „Das Spektrum der möglichen Entscheidungen, die das Gericht treffen kann, ist daher weit gespannt: Es reicht von der Unzulässigkeit der Klage bis hin zu detaillierten gerichtlichen Vorgaben für die schweizerische Klimapolitik“, sagt Reich.

Was bedeuten die Klimaklagen aus der Schweiz für Deutschland?

Sollten die Klimaseniorinnen gewinnen, würde das zunächst nur die Schweiz binden. Aber: Der EGMR mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat gehören die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Spräche sich dieses supranationale Gericht nun etwa für strengere Vorgaben beim Klimaschutz aus, hätte das in jedem Fall große Signalwirkung.

„Wenn generelle Aussagen getroffen würden, dass Menschenrechte im Klimawandel Pflichten begründen, müssen auch andere Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention diese Art der Auslegung beachten“, sagt Peters. Aber: Es sei schwierig, daraus für Deutschland konkrete Politikempfehlungen abzuleiten. Diesbezüglich stehe den Staaten ein weiter Ermessensspielraum zu.

In Deutschland demonstriert vor allem die Letzte Generation für stärkere Klimaschutzmaßnahmen. Sie wird von der Bundesanwaltsschaft nicht als Terror-Vereinigung eingestuft.

Klimaschutz: Weltweit bislang 2000 Klimaklagen erhoben

Klagen für Klimaschutz liegen im Trend. Laut dem Grantham Institute der London School of Economics wurden bislang weltweit über 2000 Klimaklagen erhoben, ein Viertel davon zwischen 2020 und 2022. Bald könnte es mehrere spannende Entwicklungen geben: Der Inselstaat Vanuatu im Südpazifik will für mehr Klimaschutz den Internationalen Strafgerichtshof einschalten. Auch in den USA, in Brasilien und in Schweden wurden Klimaklagen erhoben.

Und in Deutschland? Da sind zuletzt mehrere Klagen gegen Autohersteller gescheitert. Klimaschützer schauen nun mit Spannung auf das Oberlandesgericht Hamm. Dort läuft die Beweisaufnahme im Fall eines peruanischen Bauern gegen den Energiehersteller RWE.

Wann fällt das Urteil zur ersten Klimaklage vor dem Menschengerichtshof?

Mit einem Urteil ist frühestens im Herbst 2023, wahrscheinlicher wohl aber erst 2024 zu rechnen. Mit dem Vorentscheid, die Verhandlung und Anhörung vor der Großen Kammer des Gerichtshofs durchzuführen, wird nach Ansicht der Klimaseniorinnen immerhin die grundlegende Bedeutung der Klagen unterstrichen. „Wir hoffen auf ein Leiturteil, dass Klimaschutz eine menschenrechtliche Frage ist und nicht nur auf eine bloße Absichtserklärung“, sagt die Klimaseniorin Stefanie Brander. Klimapolitik dürfe kein rechtsfreier Raum sein, wo jeder „vor sich hin wursteln darf“, fügt Wydler-Wälti hinzu.

Mehr zum Thema? Hier erzählt ein Aktivist der Letzten Generation von seiner Haft – „war ein Schock“.

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