Debatte um Lohnplus für 1,7 Millionen Staatsdiener: Brauchen wir wirklich so viele Beamte?
Deutschlands Beamte profitieren vom Bürgergeld. Was juristisch in Ordnung ist, wirft die Frage auf, ob das Beamtentum noch zeitgemäß ist. Ein CDU-Politiker hat klare Vorstellungen.
Berlin – Das Bürgergeld kommt. Und davon profitieren zum 1. Januar nicht nur die bisherigen Hartz-IV-Bezieher. Sondern auch: die rund 1,7 Millionen Beamten in Deutschland.
Was zunächst bizarr erscheint, hat einen juristischen Hintergrund: Im Jahr 2020 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Beamtenbesoldung 15 Prozent über der Grundsicherung liegen muss. Und weil es für die Menschen am unteren Einkommensende bald mehr Geld gibt, steigt auch die Bezahlung der Beamten – und das gleich doppelt. Denn: Auch die Pensionen, die an das Gehalt gekoppelt sind, ziehen an. Bei allen Beamten.
Umfrage: Mehrheit der Deutschen gegen Lohn-Plus für Beamte wegen Bürgergeld
So weit, so rechtens, könnte man meinen. Doch dass ausgerechnet Staatsdiener, die ohnehin einen sicheren und krisenfesten Job haben, vom neuen Bürgergeld profitieren, stößt bei den Deutschen auf Ablehnung. In einer Umfrage im Auftrag der „Bild“-Zeitung haben sich 60 Prozent gegen das automatische Lohn-Plus für die Beamten ausgesprochen.

Bloß ein Neidreflex? Oder womöglich doch ein guter Anlass, um zu fragen, wie zeitgemäß das Beamtentum noch ist – und ob Deutschland sich wirklich so viele Staatsdiener leisten muss? Einer, der eine klare Meinung vertritt, ist Carsten Linnemann. Der CDU-Vize sagt: „Das Beamtenwesen in Deutschland muss grundlegend überarbeitet werden“. Der 45-jährige Bundestagsabgeordnete zählt in seiner Partei zu den Kritikern eines aufgeblähten Staatsapparats.
Beamtenstatus: CDU-Vize Linnemann sieht die Schweiz als Vorbild
Ginge es nach Linnemann, wäre die Sache klar: Der Beamtenstatus wäre nur noch auf hoheitliche und sicherheitsrelevante Aufgaben beschränkt. Polizei, Justiz, Finanzverwaltung und Bundeswehr. „Die Schweiz macht es uns vor – und mir ist nicht bekannt, dass die Verwaltungen dort schlechter laufen“, sagte Linnemann dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA.
Unbestreitbar ist, dass Beamte in Deutschland eine starke Lobby haben. Es geht um Privilegien, die hart verteidigt werden. Dazu gehören Unkündbarkeit, die Vorzüge der privaten Krankenversicherung und eine Absicherung im Alter, von der Angestellte und Arbeiter nur träumen können. So erhalten Staatsdiener als Pension bis zu 71,75 Prozent ihres Bruttogehalts, das sie während der letzten zwei Jahre vor dem Ruhestand bekommen haben. Bundesbeamte kommen so schnell auf eine Pension von über 3000 Euro monatlich. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Rente in Deutschland lag zuletzt bei 1203,53 Euro (Männer) und 856,05 Euro (Frauen) im Monat.
Pensionslasten sind eine Gefahr für die öffentlichen Haushalte
Abseits aller Gerechtigkeitsdiskussionen bereitet Ökonomen und Rentenexperten etwas anderes Sorgen: Die Pensionen werden aus Steuermitteln finanziert. Und sie stellen damit eine große Belastung für aktuelle und zukünftige Generationen dar. Finanzwissenschaftler sehen die sogenannte Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Gefahr. Schon heute müssen Bund, Länder und Gemeinden für Pensionslasten über 80 Milliarden Euro pro Jahr dafür aufwenden. „Rechnet man auch zukünftige Pensions- und Beihilfeansprüche hinzu, beläuft sich die Summe für die derzeitigen Pensionäre und die aktiven Beamten zusammen auf 3,3 Billionen Euro“, sagte CDU-Vize Linnemann unserer Redaktion.
Unterstützung kommt vom Bund der Steuerzahler. Dessen Präsident Reiner Holznagel sagte dem Münchner Merkur: „Insgesamt muss die Verbeamtungspraxis der vergangenen Jahrzehnte sehr kritisch gesehen werden“. Auch Holznagel moniert, dass kaum Vorkehrungen für künftige Pensionszahlungen getroffen worden sind. „Diese Fehler sind jetzt schwer zu korrigieren“, so Holznagel.
Bund der Steuerzahler: „Beamtenverhältnis ist teuer für den Staat“
Dabei ist es – zumindest in der Theorie – durchaus so, dass das Beamtenwesen für den Staat einige Vorteile bietet. Als Arbeitgeber muss der Staat für aktive Beamte keine Sozialversicherungsbeiträge leisten. Der Vorteil kehrt sich dann um, wenn die Beamten aus dem Dienstverhältnis ausscheiden. „Unterm Strich ist das Beamtenverhältnis eine teure Variante der Personalpolitik für Staat und Steuerzahler“, sagte Holznagel dem Münchner Merkur. Was den Präsidenten des Bundes der Steuerzahler besonders ärgert: „Genau die Politiker, die früher im großen Stil auf Verbeamtung gesetzt haben, sind heute nicht mehr im Amt und müssen sich nicht um die Finanzierung der horrenden Pensions- und Versorgungslasten kümmern“.
Über IPPEN.MEDIA
Das IPPEN.MEDIA-Netzwerk ist einer der größten Online-Publisher Deutschlands. An den Standorten Berlin, Hamburg/Bremen, München, Frankfurt, Köln, Stuttgart und Wien recherchieren und publizieren Journalistinnen und Journalisten unserer Zentralredaktion für mehr als 50 Nachrichtenangebote. Dazu zählen u.a. Marken wie Münchner Merkur, Frankfurter Rundschau und BuzzFeed Deutschland. Unsere Nachrichten, Interviews, Analysen und Kommentare erreichen mehr als 5 Millionen Menschen täglich in Deutschland.
Immerhin: CDU-Vize Linnemann sieht es genauso und urteilt: „Das ist Politik auf Kosten der kommenden Generationen“. Für seine Partei kündigt Linnemann ein Reformkonzept an. Auch wenn der Politiker für bestehende Beamtenverhältnisse Bestandsschutz ankündigt: Beim Abbau von Privilegien ist mit Widerstand zu rechnen. Und die Union hat als Oppositionspartei im Moment ohnehin keine Möglichkeit, es umzusetzen.
So können sich Deutschlands Beamte also weiter beruhigt aufs Bürgergeld freuen – und das doppelte Plus bei Gehalt und Pension.