Konfrontation im Pazifik: Warum sich China von den USA umzingelt fühlt
Die USA unterhalten Dutzende Militärbasen in Chinas Nachbarschaft. Und es werden immer mehr. Die Lage in der Region spitzt sich zu.
München/Peking – Auf einmal war die Gefahr ganz nah, sie schwebte direkt über den Köpfen der Amerikaner: Anfang Februar flog ein mutmaßlicher chinesischer Spionageballon, so groß wie ein Hochhaus, über die USA hinweg. Das Flugobjekt, laut Peking lediglich ein ziviles „Luftschiff“ zur Wetterforschung, wurde schließlich vor der US-Küste abgeschossen und wird derzeit von FBI-Experten untersucht. Vielen Amerikanern wurde in diesen Tagen zum ersten Mal bewusst, dass China zwar weit weg ist, der lange Arm Pekings aber bis weit hinein in die USA reicht.
Auf der anderen Seite des Pazifiks, in der Volksrepublik, kennt man dieses Gefühl, bedroht zu werden, schon lange. Dazu bedurfte es nicht erst der Behauptung von Chinas Außenministerium, auch die USA hätten Ballons „illegal“ über den chinesischen Luftraum fliegen lassen. Ein Blick auf die Landkarte reicht den Chinesen, um sich von den Amerikanern eingekreist zu fühlen. Denn seit Jahrzehnten betreiben die USA Dutzende Militärbasen direkt vor der Haustür Chinas. Wie ein Stacheldrahtzaun ziehen sich die US-Stützpunkte von Südkorea über Japan bis hinunter zu den Philippinen. Militärexperten sprechen von der „ersten Inselkette“ (die „zweite Inselkette“ liegt rund 1.000 Kilometer östlich und reicht von Tokio über Guam bis Papua).
USA und China: Zehntausende US-Soldaten in Japan und Südkorea stationiert
Die Dominanz der USA ist den Militärstrategen in Peking ein Dorn im Auge. Chinas Staatsmedien, etwa das englischsprachige Propagandaorgan Global Times, sprechen von einem „Versuch der USA, China einzudämmen“. Denn die Militärstützpunkte der USA und ihrer Verbündeten blockieren den Chinesen den freien Zugang zum Pazifik – wie ein Blick auf die US-Standorte zeigt:
- Südkorea: Seit dem Korea-Krieg sind die USA in Südkorea präsent, derzeit mit rund 28.500 Soldaten. Die Zahl der im Land stationierten US-Soldaten geht seit Jahren zurück, obwohl die Bedrohung durch Nordkorea weiter groß ist: Kim Jong-uns Diktatur rüstet trotz UN-Sanktionen auf, zuletzt führte das Regime 2017 einen Atomtest durch.
Immer wieder kommt es in Südkorea zu Protesten gegen die US-Truppen; gleichzeitig setzt die neue Indopazifik-Strategie, die die Regierung von Präsident Yoon Suk-yeol Anfang des Jahres veröffentlicht hat, auf eine engere Zusammenarbeit mit den USA. China kritisiert dieses „exklusive Bündnis“ und fordert, dass alle Länder der Region „solidarisch für Frieden, Stabilität, Entwicklung und Wohlstand in der Region zusammenarbeiten“ sollen. - Japan: In Japan sind derzeit rund 50.000 US-Soldaten stationiert, die Hälfte davon in Okinawa ganz im Süden des Landes. Ein Teil davon soll in eine Art „schnelle Eingreiftruppe“ umgewandelt werden. Japan betrachtet das zunehmend selbstbewusste Auftreten Chinas als „größte strategische Herausforderung“ aller Zeiten, wie es in der neuen Sicherheitsstrategie des Landes heißt. Tokio kündigte deshalb zuletzt an, massiv aufzurüsten. Zudem entfernt sich das Land zunehmend von seiner pazifistischen Nachkriegsverfassung.
- Das Verhältnis zwischen China und Japan ist chronisch belastet. So wirft Peking der Regierung in Tokio vor, sich für die Kriegsverbrechen, die Japan in den 1930er- und 1940er-Jahren in China begangen hat, nicht zu entschuldigen. Hinzu kommen Gebietsstreitigkeiten: Die Senkaku-Inseln, die von Japan kontrolliert werden, beansprucht Peking unter dem Namen Diaoyu für sich.

Werden die USA eingreifen, wenn China Taiwan überfällt?
- Taiwan: Die USA unterhalten keine diplomatischen Beziehungen mit der Regierung in Taipeh, unterstützen Taiwan aber seit Jahrzehnten mit Waffenlieferungen. Zudem sind rund drei Dutzend US-Soldaten in Taiwan stationiert. China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als „abtrünnige Provinz“ und will die „Wiedervereinigung“ – wenn möglich auf friedlichem Wege, aber notfalls auch mit Gewalt. Für Peking hat Taiwan nicht nur ideelle, sondern auch strategische Bedeutung: Sollte China die Insel kontrollieren, würde es ungehinderten Zugang zum Pazifik besitzen.
- Ob die USA die taiwanische Regierung im Falle eines chinesischen Angriffs unterstützen würden, ist unklar: Offiziell verfolgt Washington eine Politik der „strategischen Zweideutigkeit“, um China abzuschrecken. Zuletzt signalisierte US-Präsident Joe Biden allerdings mehrfach, dass sich sein Land direkt militärisch in einen Konflikt mit Peking einmischen würde.
- Philippinen: Im Südchinesischen Meer, vor den Küsten von Vietnam und den Philippinen, beansprucht China rund 80 Prozent des Gebiets für sich. Auch schafft es zunehmend Fakten durch Aufschüttungen unbewohnter Inseln und Riffe in der gesamten See. Auf dem Spratly-Archipel etwa lässt Peking Inselchen zu Militärstützpunkten ausbauen und ignoriert dabei ein internationales Gerichtsurteil zugunsten der Philippinen.
Angesichts des zunehmend aggressiven Auftretens der Chinesen geht der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. wieder verstärkt auf die USA zu. Sein Vorgänger Rodrigo Duterte hatte die einstige Kolonialmacht noch auf Abstand gehalten. Bislang gewährt Manila den USA Zugang zu fünf ihrer Militärstützpunkte. Vier weitere sollen demnächst hinzukommen, wie US-Verteidigungsminister Austin und sein philippinischer Amtskollege Carlito Galvez Anfang des Monats vereinbarten. Auch beschlossen sie die Wiederaufnahme gemeinsamer Patrouillenfahrten im Südchinesischen Meer. Zuletzt hatte Marcos Jr. bei einem Tokio-Besuch zudem laut über einen gemeinsamen Verteidigungspakt mit den beiden engen Verbündeten USA und Japan nachgedacht.
China rüstet auf – und provoziert die Philippinen
Noch dominieren die USA und ihre Verbündeten die Region. Doch China holt auf und verfügt schon jetzt über die weltweit größte Kriegsmarine. Bis 2027, zum 100. Jahrestag ihrer Gründung, soll Pekings Volksbefreiungsarmee „Weltklasseniveau“ erreicht haben, so das Ziel von Parteichef Xi Jinping.
Die Spannungen in der Gegend nehmen derweil zu. Vor wenigen Tagen erst meldete die philippinische Küstenwache, ein chinesisches Schiff habe in der Nähe der Spratlys die Besatzung eines philippinischen Patrouillenboots mit einem „militärischen Laserlicht“ geblendet und „gefährliche Manöver“ durchgeführt. Das Vorgehen der Chinesen, erklärte daraufhin ein Sprecher des US-Außenministeriums, „bedroht unmittelbar den Frieden und die Stabilität in der Region“. Ganz ähnliche Worte hatte nur wenige Tage zuvor auch eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums in den Mund genommen, auch sie sprach von einer „Gefährdung von Frieden und die Stabilität in der Region“ – gemeint waren allerdings die vier neuen Militärbasen, die Washington künftig auf den Philippinen nutzen will.