Nach Protesten: Ist ein Ende von Chinas Null-Covid-Politik in Sicht?
Lockdowns und kein Ende? In China deutet sich nach den Protesten der letzten Tage eine Lockerung der Corona-Politik an. Eine Kehrtwende ist dennoch unwahrscheinlich.
München/Peking – In den vergangenen Tagen war es in China immer wieder zu Protesten gegen die strenge Null-Covid-Politik des Landes gekommen. Nun deutet sich eine vorsichtige Lockerung der Corona-Maßnahmen an. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, sprach Vizepremierministerin Sun Chunlan am Mittwoch von „einer neuen Situation und neuen Aufgaben bei der Prävention und Bekämpfung der Epidemie“. Bei einer Rede vor der Nationalen Gesundheitskommission sagte Sun, die Omikron-Variante des Coronavirus sei weniger gefährlich. Zudem verwies sie auf die „Verbreitung der Impfung und die gesammelten Erfahrungen bei der Prävention und Bekämpfung“ der Pandemie.
Ob die Bemerkungen der Vizepremierministerin tatsächlich eine grundlegende Abkehr von der bisherigen Politik darstellt, bleibt abzuwarten. Denn Sun sprach in ihrer Rede auch davon, man müsse „den Geist der wichtigen Anweisungen des Generalsekretärs Xi Jinping gründlich umsetzen“. Die Null-Covid-Politik ist eng mit Chinas Staats- und Parteichef verbunden; eine Kehrtwende würde Xi, der im Oktober für eine historische dritte Amtszeit bestätigt wurde, schwer beschädigen.

Corona in China: Experten fürchten Hunderttausende Todesfälle bei schnellen Lockerungen
Zudem befürchten Experten, dass eine Lockerung zu vermehrten Infektionen führen würde – und das wiederum zu einer Verschärfung der Maßnahmen. China registriert seit Tagen die höchsten Corona-Fallzahlen seit Beginn der Pandemie vor fast drei Jahren, am Dienstag wurden rund 35.800 neue Fälle gemeldet. Der Anstieg der Zahlen hatte zuletzt dazu geführt, dass viele Städte zusätzlich Corona-Maßnahmen verhängten, obwohl eigentlich bereits Lockerungen beschlossen worden waren.
China reagiert auf Corona-Ausbrüche bislang mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests. So sollen eine Überlastung des Gesundheitssystems und der Tod Hunderttausender Menschen verhindert werden. Die Regierung in Peking sieht vor allem ältere Menschen gefährdet, weil in dieser Altersgruppe die Impfquote relativ niedrig ist. Laut Zahlen von Mitte November sind nur rund zwei Drittel der Menschen über 80 zweifach geimpft, einen Booster haben sogar nur 40 Prozent erhalten. Dabei ist die dritte Impfung notwendig, um mit den in China verwendeten Vakzinen eine ausreichende Schutzwirkung zu erzielen.
Warum impft China nicht schneller?
Zuletzt gab es Berichte, die Impfrate solle mit neuen Kampagnen erhöht werden, konkrete Schritte sind allerdings noch nicht bekannt. Viele Beobachter rätseln, warum die chinesische Regierung seit Monaten nichts unternimmt, um die Menschen im Land zu immunisieren. Vizepremierministerin Sun kündigte nun immer ihn an, „die Immunisierung der gesamten Bevölkerung, insbesondere der älteren Menschen, verstärken“ zu wollen. Ausländische mRNA-Impfstoffe sind in der Volksrepublik nicht zugelassen.
Aus Unmut über die Corona-Politik waren am vergangenen Wochenende in Dutzenden Städten in ganz China Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Konkreter Auslöser für die größten Proteste seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung im Jahr 1989 war ein Wohnhausbrand in der Stadt Ürümqi im Nordwesten Chinas, bei dem zehn Menschen uns Leben gekommen waren. Anwohner hatten berichtet, dass die Löscharbeiten wegen Corona-Absperrungen behindert worden waren.
Die Regierung in Peking reagierte auf die Proteste, bei denen vereinzelt auch ein Ende der Einparteienherrschaft gefordert wurde, mit Verhaftungen sowie mit massiver Zensur in den sozialen Netzwerken. Zuletzt wurden am Dienstagabend in der südchinesischen Stadt Guangzhou Zusammenstöße zwischen der Polizei und wütenden Bürgern gemeldet worden. Am Tag danach verkündete die örtliche Gesundheitsbehörde, dass die Beschränkungen in allen Bezirken mit Ausnahme einiger ausgewiesener „Hochrisiko“-Viertel gelockert worden seien. Auch sollen sich Menschen, die das Haus nicht oft verlassen, künftig nicht mehr täglich testen lassen müssen. Der von den Protesten geschüttelte Stadtteil Haizhu ging noch weiter und erklärte, nur Mitarbeiter mancher Sektoren müssten noch tägliche Coronatests vorweisen – etwa aus dem medizinischen Bereich, aus Apotheken oder Lieferfahrer. Die Städte Beijing und Shijiazhuang kündigten ebenfalls Lockerungen beim Testen an. (sh)