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Tschechiens neuer Präsident telefoniert mit Taiwan – China sendet Kampfjets

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Von: Sven Hauberg

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Tschechiens neu gewählter Präsident will engere Kontakte zu Taiwan und erzürnt damit China. Peking spricht von „Fehlverhalten“ – und lässt Taten folgen.

München/Prag – Kaum war Petr Pavel frisch ins Amt gewählt worden, tat Tschechiens künftiger Präsident etwas Unerhörtes: Er griff zum Telefon – und wählte die Nummer von Tsai Ing-wen, der Präsidentin Taiwans. „Ich habe ihr für ihre Glückwünsche gedankt und ihr versichert, dass Taiwan und die Tschechische Republik die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte teilen“, erklärte Pavel, der sein Amt am 9. März offiziell antreten wird, nach dem Gespräch. „Wir haben vereinbart, unsere Partnerschaft zu stärken.“ Und dann schob er einen Satz hinterher, wie man ihn noch nie von einem europäischen Staatsoberhaupt gehört hat: „Ich habe auch die Hoffnung geäußert, dass ich in Zukunft Gelegenheit haben werde, Präsidentin Tsai persönlich zu treffen.“

Wie die meisten Länder weltweit erkennt auch Tschechien die Regierung in Taipeh nicht offiziell an, sondern unterhält diplomatische Beziehungen lediglich mit Peking. China wiederum betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und reagiert auf jegliche Annäherungsversuche zwischen ausländischen Staaten und der demokratisch gewählten Führung in Taipeh äußerst gereizt. Auch diesmal zeigte sich Chinas Regierung wie erwartet ziemlich dünnhäutig. In Peking erklärte Außenamtssprecherin Mao Ning am Dienstag, Pavel sende „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte der ‚Unabhängigkeit Taiwans‘“. China, so Ning weiter, „fordert die Tschechische Republik auf, sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das Fehlverhalten zu korrigieren“.

Auf die verbalen Drohungen folgten wenig später Kampfflugzeuge. Am Mittwoch erklärte Taiwans Verteidigungsministerium, dass Peking 34 Kampfjets und neun Kriegsschiffe in die Nähe der Insel geschickt habe. „Das ist wohl die Reaktion der Kommunistischen Partei Chinas darauf, dass Taiwan von Freunden umarmt wird“, schrieb Taiwans Außenminister Joseph Wu auf Twitter. „Nun, die Volksrepublik China kann uns nicht vorschreiben, wie wir Freunde finden oder wie Freunde uns unterstützen.“

„Reaktion der Kommunistischen Partei Chinas darauf, dass Taiwan von Freunden umarmt wird“

Seit dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi im vergangenen August provoziert Peking die Regierung in Taiwan immer wieder mit militärischen Drohgebärden. Ob der Vorfall vom Mittwoch tatsächlich eine Reaktion auf das Telefonat von Pavel und Tsai war, wie Taiwans Außenminister Wu nahelegt, ist offen. Aus dem Verteidigungsministerium in Peking kam jedenfalls zunächst keine Stellungnahme.

Das kleine Tschechien ist schon länger kein einfacher Partner für das große China. Außenminister Jan Lipavsky betonte bereits in der Vergangenheit die Verbundenheit seines Landes zum demokratischen Taiwan, zudem sorgte Chinas stillschweigende Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für Unmut in dem Land. In der Prager Burg allerdings, dem Sitz des tschechischen Präsidenten, hatte Peking bislang einen Verbündeten: Miloš Zeman, seit 2013 Staatspräsident, suchte immer wieder demonstrativ die Nähe zu China, äußerte seine Bewunderung für das autoritäre System des Landes und bezeichnete Tibet-Aktivisten einmal als „geistig behinderte Individuen“.

Mit dem ehemaligen Nato-General Petr Pavel zieht nun aber ein überzeugter Europäer in die Prager Burg. Laut Filip Šebok von der Prager Denkfabrik Association for International Affairs (AMO) kann Pavel mit seiner Peking-kritischen Haltung auf den Rückhalt der Tschechen zählen. „Beziehungen zu Taiwan aufzubauen, das wird von einem großen Teil der Bevölkerung und der politischen Elite als wichtiger Teil der tschechischen außenpolitischen Identität angesehen“, sagte Šebok der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Der China-Experte verweist auf Václav Havel, den legendären Regimekritiker und ersten Präsidenten der Tschechischen Republik, einen Verfechter der Idee der universellen Menschenrechte.

Tschechien und Taiwan: „Wirtschaftsdiplomatie spielt auch eine Rolle“

Šebok glaubt aber auch, dass es Pavel um mehr geht als um warme Worte über gemeinsame Werte. Es gebe ein großes Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Prag und Taipeh, besonders im Hightech-Bereich, sagt er. „Wirtschaftsdiplomatie spielt also auch eine Rolle.“

Dabei ist China für Tschechien, wo nur etwa halb so viele Menschen leben wie in Peking, freilich ein weitaus wichtigerer Handelspartner als Taiwan: Die Volksrepublik belegt, nach Deutschland, in der tschechischen Handelsstatistik den zweiten Platz. Was allerdings daran liegt, dass Tschechien viel aus China importiert. Als Exportmarkt und als Investor sei China hingegen weniger wichtig, so Šebok. Gefährlich werde es für Tschechien, wenn Peking seine wirtschaftliche Macht ausspiele, um „Druck auf deutsche und andere europäische Unternehmen auszuüben, damit diese ihre Verbindungen zu tschechischen Zulieferern kappen“.

Dass Peking vor einem solchen Schritt nicht zurückschreckt, zeigt der Fall Litauen: Als der baltische Staat es der taiwanischen Regierung erlaubte, in der Hauptstadt Vilnius eine Vertretung unter eigenem Namen zu eröffnen, reagierte Peking mit eben solchen Zwangsmaßnahmen; bis heute sind die Beziehungen zwischen China und Litauen äußerst angespannt, zuletzt brachte die EU den Fall vor die Welthandelsorganisation WHO. Sollte es Tschechien ähnlich ergehen, dann würde das „die Regierung und den Präsidenten wahrscheinlich nur noch entschlossener machen, sich zur Taiwan-Frage und zu anderen Themen zu äußern, die China für heikel hält“, glaubt Šebok.

Tschechiens künftiger Präsident: „China ist kein freundliches Land“

Falls Pavel seine Ankündigung wahr macht und tatsächlich mit seiner taiwanischen Amtskollegin Tsai Ing-wen zusammentreffen, wäre das aus Pekinger Sicht ein Tabubruch. Experte Filip Šebok vermutet, dass eine solche Begegnung höchstens auf inoffizieller Ebene stattfinden würde. Für noch mehr Irritationen in Peking dürfte aber ein Schritt sorgen, den der tschechische Außenminister seit längerem plant: Prag will das 14+1-Format verlassen, in dem China und 14 mittel- und osteuropäische Staaten regelmäßig zu Gesprächen zusammenkommen. Außenminister Lipavsky begründet seinen Plan auch damit, dass sich die wirtschaftlichen Versprechen, die China seinem Land gemacht habe, nicht erfüllt hätten.

Der Schritt würde die Gruppe, die bis zum Austritt der drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland noch unter dem Namen 17+1 firmierte, zunehmend bedeutungslos machen. Für Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wäre das ein unangenehmer Gesichtsverlust.

Petr Pavel macht derweil keine Anstalten, sich von Peking den Mund verbieten zu lassen, trotz aller Drohungen. In einem Interview mit der Financial Times warf er Peking vor, Russland nicht vom Angriff auf die Ukraine abgehalten zu haben, obwohl das möglich gewesen sei. „Wir müssen uns über Folgendes im Klaren sein“, so Pavel: „China und sein Regime – das ist derzeit kein freundliches Land, es ist in seinen strategischen Zielen und Prinzipien nicht mit den westlichen Demokratien vereinbar.“

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