Greift China in zwei Jahren Taiwan an? So wahrscheinlich sind die Schreckensszenarien der USA
Ein US-General befürchtet, dass der Taiwan-Konflikt schon bald zu einem Krieg zwischen China und den USA eskalieren könnte. Hat er recht mit seiner Prognose?
München/Peking – „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir 2025 kämpfen werden“: Mike Minihan, ein Vier-Sterne-General der US-Luftwaffe, warnt davor, dass der Taiwan-Konflikt mit China schon in zwei Jahren eskalieren könnte. In einem Memo, aus dem am Samstag unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters zitierte, prognostiziert Minihan, dass sich der Konflikt zu einem Krieg zwischen den USA und China ausweiten werde. „Ich hoffe, dass ich falsch liege“, so der General weiter.
Geteilt wird diese Einschätzung von Michael McCaul, dem neuen Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass wir einen Konflikt mit China und Taiwan und der Indopazifik-Region sehen“, sagte der republikanische Politiker am Sonntag dem Sender Fox News. Die USA müssten auf eine Invasion Taiwans durch China „vorbereitet sein“, so McCaul, der sich in seiner Analyse auf die düstere Prognose von US-General Minihan bezog. Das US-Verteidigungsministerium distanzierte sich hingegen von Minihans Äußerungen.
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Worum geht es im Konflikt zwischen China und Taiwan?
Peking betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz – obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war. Der Konflikt geht zurück auf den chinesischen Bürgerkrieg, der 1949 mit dem Sieg der Kommunisten unter Mao Zedong und der Ausrufung der Volksrepublik endete. Die unterlegenen Nationalisten unter Chiang Kai-shek flohen nach Taiwan, wo seitdem die 1912 ausgerufene Republik China weiterlebt. Bis in die 1970er-Jahre betrachteten die meisten Länder weltweit die Regierung in Taipeh als legitimen Vertreter ganz Chinas. Dann wechselten die großen Staaten zu Peking, Taipeh verlor den Sitz Chinas bei den Vereinten Nationen. Heute erkennen nur noch 14 Länder Taiwan offiziell an.
Womit droht China der Regierung in Taiwan?
Die Regierung in Peking strebt seit Jahrzehnten eine „Wiedervereinigung“ mit Taiwan an. Manche Beobachter spekulieren, dass Staats- und Parteichef Xi Jinping die „Taiwan-Frage“ noch in seiner eigenen Amtszeit lösen will. Für die Kommunistische Partei sei die „Wiedervereinigung“ eine „historische Mission“, sagte Xi im Oktober, er strebe eine friedliche Lösung an. Xi schränkte jedoch ein: „Wir werden niemals versprechen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten, und wir behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.“
Seit die damalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im vergangenen August Taipeh besuchte, nehmen die militärischen Provokation aus China zu. Fast täglich nähern sich chinesische Kampfjets Taiwan, zudem überqueren immer wieder Kriegsschiffe die inoffizielle Grenzlinie zwischen Taiwan und der Volksrepublik.
Wann könnte China Ernst machen und einen Krieg beginnen?
Ein Datum, das Beobachter immer wieder nennen, ist das Jahr 2027. Dann feiert Chinas Volksbefreiungsarmee den 100. Jahrestag ihrer Gründung. Zudem soll dann die von Xi angestoßene Modernisierung der Armee abgeschlossen sein. Auch das Jahr 2049 wird bisweilen genannt: 100 Jahre nach ihrer Gründung will die Volksrepublik China eine Weltmacht sein – Xi spricht vom „Wiederaufleben der chinesischen Nation“.
Ob und wann China aber tatsächlich versuchen wird, Taiwan einzunehmen, weiß niemand – außer vielleicht Staatschef Xi selbst, der auch oberster Militär des Landes ist. Konkrete Vorhersagen sind daher Spekulation. Klar ist hingegen: Sollte sich China auf einen Angriff vorbereiten, würden die Geheimdienste wohl Monate oder gar Jahre vorher Anzeichen dafür entdecken.

Wie würden sich die USA und Japan im Falle eines Taiwan-Kriegs verhalten?
Die USA unterhalten nur inoffizielle Beziehungen zu Taiwan, unterstützen die Regierung in Taipeh aber seit vielen Jahren mit Waffenlieferungen. Ob Washington Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs auch direkt unterstützen würden, ließ die US-Regierung bislang offen – diese Taktik der „strategischen Uneindeutigkeit“ sollte auf Peking abschreckend wirken. Zuletzt erklärte US-Präsident Joe Biden allerdings mehrfach, sein Land würde unmittelbar in einen Konflikt eingreifen – Äußerungen, die vom Weißen Haus anschließend immer wieder zurückgenommen wurden.
Ob sich auch Japan, das zuletzt eine massive Erhöhung seines Verteidigungshaushalts angekündigt hat, direkt in eine militärische Auseinandersetzung zwischen China, Taiwan und den USA einmischen würde, ist offen. Die meisten Experten gehen allerdings davon aus, dass Tokio den USA zumindest erlauben würde, die amerikanischen Militärbasen im Land zu nutzen. Derzeit sind rund 54.000 US-Soldaten in Japan stationiert, mehr als die Hälfte davon auf der Insel Okinawa, unweit von Taiwan.
Welche Szenarien für eine Invasion Taiwans gibt es?
Die meisten Militärexperten sind sich einig, dass China heute noch nicht in der Lage wäre, einen großangelegten Angriff auf Taiwan zu starten. Einen solchen „konventionellen“ Angriff würde China einer Simulation des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS) in Washington zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren – vorausgesetzt, die USA und Japan greifen aufseiten Taiwans in den Konflikt ein. Allerdings wäre der Sieg Taiwans und seiner Verbündeten teuer erkauft: „Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten verlieren Dutzende von Schiffen, Hunderte von Flugzeugen und Zehntausende von Militärangehörigen. Die Wirtschaft Taiwans wäre am Boden zerstört“, so die CSIS-Analysten. Auch China hätte demnach hohe Verluste zu verkraften.
Möglich sind aber auch andere Szenarien als ein „konventioneller“ Angriff. So könnte China versuchen, Taiwan mit einer Seeblockade vom Rest der Welt abzuschneiden. Möglich wäre auch eine Salami-Taktik, also ein Angriff zunächst auf eine oder mehrere der kleinen Inseln, die zu Taiwan gehören und unweit des chinesischen Festlands liegen. Das mögliche Kalkül dahinter: Sollte China zunächst beispielsweise die Insel Kinmen angreifen, würden sich die USA oder Japan noch nicht in den Konflikt einmischen – die Insel wäre es nicht wert, einen Weltkrieg zu riskieren. China könnte sich in der Folge ermutigt fühlen, weitere Inseln anzugreifen und schließlich Taiwans Hauptinsel zu erobern.