Ukraine-Krieg: China soll Russland gebeten haben, mit Invasion bis Olympia-Ende zu warten

War Peking eingeweiht? Einem Geheimdienstbericht zufolge soll Peking die russische Regierung aufgefordert haben, mit der Invasion zu warten, bis die Olympischen Winterspiele zu Ende sind.
München/Peking - Was wusste China*? Seit Beginn des Ukraine-Kriegs* rätseln Politiker weltweit, ob Peking eingeweiht war* in die Invasionspläne des Kreml. Ein Bericht der New York Times deutet nun darauf hin, dass chinesische Politiker zumindest zu einem gewissen Grad über die russischen Absichten im Bilde waren.
Dem Bericht zufolge forderten hochrangige chinesische Beamte Anfang Februar hochrangige russische Beamte auf, nicht vor Ende der Olympischen Winterspiele in Peking in die Ukraine* einzumarschieren. Die New York Times beruft sich auf hochrangige Beamte der Biden-Regierung* sowie einen europäischen Beamten, die wiederum aus einem Geheimdienstbericht zitierten. Die chinesische Botschaft in Washington nannte den Bericht „Spekulationen, die jeder Grundlage entbehren und darauf abzielen, China die Schuld zuzuschieben und zu verleumden“. Der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte „eine mit der Materie vertraute Quelle“ allerdings, dass es die Gespräche gegeben habe, nannte aber keine Details. Dass Putin 2008 noch während der Olympischen Sommerspiele Georgien angegriffen hatte, sorgte seinerzeit für Unmut in der chinesischen Führung.
Ukraine-Krieg: Treffen zwischen Putin und Xi nur Wochen vor der Invasion
Der russische Präsident Wladimir Putin* und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping* waren am 4. Februar zur Eröffnung der Winterspiele in Peking zusammengekommen. Anschließend veröffentlichten beide Seiten eine umfangreiche Stellungnahme, in der sie „eine weitere Erweiterung der Nato“ ablehnten und das Verteidigungsbündnis aufforderten, „seine ideologisierten Ansätze des Kalten Krieges aufzugeben“. Ob die chinesische Bitte, mit der Invasion der Ukraine* bis zum Ende der Olympischen Spiele zu warten, in den Gesprächen zwischen Xi und Putin geäußert wurde, ist laut New York Times nicht bekannt.
Russland* hatte in den vergangenen Monaten westlichen Angaben zufolge 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Nur einen Tag nach der Abschlussfeier in Peking berief Putin eine außerplanmäßige Sitzung des russischen Sicherheitsrates ein und behauptete anschließend in einer Rede, die Ukraine sei ein historischer Teil Russlands*. Drei Tage später begann der großangelegte Angriff auf das Nachbarland.
Ukraine-Krise: China evakuiert seine Staatsbürger
Die US-Regierung hatte bereits deutlich vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine* vor einer möglichen Invasion gewarnt. Laut New York Times legte die Biden-Regierung ihre diesbezüglichen Geheimdienstinformationen auch hochrangigen chinesischen Beamten vor, in der Hoffnung, diese würden auf Putin einwirken und ihn von einem Einmarsch abhalten.
Dass Peking tatsächlich über die genauen Pläne des Kreml unterrichtet war, erscheint allerdings fraglich. So begann die chinesische Regierung erst mehrere Tage nach Kriegsausbruch, ihre etwa 6000 Staatsbürger aus der Ukraine zu evakuieren*. Am Montag (28. Februar) wurden laut der staatlichen chinesischen Zeitung Global Times rund 600 Studenten ins Nachbarland Moldau gebracht. Möglicherweise hatte Peking lediglich einen russischen Einmarsch im Donbass erwartet und nicht einen Krieg gegen die gesamte Ukraine.
Ukraine-Krieg: China mit unklarer Haltung
Dafür spricht auch ein Bericht der South China Morning Post. Das Blatt aus Hongkong zitierte am Donnerstag eine Quelle mit Verbindungen zum Weißen Haus mit den Worten, dass das, worüber die Chinesen Anfang Februar unterrichtet worden seien, ganz anders war als das, was dann tatsächlich in der Ukraine passiert sei. Es sei allerdings falsch, daraus zu schließen, dass Xi von Putin „ausgetrickst“ oder „belogen“ wurde.
„In Anbetracht der uns bisher vorliegenden Beweise können wir meines Erachtens keine der beiden Möglichkeiten definitiv ausschließen - dass Xi nichts wusste (was schlecht ist) und dass Xi es gewusst haben könnte (was ebenfalls schlecht ist)“, sagte die China-Expertin Bonny Lin vom Center for Strategic and International Studies der Nachrichtenagentur Reuters.
Nach dem russischen Einmarsch hatte sich die chinesische Führung mehrfach zweideutig geäußert. So pochte Peking einerseits auf die „Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität eines jeden Landes“*, weigert sich aber bislang, von einer Invasion oder gar einem Krieg zu sprechen. Andererseits ging Peking auf vorsichtige Distanz zum Kreml, als Außenamtssprecher Wang Wenbin am Montag betonte, China und Russland seien „strategische Partner“, aber kein „Verbündeten“. Bei zwei Resolutionen im UN-Sicherheitsrat und in der UN-Generalversammlung stimmte China nicht mit Russland, sondern enthielt sich. (sh) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.