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Wirtschaftswunder für die Ukraine in Arbeit? Experten tagen - „Hunderte von Milliarden Dollar“ nötig

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Von: Aleksandra Fedorska

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Vadym Denysenko, Regierungsberater in der Ukraine, will die „Sowjet-Wirtschaft“ im Land beenden.
Vadym Denysenko, Regierungsberater in der Ukraine, will die „Sowjet-Wirtschaft“ im Land beenden. © IMAGO/Pavlo Bahmut

Polen und die Ukraine arbeiten an einem „Wirtschaftswunder“ für das Kriegsland. Das kann allerdings teuer werden - Selenskyjs Regierung hat einen spezifischen Plan im Sinn.

Warschau/Kiew – Ukrainische Ökonomen und internationale Experten arbeiten bereits im laufenden Ukraine-Konflikt* mit Unterstützung der polnischen Elitewirtschaftshochschule Warsaw School of Economics an Wiederaufbauplänen für die Ukraine. Nach Einschätzung von Jakub Karnowski, hochrangiger Manager der ukrainischen Bahngesellschaft und der ukrainischen Post, wird der Aufbau eine lange Zeitspanne benötigen – und womöglich Hunderte von Milliarden Dollar.

„Das wird für die Wiederherstellung von Infrastruktur, Wohnraum, Krankenhäusern und Schulen benötigt. Nicht weniger wichtig ist die Schaffung einer Rechtsinfrastruktur des Staates, einschließlich einer unabhängigen Justiz, die die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum und die Funktionsweise der Demokratie und der freien Medien ist”, sagte Karnowski im Gespräch mit der polnischen Zeitung Rzeczpospolita.

Ukraine-Wiederaufbau nach dem Krieg: Unabhängige Experten und Institutionen arbeiten mit Hochdruck

In der eigenen Publikation der Warsaw School of Economics heißt es, das fachlich breit aufgestellte Team versammle sich schon seit Wochen zu regelmäßigen Arbeitstreffen, um der ukrainischen Regierung um Präsident Wolodymyr Selenskyj* ein Konzept für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes vorzulegen.

Neben prominenten Wissenschaftlern und Ökonomen wurden zu der Arbeitsgruppe auch Fachleute aus den Bereichen Energiewirtschaft, Finanzen und Bankwesen eingeladen. Die Leitung hat der geistige Vater des „polnischen Wirtschaftswunders“, Leszek Balcerowicz. Die Weltbank und der Internationale Währungsfond haben bereits signalisiert, dass sie die Ukraine beim Wiederaufbau unterstützen werden.

„Die Weltbank wurde 1944 gegründet, um Europa beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu unterstützen. Wie damals, werden wir bereit sein, der Ukraine beim Wiederaufbau zu helfen, wenn die Zeit gekommen ist”, sagte der Vorsitzende der Weltbank David Malpass in einer Ansprache an der Warsaw School of Economics am Dienstag (12. April).

Selenskyj-Berater erklärt Plan für Wiederaufbau der Ukraine - Aus für „sowjetische Wirtschaft“

Vadym Denysenko, der das ukrainische Innenministerium berät, hat im Gespräch mit Radio Svoboda zuallererst die Korruption als Haupthindernis der Wirtschaftsentwicklung benannt. Außerdem empfiehlt er für die Zeit nach dem Krieg, eine Überarbeitung derVerfassung, die der Regierung mehr Kompetenzen verleihen sollte. Denysenko prognostiziert eine Wendezeit für die Ukraine.

„Das heißt, die Überreste der sowjetischen Wirtschaft, die die letzten 30 Jahre in vielerlei Hinsicht noch geprägt haben, sind praktisch erschöpft. Tatsächlich müssen wir heute klar verstehen, dass es unmöglich ist, zu dem Wirtschaftsmodell zurückzukehren, das vor dem 24. Februar 2022 existierte. Und wir müssen diesen großen Sprung von der Wirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts zur Wirtschaft des 21. Jahrhunderts machen. Das sind die beiden wichtigsten Dinge, die wir nach dem Krieg tun müssen”, sagte Denysenko.

Ukrainische Medien bemühen sich unterdessen um mehr Vorsicht und Zurückhaltung als Euphorie für die neuen wirtschaftlichen Zukunftspläne. Gefordert wird das endgültige Ende der ukrainischen „Clan-Oligarchen-Ökonomie”, die das Land viel zu lange dominierte - und die auch in Selenskyjs Sitcom „Diener des Volkes“ eine herausgehobene Rolle spielte*. Auch die Behörden und der Bürokratieapparat in der Ukraine müssten sich gravierend ändern, damit das Land nachhaltig wirtschaftlich wachsen kann.

Zunächst solle es um die Reduzierung der Zahl der Regulierungsbehörden und ihrer Befugnisse sowie um die Liberalisierung der Genehmigungsverfahren gehen, ist zu lesen. Ferner sollte die Privatwirtschaft Vorrang vor den Wirtschaftsbereichen mit einem hohem Staatsanteil bekommen. Es gelte auch Monopole im Exportwesen, die sich vor allem auf Rohstoffe und Landwirtschaftsgüter konzentrieren, aufzulösen, um einen realen Wettbewerb zwischen den Anbietern zu schaffen.

Ukrainische Wirtschaft trotzt dem Krieg - Regierung bemüht sich um Normalität

Die Voraussetzungen der ukrainischen Wirtschaft sind zumindest zum jetzigen Zeitpunkt durchaus gut. Obwohl die russischen Bombardierungen sehr viele Menschenleben kosten und die Infrastruktur in einigen Regionen vollständig zerstört ist*, blieben große Teile des Landes gerade im Westen der Ukraine intakt.

Es ist der ukrainischen Gesellschaft und dem Staat gelungen, die wichtigsten Funktionen des Staatswesens, der Logistik und der Wirtschaft auch unter den Bedingungen des Krieges aufrecht zu erhalten. Das ist ein enormer Verdienst der politischen Führung der Ukraine.

Währenddessen geht das Leben, wo immer es möglich ist, so weiter, als wäre der Angreifer nicht im Land. Die Städte der westlichen und zentralen Bezirke erwachen wieder zum Leben. Neben Lebensmittelgeschäften und Apotheken öffnen dort sogar Restaurants. Die ukrainischen Behörden appellieren an mittlere und kleine Unternehmen, zu öffnen, wenn die Umstände es zulassen. In vielen Teilen des Landes wurde zuletzt der normale Schulbetrieb wieder aufgenommen.

Ältere Menschen bekommen Renten und Beschäftigte des öffentlichen Sektors erhalten ihre Löhne ausgezahlt. Die Banken sollen auf Geheiß der Regierung den Bürgern den vollständigen und uneingeschränkten Zugang zu ihren Einlagen ermöglichen, damit die Haushalte liquide bleiben. Alle Unternehmer können auch ein zinsloses Darlehen erhalten. Dieses Unterstützungsprogramm soll für Unternehmen während des Krieges und einen Monat nach dem Ende des Krieges zugänglich sein. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Aleksandra Fedorska

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