Abtreibungsgegner Yannic Hendricks zieht seine Berufung gegen BuzzFeed News zurück – wir werden seinen Namen weiterhin nennen
„Die Offenlegung der Identität ist vorliegend Voraussetzung für einen fairen Meinungskampf“, schreibt das Oberlandesgericht Düsseldorf.
Der Abtreibungsgegner Yannic Hendricks hat seinen Antrag auf Berufung im Verfahren gegen BuzzFeed News zurückgezogen. Damit ist das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Düsseldorf formell rechtskräftig. Wir dürfen seinen Namen weiterhin in unserer Berichterstattung nennen.
Hendricks hatte BuzzFeed News im November 2018 abgemahnt, weil wir seinen Namen öffentlich genannt hatten, er aber anonym bleiben wollte. Hendricks hat nach eigener Aussage dutzende Ärztinnen angezeigt, die öffentlich über Abtreibungen informierten. Informationen über Abtreibungen zu verbreiten ist für Ärztinnen und Ärzte laut Paragraf 219a strafbar.
Hendricks ging unter anderem gegen die bekannte Ärztin Kristina Hänel vor. Das Strafverfahren gegen Hänel sollte von der Staatsanwaltschaft Kassel ursprünglich bereits eingestellt werden – nur wegen einer Beschwerde von Hendricks wurde das Verfahren fortgeführt und Hänel verurteilt. Hänel machte ihren Fall öffentlich und löste so eine bundesweite Debatte über Abtreibungsrechte aus.
„Wir freuen uns darüber, dass das Landgericht die Berichterstattung über den öffentlichen Meinungskampf und auch den Protagonisten eines solchen Meinungskampfes für zulässig erachtet“, sagt Jan Hegemann, der BuzzFeed News als Anwalt der Kanzlei Raue LLP im Verfahren vertritt. „Das ist ein Sieg der Pressefreiheit.“

Das Landgericht Düsseldorf hatte BuzzFeed News am 16. Januar 2019 Recht gegeben und begründete die Entscheidung damit, dass die Namensnennung nicht das Persönlichkeitsrecht von Yannic Hendricks verletze, insbesondere nicht dessen Recht auf Anonymität. In der Abwägung überwiege das öffentliche Informationsinteresse.
Dagegen legte Hendricks Berufung ein. Nachdem das Gericht angekündigt hatte, die Berufung abzulehnen, zog Hendricks seinen Einspruch gegen das erstinstanzliche Urteil Anfang Mai zurück.
Kritik auf Social Media
In ihrer Begründung schrieben die Richter des Oberlandgerichtes, Hendricks bewege sich mit seinen Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeit. Seine Namensnennung sei nicht anprangernd. Wer sich in solcher Weise an einer öffentlichen Debatte beteilige, müsse Kritik am Verhalten und der Person hinnehmen. Das sei Teil des Meinungskampfes.
In der Berufungsbegründung hatte Hendricks argumentiert, aufgrund der identifizierenden Berichterstattung durch BuzzFeed News finde eine mediale Hetzjagd gegen ihn statt. Er werde an den Pranger gestellt, etwa durch ein Plakat an der „Roten Flora“ im Hamburger Schanzenviertel, wo ein Foto Hendricks abgebildet war. Die Stigmatisierung habe sich seit der erstinstanzlichen Entscheidung noch einmal verschärft. Auf Social Media werde er etwa als „Arschloch“, „Abfall“ und „genetischer Sondermüll“ bezeichnet.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf
Das Gericht argumentiert, Hendricks hätte die Folgen seines Verhaltens hinzunehmen. „Nachdem er sich eindeutig in der Debatte über das Werbeverbot aus §219a StGB positioniert hat, musste er damit rechnen, dass sich die Presse damit kritisch auseinander setzt, wobei er keinen Anspruch darauf hat, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte [...].“ Hendricks habe sich – auch, indem er seine Position durch Strafanzeigen durchsetzen wolle – in den Brennpunkt einer öffentlichen Diskussion gestellt.
Hinzu komme, dass eine Person, welche andere durch ihr Tun in das Licht der Öffentlichkeit zerre, es dulden müsse, dass das öffentliche Informationsinteresse befriedigt werde. Mit Recht habe BuzzFeed News darauf hingewiesen, dass es dem Prinzip der Waffengleichheit widerspricht, „wenn der Verfügungskläger Ärzte an die Öffentlichkeit zerrt, selbst hingegen aber im Verborgenen agieren darf und keinen Gegenangriff fürchten muss.“
Ein fairer Meinungskampf
„Die Offenlegung der Identität ist vorliegend Voraussetzung für einen fairen Meinungskampf, denn nur wer weiß, wer in der öffentlichen Debatte einen Angriff ausführt, kann diesen inhaltlich zutreffend einordnen und sich dagegen verteidigen“, heißt es in der dreizehnseitigen Begründung des Gerichts. Dies sei ein zulässiges Mittel im Hinblick auf die Funktion der Presse. Das Verfügungsverfahren ist nun formell abgeschlossen. Theoretisch könnte Hendricks mit einer Hauptsacheklage weiter gegen BuzzFeed News vorgehen, was jedoch auf Grund geringer Erfolgsaussichten und hoher Kosten eher unwahrscheinlich sein dürfte.
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