Bundesverwaltungsgericht: Fahrverbote für Diesel sind zulässig
Das Bundesverwaltungsgericht hat Fahrverbote für Diesel für zulässig erklärt. Damit stehen die Besitzer von 13 Millionen Fahrzeugen vor der Frage, ob sie demnächst in Städten noch fahren dürfen. Sieben Fragen und Antworten dazu.
Was ist das Problem?
Die Luft in vielen Deutschen Städten ist giftig. Die Grenzwerte für Stickoxide werden nicht eingehalten – in vielen Städten liegen sie weit über dem zulässigen Maß. Wenn das passiert, müssen Behörden reagieren und einen sogenannten „Luftreinhalteplan“ aufstellen. Der muss konkrete Maßnahmen enthalten, wie die Grenzwerte wieder eingehalten werden können.
Worüber wurde jetzt gestritten?
Stuttgart ist eine solche Stadt, in der das mit der sauberen Luft nicht funktioniert. Die Grenzwerte waren dort doppelt so hoch, wie zulässig. Also stellten die Behörden einen „Luftreinhalteplan“ auf. Darin enthalten: rund 20 Maßnahmen. Unter anderem sollte der öffentlichen Nahverkehr ausgebaut werden und die Stadt mehr Geschwindigkeitsbegrenzungen einführen.
Doch diese 20 Maßnahmen reichen nicht – findet die „Deutsche Umwelthilfe“. Es muss mehr getan werden – vor allem: Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge einführen.
Das gleiche Spiel in Düsseldorf. Auch dort wurden die Grenzwerte überschritten, auch dort wurde ein „Luftreinhalteplan“ in Kraft gesetzt – und auch dort findet die „Deutsche Umwelthilfe“: ohne Diesel-Fahrverbote nützt das nichts.
Warum darf die „Deutsche Umwelthilfe“ das?
Die Deutsche Umwelthilfe ist einer der Verbände und Vereine in Deutschland, die das Recht zur sogenannten „Verbandsklage“ haben. Das bedeutet, dass sie Rechtsstreitigkeiten im Namen der Allgemeinheit führen dürfen, nicht nur in eigener Sache.
Warum lag das Ganze jetzt beim Bundesverwaltungsgericht?
Sowohl für Stuttgart als auch für Düsseldorf war das Ganze schon vor Gericht – nachdem die Deutsche Umwelthilfe geklagt hatte. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte das Land Nordrhein-Westfalen dazu verpflichtet, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf zu ändern. Das Land sei verpflichtet, Diesel-Fahrverbote zu prüfen: „Fahrverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge seien rechtlich (und tatsächlich) nicht von vornherein ausgeschlossen“, so das Bundesverwaltungsgericht.
Ähnlich das Verwaltungsgericht Stuttgart: Dort müssten Fahrverbote für Fahrzeuge mit Benzin und Gas unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 und für Diesel unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 geprüft werden.
Die „Deutsche Umwelthilfe“ will erreichen, dass die Städte per Gericht zu solchen Maßnahmen verpflichtet werden.
Die beiden Bundesländer konnten dagegen in Berufung gehen – haben sich aber entschieden, direkt eine sogenannte „Sprungrevision“ zum Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Dort werden nun die bisherigen Urteile überprüft – neue Vorträge, Gutachten oder Argumente werden nicht mehr ausgetauscht.
Was sind die Kernfragen?
Das Bundesverwaltungsgericht wird zunächst die Verhältnismäßigkeit prüfen. Fahrverbote sind eine sehr strenge Maßnahme, sie betreffen extrem viele Menschen – und auch die Wirtschaft. Das Gericht wird abwägen, ob deren Interesse höher wiegt als der Schutz von Gesundheit.
Das Gericht wird auch prüfen, ob die Fahrverbote wirklich das einzige Mittel sind, um die Grenzwerte zu erreichen. Sollte es zu dem Schluss kommen, dass die Grenzwerte auch mit anderen Maßnahmen eingehalten werden können, wären Städte nicht gezwungen, im Ernstfall auch Diesel-Fahrverbote auszusprechen.
Drittens wird das Gericht schauen, ob es für Fahrverbote schon eine gesetzliche Grundlage gibt. Wenn Kommunen Fahrverbote anordnen wollen, müssen sie auch eine gesetzliche Möglichkeit dafür haben. Dafür gehört zum Beispiel auch die Einführung eines entsprechenden Verkehrszeichens.
Hierbei geht es dann auch um die sogenannte „Blaue Plakete“.
Wird eine neue "Blaue Plakette" eingeführt?
Bislang gibt es rote, gelbe und grüne Plaketten, je nach Schadtstoffausstoß. Manche Städte haben Umweltschutzzonen eingerichtet, in die nur Fahrzeuge mit grüner Plakete einfahren dürfen. Das Problem: die bisherigen Plaketten richten sich nach dem Feinstaubausstoß, nicht aber nach den Stickoxiden – und um die geht es hier.
Der Bund müsste also eine neue, blaue Plakette einführen. Dafür aber gibt es bislang wenig Anzeichen.
Die beiden Verwaltungsgerichte, die für Düsseldorf und Stuttgart verhandelt haben, haben beide angenommen, dass die aktuelle Straßenverkehrsordnung auch jetzt schon Fahrverbote hergibt. Doch diese Frage ist alles andere als eindeutig.
Welche Fahrzeuge sind betroffen?
Betroffen sind ab sofort:
- Diesel, die nur die Abgasnorm Euro 5 oder schlechter erfüllen
- und Benziner mit der Norm Euro 2 oder schlechter.
Diesel ab der Abgasnorm Euro 6 und Benziner ab Euro 3 dürfen auch weiterhin ohne Einschränkungen in den Innenstädten fahren.
Ob modernere Autos aber automatisch fein raus sind, muss sich zeigen. Nach Betrug bei den Abgas-Messwerten sind die Stickoxid-Ausstöße auf dem Prüfstand. So könnte es durchaus dazu kommen, dass auch Autos mit Euro6 oder Autos mit Nachrüstungen nicht mehr fahren dürfen, wenn sich herausstellen sollte, dass auch sie zu hohen Schadtstoffausstoß aufweisen.
Ob Unternehmer, Anwohner und andere Berechtigte mit Ausnahmegenehmigungen versorgt werden, müssen die Städte und Kommunen nun prüfen. Eines allerdings stellte das Bundesverwaltungsgericht heute klar: für Entschädigungen an die Autobesitzer sehen die Richter, zumindest aus juristischer Perspektive, keinen Grund.
Wie schnell die Verbote umgesetzt werden, ist derzeit eine offene Frage. Zumindest für Stuttgart und Düsseldorf allerdings muss es schnell gehen: sie waren von Gerichten zu Fahrverboten verdonnert worden und wollten beim Bundesverwaltungsgericht entscheiden, dass das abgewiesen wird. Die Richter in Leipzig aber urteilten anders.