Cytotec: Dutzende Frauen wollen wegen problematischer Geburten klagen

Ein Rechtsgutachten wirft die Frage auf, ob das Medikament Cytotec in der Geburtshilfe standardmäßig überhaupt erlaubt ist. Der darin enthaltene Wirkstoff Misoprostol ist gut erforscht, aber es gab immer wieder Probleme bei der Anwendung der Tablette.
Die Aufklärung war kurz, ein paar Minuten bloß, erinnert sich Anita Winkler. Sie ist neun Tage über dem errechneten Geburtstermin als die Hebamme bei einer Routineuntersuchung leichte Wehen feststellt. Man empfiehlt ihr, die Wehen mit dem Medikament Cytotec „anzustupsen“, also künstlich zu verstärken.
„Die Ärztin hat gesagt, wir haben gute Erfahrungen mit dem Medikament“, erinnert sich Anita Winkler. Sie unterschreibt ein Dokument und stimmt der Behandlung zu.
Kurze Zeit später reicht ihr das Personal eine halbe, geteilte Tablette in einem kleinen Plastiktöpfchen, sagt Anita Winkler später im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland und dem Bayerischen Rundfunk.
„Ich hatte so heftige Schmerzen, ich konnte es einfach nicht mehr ertragen“
Was Anita Winkler nicht weiß: In seltenen Fällen kann die Gebärmutter nach der Gabe des Medikamentes reißen, es kann extrem starke Wehen auslösen, das Kind kann einen Sauerstoffmangel erleiden. Wie alle Medikamente zur Geburtseinleitung kann Cytotec schwere Komplikationen nach sich ziehen. Deswegen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorsichtig mit dem Wirkstoff Misoprostol umzugehen, der in der Tablette wirkt.
Anita Winkler bekommt gleich zu Beginn in etwa die doppelte Menge der WHO-Empfehlung verabreicht.
Vier Stunden später schluckt sie noch einmal die gleiche Dosis. So steht es in ihrem Geburtsbericht.
Dann geht alles ganz schnell, sagt Winkler. Die Wehen werden schlagartig heftig, sie hat kaum Atempausen. „Ich hatte so heftige Schmerzen, ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Das war von jetzt auf gleich brutal schmerzhaft. Ich war einfach hilflos.“ Später notiert sie in ihrem Handytagebuch, dass Sie das Krankenhaus zusammengebrüllt habe wie eine Elefantenkuh.
Winkler heißt eigentlich anders, aber weil sie in einem laufenden Verfahren steckt und die Familie nicht belasten möchte, bleibt sie in dieser Geschichte anonym.
Cytotec ist gut erforscht, aber oft zu hoch dosiert
Die Tablette Cytotec, die Anita Winkler bekommen hat, ist ein Magenmittel, das geringer dosiert auch künstliche Wehen auslösen kann. In ihrer Therapiefreiheit können Ärzt:innen in Deutschland Medikamente auch dann verschreiben, wenn sie dafür keine Zulassung haben. Das ist zum Beispiel in der Krebs- oder Kinderheilkunde üblich, wo es oft keine Alternativen gibt. In Cytotec ist der Wirkstoff Misoprostol enthalten, der für die Geburtseinleitung zahlreichen Studien zufolge in geringer Dosierung gut erforscht ist und zu weniger Kaiserschnitten führen kann als Alternativen. In Deutschland aber überschreiten Ärzte immer wieder die international anerkannten Dosierungschemata des unabhängigen Cochrane-Instituts und der WHO.
Und mit einer höheren Dosis steigt das Risiko, eine schwere Komplikation zu erleiden.
Zudem werden Frauen oft nicht richtig über mögliche schweren Nebenwirkungen aufgeklärt. „Es bedarf einer ganz deutlichen Aufklärung der werdenden Mütter bei dem Einsatz von Cytotec“, sagt der Medizinrechtsanwalt Andreas Lambrecht. „Uns fällt immer wieder auf, dass die Aufklärungsgespräche oft nicht den Anforderungen entsprechen.“
In dem Aufklärungsbogen, den Anita Winkler am Tag der Geburt ihres Sohnes unterschrieben hat, heißt es lapidar, das Medikament habe als „einzige seltene Nebenwirkung Magen-Darm-Beschwerden“. Anita Winkler versteht nicht, warum man sie nicht über schwere Risiken aufgeklärt hat. „Ich finde das unmenschlich. Ich könnte das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“, sagt Winkler. Das Trauma der Geburt beschäftigt sie bis heute. Die starken Wehen ohne Pausen, die Ohnmacht, die Hilflosigkeit, der sie ausgeliefert war. Sie will nun gegen die Klinik vorgehen.
Jedes Schriftstück kann das Trauma wieder aufreißen
Winkler ist kein Einzelfall. Medizinrechtler Lambrecht vertritt dutzende Frauen vor Gericht, die sich von Cytotec geschädigt fühlen. Darunter sind traumatisierte Mütter wie Anita Winkler, aber auch Betroffene, die im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec einen Hirnschaden beim Kind vermuten, der unter Sauerstoffmangel unter der Geburt entstanden sei. In den kommenden Wochen will Lambrecht die Klagen einreichen, die sich meistens mehrere Jahre dauern, manchmal sogar mehr als ein Jahrzehnt. Für die Mütter ist das belastend. Jedes Schriftstück der Gegenseite, jeder Gerichtstermin, jedes Gutachten kann das Trauma wieder aufreißen. Manche Frauen beschreiben, dass sie sich immer wieder tagelang wie gelähmt fühlen.
Dass es bei der Gabe von Cytotec zu extrem starken Wehen ohne Pause kommen kann, weiß man seit mehr als 20 Jahren. Bereits im Jahr 2000 wies der damalige Hersteller Searl in einem Brief Ärzt:innen darauf hin, dass bei der Einleitung von Geburten mit Cytotec in der Therapiefreiheit „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse“ aufgetreten seien (unter diesem Link steht das Schreiben im Original auf Seite 26). Dazu zählten eine Überstimulation, also starke, künstlich erzeugte Wehen, die „Ruptur oder Perforation” der Gebärmutter und auch der Tod der Mutter oder des Fötus. 2006 nahm der Pharmahersteller Pfizer das Medikament vom deutschen Markt. Bis zum Frühjahr diesen Jahres wurde es aber weiterhin über Importunternehnen in Deutschland vertrieben. Pfizer vertritt die Ansicht, dass es für den Einsatz in der Geburtshilfe „nach unserer Einschätzung keine ausreichenden, randomisierten, kontrollierten und verblindeten Studien“ gebe, „die eine verlässliche Aussage diesbezüglich erlauben“. Eine Anwendung außerhalb der Zulassung werde nicht beworben.
Kritiker sagen, dass es sich für Pfizer nicht lohne, Cytotec geringer dosiert für die Geburtseinleitung zuzulassen. Mit anderen Medikamenten lasse sich mehr Geld verdienen.
„Ich glaube, dass man den Frauen und den Kindern hier Schadenersatz geben muss“
Als Lambrecht auf die Warnmeldung von Searl stößt, wirft das bei ihm eine grundsätzliche Frage auf: Dürfen Ärzte überhaupt ein Medikament in ihrer Therapiefreiheit verwenden, wenn der Hersteller selbst von der Anwendung in der Geburtshilfe abrät oder sogar davor warnt?
Lambrecht hat den Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski beauftragt, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Schwintowski ist Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, einer seiner Schwerpunkte ist das bürgerliche Recht. Er befasst sich immer wieder mit Versicherungs- und Haftungsfragen. In seinem Rechtsgutachten kommt Schwintowski zu dem Schluss, dass der Einsatz von Cytotec „nicht den Voraussetzungen“ entspräche, die gelten müssten, um das Medikament in der ärztlichen Therapiefreiheit in der Geburtshilfe anzuwenden. Seine Argumentation stützt sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2007 zur Therapiefreiheit von Ärzt:innen sowie auf Warnmeldungen zu dem Medikament Cytotec und auf die kontroverse Debatte um die Anwendung in der Geburtshilfe.

Sein Fazit: „Nachdem vor dem Einsatz von Cytotec gewarnt wird, muss ein Mediziner oder Medizinerin, die trotzdem Cytotec einsetzt, beweisen, dass es keine andere Möglichkeit gab“, sagt Schwintowski. Seiner Argumentation nach sei die Anwendung von Cytotec ein grober Behandlungsfehler. Sollten Richter dem folgen, müssten nicht mehr die Frauen beweisen, dass Cytotec einen psychischen oder physischen Schaden verursacht hat – sondern die Kliniken müssten beweisen, dass der der Schaden nicht durch Cytotec verursacht wurde. „Ich glaube, dass man den Frauen und den Kindern hier Schadenersatz geben muss“, sagt Schwintowski.
Schwintowskis Argumentation: Es herrsche in der Fachwelt kein Konsens über Vor- und Nachteile von Cytotec und es stünden Alternativen zur Verfügung. „Bei Cytotec ist der Streit, ob dieses Medikament in der Geburtshilfe eingesetzt werden kann, ausgesprochen stark und wird seit langem kontrovers geführt“, sagt Schwintowski. „Nach meiner Meinung ist das ein Thema für den Bundesgerichtshof, weil ja in der Medizin eine relativ große Bereitschaft besteht, in der Geburtshilfe mit Cytotec zu arbeiten“, sagt er. Schwintowski glaubt, es wäre wichtig, dass Richter ein Grundsatzurteil fällen, „das für ganz Deutschland Bedeutung hat“.
„Mein Eindruck ist, dass der Gutachter gut beraten gewesen wäre, noch einmal hier intensiv mit Geburtshelfern zu sprechen“
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe reagiert seit Wochen nicht auf eine Interviewanfrage von BuzzFeed News und Bayerischem Rundfunk zum Umgang mit Cytotec in der Geburtshilfe.
Der Geburtsmediziner Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Berliner Charité, nimmt sich dagegen Zeit für ein Gespräch. Henrich sagt, er begrüße kontroverse Debatten in der Geburtshilfe. „Misoprostol ist in die Diskussion geraten, weil es bei falscher Anwendung und Überdosierung Probleme machen kann“, sagt Henrich. Das gelte auch für zugelassene Medikamente. Das Personal sei nun sensibilisiert für Dosisfragen.

Im vergangenen Frühjahr hatten zunächst der Bayerische Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung und später auch BuzzFeed News über Komplikationen im Zusammenhang mit dem Medikament Cytotec in der Geburtshilfe berichtet. Frauen war in seltenen Fällen im Zusammenhang mit Cytotec die Gebärmutter gerissen und Kinder kamen unter heftigen Wehen und Sauerstoffmangel zur Welt – mit bleibenden Hirnschäden, die Gutachten, Gerichtsakten und Verdachtsmeldungen zufolge mit der Anwendung von Cytotec zusammenhängen.
Das Problem ist nicht der Wirkstoff Misoprostol, sondern der Umgang mit dem Medikament Cytotec
Als Wolfgang Henrich die Argumentation des Rechtswissenschaftlers Schwintowski überfliegt, reagiert er mit Unverständnis. „Mein Eindruck ist, dass der Gutachter gut beraten gewesen wäre, noch einmal hier intensiv mit Geburtshelfern zu sprechen“, sagt Henrich. Juristen würden die Thematik aus einer anderen Perspektive betrachten als Mediziner. „Hier davon zu sprechen, dass es nicht genügend Studien zu dem Thema gibt, das ist komplett absurd.“ Die Studienlage zum Wirkstoff sei unangefochten, Cytotec sei in der richtigen Dosierung ein unentbehrliches Medikament. Dass die Anwaltskanzlei zudem im Internet offensiv für eine Beratung potenziell Geschädigter werbe, verurteilt Henrich. „Da werden sicherlich viele drauf reinfallen. Wenn man am Ende schlechte Gutachter und Richter hat, die das auch nicht ganz verstehen, kann das nach hinten losgehen für die ein oder andere Klinik“, sagt er.
Das Problem, sagen Kritiker, sind weder das Medikament, noch der Wirkstoff – problematisch ist der Umgang damit.
Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Der Wirkstoff Misoprostol ist der Tablette Cytotec zu hoch konzentriert für die Einleitung einer Geburt. Wenn geschultes Personal in Klinikapotheken ein gering dosiertes Präparat herstellt, ist das Experten zufolge sicher. Recherchen des Bayerischen Rundfunks, der Süddeutschen Zeitung und später auch von BuzzFeed News hatten allerdings gezeigt, dass zahlreiche Kliniken die Tablette über Jahre hinweg einfach mit der Hand geteilt hatten, was zu einer Überdosierung von bis zu 40 Prozent führen kann.
Es habe jahrelange „Anwendung überhöhter riskanter Dosierungen“ gegeben
Bereits vor sieben Jahren zeigte eine Umfrage der Universität Aachen, dass im internationalen Vergleich in Deutschland „zu hohe Dosen Misoprostol“ während der Geburtseinleitung verabreicht wurden. 2020 hieß es in einem Artikel der Fachzeitschrift Arznei-Telegramm, es habe jahrelange „Anwendung überhöhter riskanter Dosierungen” gegeben.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Risikobewertung (BfArM) hatte im vergangen Frühjahr einen Warnbrief an Ärzt:innen verfasst. Grund dafür waren „zahlreiche, neue Berichte über schwere Nebenwirkungen”. In dem Brief warnte die Behörde davor, die Tablette zu teilen und verwies auf zugelassene Alternativen. Für die Anwendung von Cytotec bei der Geburtseinleitung „liegen keine ausreichenden Daten zur Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses vor”, schrieb die Behörde im sogenannten Rote-Hand-Brief.
Offenbar hatte die Behörde zunächst auch geplant, den Ärzt:innen eine konkrete Dosisempfehlung mit an die Hand zu geben. Das geht aus einer internen Ministervorlage hervor, die das BfArM im vergangenen Frühjahr an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schickte. Das Dokument haben BuzzFeed News und der Bayerische Rundfunk über eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten. Ursprünglich schlugen die Beamten vor, Ärzte nicht nur auf das alternative, in der EU zugelassene Misoprostol-Präperat Angusta hinzuweisen, sondern auch auf konkrete Dosierungsempfehlungen und Maximaldosierungen. Das wäre ein Signal der Behörden an Ärzt:innen gewesen. Ein Verweis auf internationale Standards, ein Abraten von hohen Dosierungen, die Mutter und Kind gefährden können und von denen das unabhängige Cochrane-Institut sagt, das Risiko schwerer Überstimmulationen „sei inakzeptabel“. Warum die Dosis-Empfehlungen am Ende nicht veröffentlicht wurden? Das BfArM schreibt dazu auf Anfrage von BuzzFeed News, man habe mit dem Rote-Hand-Brief vor Risiken im Zusammenhang mit einer Anwendung von Cytotec zur Geburtseinleitung außerhalb der Zulassung hinweisen wollen und gebe „grundsätzlich keine eigenen Dosierungsempfehlungen aus“ ganz gleich ob ein Medikament für eine Anwendung zugelassen sei oder nicht. Warum es dennoch im ursprünglichen Entwurf eine Dosierungsempfehlung angegeben hatte, erklärt das BfArM in seiner Antwort nicht.
Der erschwerte Import von Cytotec sorgte unter Ärzt:innen für Diskussionen
Im Frühjahr diesen Jahres hatte das BfArM schließlich darauf hingewirkt, dass Cytotec nicht mehr regulär in Deutschland vertrieben wird und nur über Einzelbestellungen bezogen werden kann. Die Behörde begründet das mit dem Risiko „schwerwiegender gesundheitlicher Schädigungen für schwangere Frauen und ungeborene Kinder durch unsachgemäße Anwendung“ in der Geburtshilfe.
Der erschwerte Import von Cytotec sorgte unter Ärzt:innen für Diskussionen. Die Organisation Doctors for Choice Germany, die sich für Frauenrechte in der Medizin stark macht, wandte sich vor Kurzem in einem offenen Brief an das Bundesgesundheitsministerium. Darin kritisieren die Ärzt:innen den erschwerten Zugang zu dem Wirkstoff Misoprostol. Diesen braucht man auch für Schwangerschaftsabbrüche und die Einleitung von Fehlgeburten. Die Teilungsproblematik entfällt hier, weil man höhere Dosen braucht und Cytotec korrekt dosiert ist. Das alternative Präparat MisoOne, das für Abbrüche zugelassen ist, kostet mehr und muss einzeln registriert werden. Der Dokumentationsaufwand sei hoch, kritisieren Gynäkolog:innen. Importiere man nun Cytotec einzeln aus anderen Ländern, sei das wiederum ein hoher Verwaltungsaufwand. „Ich glaube schon, dass das insgesamt wieder eine Hürde sein wird, bei Methoden, die sowieso schon relativ wenig angeboten werden“, sagt die Gynäkologin Jana Maeffert.
Die Behörde BfArM teilt mit, man sei „für jeden Dialog mit Blick auf die Patientenversorgung und -Sicherheit offen“ und stünde regelmäßig im Austausch mit Fachkreisen und Patientenorganisationen. Der Behörde liegen mittlerweile mehr als 400 Problemmeldungen im Umgang mit Cytotec in der Geburtshilfe vor. Es handelt sich um Verdachtsmeldungen von Müttern und Ärzt:innen und Berichten aus systematischen Untersuchungen. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht bewiesen. Unter den Meldungen sind Berichte über Wehenstürme, Traumatisierungen, aber auch seltene schwerwiegende Ereignisse wie der Riss der Gebärmutter oder Sauerstoffmangel beim Kind. Gemeldet wurden acht Todesfälle, sechs Kinder und zwei Mütter verstarben.
Anita Winkler stellt sich heute viele Fragen
Anita Winkler erlitt bei der Geburt ihres Sohnes einen Dammriss dritten Grades, eine schmerzhafte Geburtsverletzung. Mit dem Trauma kämpft sie bis heute. Mit den Schmerzen, die sie erlitt und der Angst, als sich die Herztöne unter der Geburt mit Cytotec veränderten. Sie hat sich in Therapie begeben, um die Ereignisse zu verarbeiten. Winkler stellt sich heute viele Fragen: Warum hat man ihr eine geteilte Tablette verabreicht, wenn das zu einer Überdosierung führen kann? Wieso hat das Personal schwere Nebenwirkungen im Aufklärungsgespräch verschwiegen? „Ich habe bis heute Schuldgefühle“, sagt Anita Winkler. Bis heute frage sie sich, ob ihre Geburt weniger traumatisch verlaufen wäre, wenn sie den Einsatz von Cytotec abgelehnt hätte.
Ihr Sohn kam laut der Patientenakte mit einem Kephalhämatom zur Welt, wenige Wochen später stellten die Ärzt:innen eine Schädelfraktur fest. Anfangs habe er leichte Entwicklungsverzögerungen gehabt, heute sei er gut entwickelt. Inwiefern seine anfänglichen Beschwerden mit der Geburt zusammenhängen, ist völlig unklar. Das müssen nun Gutachter und Gerichte klären.
Anita Winkler sagt, sie würde den Ärzt:innen nicht noch einmal „so leichtsinnig vertrauen“, wenn sie ein Kind gebärt. Und das, obwohl sie selbst in einer Klinik arbeitet. Winkler ist Krankenschwester in einer Notaufnahme.
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