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Das Verfahren gegen angeklagte Ärztinnen wegen Paragraf 219a wird ausgesetzt

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Von: Juliane Löffler

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Der zuständige Richter will abwarten, bis die Große Koalition ein neues Gesetz über das umstrittene Informationsverbot vorlegt.

Das Verfahren gegen die angeklagten Gynäkologinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus wird vorerst ausgesetzt. Das teilte das Amtsgericht Kassel am Mittag in einer Pressemitteilung mit. Die beiden Ärztinnen sind wie Kristina Hänel angeklagt, weil sie auf Ihren Webseite über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Kristina Hänel wurde deshalb Mitte Oktober 2018 verurteilt.

Der stellvertretende Pressesprecher des Amtsgerichtes Philipp Kleinherne sagte BuzzFeed News am Telefon, das Ziel sei, eine politische Entscheidung abzuwarten. Das Verfahren könnte über mehrere Monate ausgesetzt werden, bis die Politik sich geeinigt habe. Da es bereits die Absicht gebe, das Gesetz zu verändern, sei es Quatsch, Ärztinnen „im letzten Moment“ zu verurteilen, so Kleinherne. „Alles andere wäre Aktionismus, um ein Exempel zu statuieren.“

Der Paragraf 219a verbietet es Ärztinnen und Ärzten, öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Seit Monaten wird im Parlament über eine Gesetzesreform gestritten: Die SPD möchte den Paragrafen eigentlich ganz streichen, die Union will ihn beibehalten. Mitte Dezember legten die vier zuständigen Ministerinnen der Großen Koalition – Horst Seehofer, Jens Spahn, Katharina Barley und Franziska Giffey – einen Kompromiss vor, der von Ärztinnen wie Nora Szász in einem offenen Brief kritisiert wurde.

Der offene Brief betroffener Ärztinnen zum Kompromissvorschlag der Großen Koalition

Szász nennt die aktuelle Entscheidung des zuständigen Richters Riekmann gegenüber BuzzFeed News am Telefon eine „kluge Entscheidung“ und eine „Erleichterung“. „Es wäre unerträglich gewesen, wenn wir auf die Schnelle noch auf Grund der alten Gesetzgebung verurteilt würden.“ Im August fand am Amtsgericht Kassel der erste Prozesstermin gegen Szász und Nicklaus statt – zwei geplante Termine wurden nun gestrichen.

Wie genau das neue Gesetz zur Reform von 219a aussehen soll, ist noch unklar. In einem Papier der zuständigen Minister heißt es, die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen Kontaktinformationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellen. Ein neuer Gesetzentwurf solle im Januar vorgelegt werden

„Wir werden der Prüfstein sein, an dem das novellierte Gesetz zu 219a gemessen wird – und ob uns tatsächlich Rechtssicherheit gegeben wird“, sagt Nora Szász BuzzFeed News am Telefon.

Sie kündigte an, auch bei einem gesetzlichen Kompromiss weiterhin auf ihrer Webseite über Schwangerschaftsabbrüche informieren zu wollen.

„Wir lassen uns nicht auf bundesweite Listen ein. Wir kämpfen dafür, dass wir informieren dürfen. Es ist ein Grundrecht auf freie Berufsausübung und das Recht auf freie Information der Frauen.“ Ihre Hoffnung sei weiterhin, dass der Paragraf 219a ganz abgeschafft werde. Ein Abschaffung gilt politisch als sehr unwahrscheinlich, da die SPD sich dafür gegen den Willen ihres Koalitionspartners stellen müsste. Eine Antrag der FDP für eine sogenannte freie Abstimmung scheiterte im Dezember.

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