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BKA und Staatsanwälte ermitteln nach FinCEN-Files

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Von: Marcus Engert

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Die FinCEN-Files hatten die Rolle großer Banken bei internationaler Geldwäsche gezeigt, darunter auch Deutsche Bank und Commerzbank. Nun gibt es auch in Deutschland Ermittlungen.
Die FinCEN-Files hatten die Rolle großer Banken bei internationaler Geldwäsche gezeigt, darunter auch Deutsche Bank und Commerzbank. Nun gibt es auch in Deutschland Ermittlungen. © dpa / Patrick Pleul

Die weltweiten FinCEN-Files-Recherchen hatten die Rolle großer Banken bei Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung aufgedeckt – und beschäftigen nun auch deutsche Staatsanwälte und das BKA.

Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hervor, die BuzzFeed News und dem NDR vorliegt. Demnach seien in München und in Frankfurt am Main Ermittlungsverfahren eröffnet worden.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München bestätigte auf Anfrage: „Auszüge aus den FinCen-Files wurden an uns weitergeleitet.“ Es gäbe Bezüge zum Fall Wirecard, weitere Informationen könnten allerdings aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gegeben werden.

Auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bestätigte ein laufendes Ermittlungsverfahren. Dieses werde gegen Unbekannt und wegen des Verdachts der Geldwäsche geführt. Man habe dafür ein Rechtshilfeersuchen gestellt, so eine Sprecherin auf Anfrage. „Insoweit müssen die Ergebnisse aus dem angefragten ausländischen Staat noch abgewartet werden.“ Um welchen Staat es dabei gehe, wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen.

Das sind die FinCEN-Files

- Die FinCEN-Files legten systematisches Versagen bei Banken und Finanzinstituten offen und machten sichtbar, wie einfach es für Kriminelle ist, mithilfe der Banken Geld zu waschen.

- Der Datensatz besteht aus tausenden Verdachtsmeldungen der US-Finanzaufsicht, sogenannten Suspicious Activity Reports (kurz: SAR), die BuzzFeed News erhalten und mit dem ICIJ und mehr als 100 Redaktionen weltweit geteilt hatte, darunter auch SZ, NDR und WDR. Er umfasst rund zwei Billionen US-Dollar – und das, obwohl es sich nur einen kleinen Prozentsatz aller Meldungen aus dem betreffenden Zeitraum handelt.

- Die FinCEN-Files gaben erstmals einen detaillierten Einblick, wie Banken mit Oligarchen, Kriminellen und Mafiosi Geschäfte machten. Selbst wenn sie längst wegen Verstößen gegen Geldwäsche-Auflagen bestraft worden waren halfen manche Institute ihren kriminellen Kunden, Milliarden illegaler Dollar erst in den Finanzkreislauf zu bekommen, sie dann über die ganze Welt zu transferieren – und sie letztlich in Steueroasen und Briefkastenfirmen zu parken. Meist verdienten die Banken fleißig an ihren kriminellen Kunden mit. Nicht selten schrieben sie die vorgeschriebenen Verdachtsanzeigen (SAR) erst Monate oder Jahre später.

Mit der nun vorliegenden Antwort bestätigte die Bundesregierung auch, dass ein Teil des FinCEN-Files-Datensatzes in den Besitz des BKA gelangt ist: „Dem Bundeskriminalamt liegen drei (Teil-) Datenpakete aus dem Bestand der sog. „FinCen-Files“ aus November 2020 bzw. März 2021 vor“, so das Finanzministerium.

Insgesamt handele es sich um 59 Dateien, 124 Megabyte groß. „Bei den Daten in unterschiedlichen Formaten handelt es sich um Geldwäscheverdachtsmeldungen von Geschäftsbanken an die US- Finanzaufsicht (Financial Crimes Enforcement Network), Transaktionsdaten in Excel- Tabellen sowie Ermittlungs- und Sachstandsberichte von US-Ermittlungsbehörden.“

Zwar war die Bundesregierung von der FDP-Fraktion auch gefragt worden, auf welchem Weg sie die Daten erhalten hat – konkret: ob sie getauscht wurden, durch einen Whistleblower oder gegen Geld übergeben wurden. Doch da es sich um laufende Ermittlungsverfahren handele, wollte das Finanzministerium hierzu nichts sagen.

Schon nach den Panama Papers hatte das BKA sich den damaligen Datensatz besorgt und dafür angeblich 5 Millionen Euro an eine anonyme Quelle gezahlt. Auch die Paradise Papers waren durch Hessische Behörden ausgewertet worden.

Die staatlichen Strukturen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind in einem desolaten Zustand.

Markus Herbrand, FDP

Markus Herbrand, der für die FDP im Bundestag sitzt, dort Obmann im Finanzausschuss ist und die Anfrage gestellt hatte, erklärte gegenüber NDR und BuzzFeed News, die FinCEN-Files hätten ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein und fahrlässiges Agieren beim Thema Geldwäsche offengelegt und seien eine schallende Ohrfeige für den Finanzplatz Deutschland: „Die staatlichen Strukturen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind in einem desolaten Zustand, an dem es nichts schönzureden gibt.“

Herbrand kritisiert „das eklatante Versagen der staatlichen Aufsicht- und Kontrollinstanzen, die noch immer unkoordiniert agieren, relevante Informationen weder erheben noch diesen angemessen nachgehen und einen mangelnden Austausch mit Institutionen anderer Staaten pflegen.“ Nach all den Geldwäsche-Skandalen der vergangenen Jahre sei es an der Bundesregierung, sich frühzeitig um einen funktionierenden Datenaustausch zu bemühen.

Ähnlich äußerte sich Fabio De Masi, Finanzpolitiker und für Die Linke im Bundestag: „Wir haben bislang nicht einmal europäisch verknüpfte Transparenz- und Immobilienregister, obwohl Finanzkriminalität internationalisiert ist.“ Es könne niemanden überraschen, so De Masi, dass nun Ermittlungen zu den FinCEN Files auch im Zusammenhang mit Wirecard geführt werden. „Es ist wichtig, dass die Erkenntnisse der FinCEN-Files aufgearbeitet werden und, wo nötig, Konsequenzen für involvierte deutsche Banken gezogen werden.“

Melden Banken Geldwäsche rechtzeitig? Niemand weiß es.

Dass es durchaus Nachholbedarf gibt, was den Austausch von Informationen unter verschiedenen Ländern und Behörden gibt, zeigt eine Recherche von BuzzFeed News aus dem März: Demnach haben deutsche Behörden noch immer keinerlei Überblick darüber, ob Banken bei einem Verdacht auf Geldwäsche die Behörden wie gesetzlich vorgeschrieben rechtzeitig informieren, ob sie das viel zu spät tun oder wie oft das überhaupt nicht geschieht.

Bemerkenswert ist zudem, dass das BKA die Daten überhaupt hat und auswertet. Für Geldwäsche-Meldungen und die Überwachung des Zahlungsverkehrs ist eigentlich die Financial Intelligence Unit (FIU) zuständig, eine Abteilung des Zolls. An ihr gibt es seit vielen Jahren Kritik. Die in den FinCEN-Files enthaltenen Verdachtsmomente hätte sich, zumindest in der Theorie, die deutsche FIU auch eigenständig auf den Tisch holen können. Als Mitglied er sogenannten Egmont-Group, in der sich 161 FIUs verschiedener Länder zum informellen Informationsaustausch zusammengeschlossen haben. Sowohl Deutschland als auch die USA gehören dazu. 

Lisa Paus, Sprecherin für Finanzpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, dazu auf Anfrage von BuzzFeed News: „Die Bundesregierung hat immer wieder versucht die Bedeutung der FinCen-Files herunterzuspielen. Sie hat behauptet das Leak wären zum größten Teil alte und bekannte Informationen ohne große Relevanz. Jetzt ermitteln zwei deutsche Staatsanwaltschaften, dass passt nicht zu dem Bild, dass die Bundesregierung versucht hat zu zeichnen.“ Nach internationalen Vereinbarungen seien die nationalen Anti-Geldwäsche-Behörden verpflichtet, wichtige Informationen auf mögliche Straftaten auch über Grenzen hinweg auszutauschen. „Warum die Hinweise aus den USA zu möglichen Straftaten in Deutschland erst jetzt das BKA erreicht haben, wirft Fragen auf: Entweder die deutsche FIU hat relevante Daten von den US Behörden nicht erhalten oder sie hat die Informationen als unwichtig eingestuft und nicht weitergeleitet. Beides wäre sehr unberuhigend.“

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