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Die AfD-Politiker sind der rassistischen Gruppe „Unser Deutschland patriotisch & frei” aktiv beigetreten, sagt der Administrator

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Von: Karsten Schmehl

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BuzzFeed News hat mit dem Gründer und Administrator der Gruppe gesprochen. Er ist selbst AfD-Mitglied.

Am Freitag hatte BuzzFeed News über die geschlossene Facebook-Gruppe „Unser Deutschland patriotisch & frei” berichtet, in der 23 Bundestagsmitglieder der AfD Mitglied waren. Das ist ein Viertel der gesamten Bundestagsfraktion.

In der Gruppe wurde in den vergangenen zwei Jahren immer wieder gegen Ausländer gehetzt, es wurden Hakenkreuze gepostet und Mordfantasien gegen Angela Merkel geäußert. Trotzdem nutzten sechs der 23 AfD-Bundestagsabgeordneten die Gruppe als Werbeplattform für ihre politischen Reden und Inhalte, darunter auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Stephan Brandner.

Die AfD-Fraktion schrieb am Freitag schon vor der Veröffentlichung der Recherchen in einer Pressemitteilung von einer Diffamierungspraxis und dass mindestens 20 Mitglieder der AfD-Fraktion „ohne Kenntnis und Einverständnis“ zu der Gruppe hinzugefügt worden seien.

Nach Recherchen von BuzzFeed News ist diese Erklärung zumindest fragwürdig. „Jeder muss doch aktiv zustimmen der Gruppe beizutreten”, sagte der Gründer und Administrator der Gruppe, Carsten Spindler, im Telefonat mit BuzzFeed News. Ein automatischer Gruppenbeitritt sei nicht möglich und auch nie möglich gewesen. Spindler, ein AfD-Mitglied aus Braunschweig, demonstrierte BuzzFeed News am Montag detailliert, dass jedes Gruppenmitglied einer Aufnahme aktiv zustimmen muss.

Die AfD hatte noch am Freitag geschrieben, dass sie nun rechtliche Schritte prüfe. Auf eine diesbezügliche Nachfrage von BuzzFeed News hat die Fraktion bislang nicht reagiert. Nach Veröffentlichung der Recherchen von BuzzFeed News sind 15 der 23 Bundestagsabgeordneten der AfD aus der Gruppe ausgetreten.

Die Bundestagsfraktionen der FDP und der Grünen kritisieren die Mitgliedschaft der AfD-Mitglieder in dieser Gruppe scharf. „Einmal mehr zeigt sich, in welchen hochproblematischen Kreisen sich selbst Mandatsträger der AfD bewegen,” schrieb Konstantin von Notz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Die FDP-Fraktion schreibt: „Sollten sich strafrechtlich relevante Inhalte in den Recherchen finden, ist die Staatsanwaltschaft am Zuge und muss diese verfolgen.”

Facebook Deutschland schreibt auf Anfrage von BuzzFeed News, dass einige Inhalte der Gruppe gelöscht wurden, die gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen haben. Welche Inhalte dies sind, erklärte Facebook nicht.

BuzzFeed.de © Facebook, Screenshot BuzzFeed News

BuzzFeed News hat den Administrator der Gruppe kontaktiert. Er kann nicht nachvollziehen, wie Mitglieder automatisch in die Gruppe gekommen seien sollen.

Carsten Spindler hat als Gründer und Administrator der Facebook-Gruppe nach BuzzFeed-Recherchen mindestens 14 Profile von AfD-Bundestagsabgeordneten selbst zur Gruppe hinzugefügt. Am Telefon bestätigte Spindler die Recherchen.

Mal hat Spindler die Abgeordneten über ein mit seinem Klarnamen betriebenes Profil hinzugefügt, mal über die Profile der Administratoren „Lutz Weidler” und „Jan H. Fürchtenicht”, die beide von Spindler genutzt werden. Spindler sagte BuzzFeed News, dass er von Facebook schon mehrfach wegen Hassreden gesperrt worden sei und deshalb mehrere Facebook-Profile betreibe.

Spindler ist von der Erklärung der AfD überrascht. Bei der Gruppengründung vor zwei Jahren habe er diese bewusst so eingestellt, dass jeder Facebook-Nutzer einer Aufnahme aktiv zustimmen muss. Die Einstellungen habe er bis heute nicht verändert.

BuzzFeed News stellt den Prozess des Gruppenbeitritts mit Carsten Spindler nach. Viele AfD-Mitglieder des Bundestages waren mit ihm schon auf Facebook befreundet, bevor er sie in die Gruppe eingeladen hatte. Auch wir schließen kurzfristig mit ihm auf Facebook Freundschaft, um nachzuvollziehen, was die Bundestagsabgeordneten gesehen haben, als sie zur Gruppe eingeladen wurden.

Carsten Spindler lädt uns zur Gruppe ein und wir sehen folgendes:

BuzzFeed.de © Facebook, Screenshot BuzzFeed News

Zunächst erscheint eine solche Benachrichtigung bei Facebook. Wer auf diese Benachrichtigung klickt, bekommt folgenden Fragebogen zu sehen:

BuzzFeed.de © Facebook, Screenshot BuzzFeed News

Nach Aussagen von Carsten Spindler wird vor Aufnahme in die Gruppe das Profil einer jeden Person kurz geprüft. „Meist erkennt man ganz schnell, was für eine Person dahinter steht. Im Zweifel dann lieber die Anfrage ablehnen. Aber generell gilt: Der User muss zustimmen”, sagte Spindler.

„Wenn man so eine Gruppe anfängt, dann ist es erstmal schwierig zu wachsen. Deshalb habe ich alle, die ich aus der AfD kenne, hinzugefügt. Aber die mussten dem immer zustimmen.”

Wer kein Mitglied der Gruppe mehr sein möchte, ist mit einem Klick auf „Gruppe verlassen” wieder draußen. Ein weiterer Klick auf das Häkchen bei „Verhindere, dass dich andere Mitglieder erneut zu dieser Gruppe hinzufügen” sorgt sogar dafür, dass man auch in Zukunft nicht mehr eingeladen werden kann.

BuzzFeed.de © Facebook, Screenshot BuzzFeed News

Carsten Spindler hat die Gruppe vor rund zwei Jahren gegründet, als er die so genannte Flüchtlingskrise auf ihrem Höhepunkt sah. „45 Jahre lang habe ich mich nicht für Politik interessiert, aber Merkels katastrophale Flüchtlingspolitik hat mich aktiv werden lassen,” sagt der Mann aus Braunschweig gegenüber BuzzFeed News.

Den Vorwurf der Hassrede gegen Flüchtlinge in seiner Gruppe kann er nicht nachvollziehen: „Ich sehe das nicht so, dass es in der Gruppe Hetze auf Flüchtlinge gibt.” Spindler weiter: „Solange die Leute nur stinksauer sind und das entsprechen artikulieren – solange sie nur reden, schreiben und lesen, zünden die Menschen zumindest keine Flüchtlingsheime an.”

„Hakenkreuze? Echt? Ich habe eine Bitte: Wenn Sie das sehen, sagen Sie mir bitte Bescheid, dann ist das sofort weg.”

Gegenüber BuzzFeed News zeigte sich Spindler verärgert darüber, dass es in der Gruppe Verherrlichungen zur NS-Zeit gibt oder Hakenkreuze gepostet werden. Er bat uns sogar, ihm Hinweise über solche Beiträge zu schicken, er würde sie dann sofort entfernen. „Hakenkreuze, die blöde NS-Zeit oder Höcke – das ist alles kontraproduktiv. Es bringt uns nicht voran, wenn wir uns nur mit unserer Vergangenheit beschäftigen.”

BuzzFeed.de © Facebook, Screenshot BuzzFeed News

Mindestens 15 der 23 Bundestagsabgeordneten der AfD sind aus der Gruppe ausgetreten, nachdem BuzzFeed News sie auf die Inhalte in der Gruppe aufmerksam gemacht hat.

Acht Bundestagsabgeordnete sind noch immer Mitglied in der Gruppe. Darunter auch Stephan Protschka. „Ich gehe davon aus, dass Ihre Anfrage wenig mehr als ein müder Versuch ist, mich über fünf Ecken mit Gedankengut in Verbindung zu bringen”, schrieb Protschka auf Anfrage in der vergangenen Woche – ausgetreten ist er bis zum Montagabend dennoch nicht.

Auch der Abgeordnete Dirk Spaniel, über die Landesliste Baden-Württemberg in den Bundestag eingezogen, ist weiterhin Mitglied. Bei seinen Mitgliedsinformationen steht nun, dass er seit dem 16. März 2018 Mitglied ist. Offenbar hat er die Gruppe nach den Recherchen von BuzzFeed News verlassen, ist aber wieder beigetreten oder wurde wieder hinzugefügt.

Inzwischen reagieren andere Bundestagsfraktionen auf die Recherchen von BuzzFeed News. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen schrieb BuzzFeed News auf Anfrage: „Die Maske fällt immer mehr: Einmal mehr zeigt sich, in welchen hochproblematischen Kreisen sich selbst Mandatsträger der AfD bewegen. Wer als Abgeordneter des Deutschen Bundestages aktiv in solchen Gruppen mitmacht, dokumentiert seine demokratie- und menschenrechtsnegierende Grundhaltung.” Von Notz geht außerdem davon aus, dass es wegen der strafrechtlichen relevanten Inhalten zu Ermittlungsverfahren kommen könnte.

Auch die FDP-Fraktion äußert sich gegenüber BuzzFeed News. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann schreibt uns: „Diese Recherchen zeigen, dass viele AfD-Mitglieder und Abgeordnete völkisch-nationalistisch denken. Sollten sich strafrechtlich relevante Inhalte in den Recherchen finden, ist die Staatsanwaltschaft am Zuge und muss diese verfolgen.”

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