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Die Zahl der Gewaltstraftaten gegen LGBT* hat sich seit 2013 verdoppelt

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Von: Juliane Löffler

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Das ergibt eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, die BuzzFeed News exklusiv vorliegt.

Die Zahlen der Gewaltstraftaten gegen LGBT* haben sich bundesweit seit 2013 mehr als verdoppelt. Das ergibt der Halbjahresvergleich einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung der Linken-Abgeordneten Doris Achelwilm, die BuzzFeed News exklusiv vorliegt. Die Antworten der Bundesregierung beruhen auf der Polizeistatistik des Bundeskriminalamtes. Im Jahr 2013 wurden dort 50 Gewaltakte gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans und intersexuelle Personen erfasst. 2018 hatten sich die Zahlen beinahe verdoppelt, im ersten Halbjahr 2019 wurden bereits 57 Gewaltstraftaten polizeilich registriert. Zu den Gewaltakten zählen etwa Körperverletzung, Raub, Erpressung oder Sexualdelikte.

Die Gesamtsumme der der homo-, trans- und interfeindlichen Straftaten liegt deutlich höher: Im ersten Halbjahr 2019 wurden bereits 245 Straftaten registriert, ergab die Kleine Anfrage. Im vergangenen Jahr waren es ingesamt 351. Einen wesentlichen Anteil nehmen Körperverletzungen und Volksverhetzungen ein.

„Die Bundesregierung muss diese Situation sehr ernst nehmen und das Thema auf die nächste Tagesordnung der Innenministerkonferenz setzen“, schreibt Doris Achelwilm BuzzFeed News. Sie fordert auch die mit Hasskriminalität befassten Stellen bei den Polizeien zu stärken, öffentliche Beratungsstrukturen auszubauen und mehr Mittel für Opferschutz, Gewaltprävention und Sensibilisierung zur Verfügung zu stellen.

Immer wieder berichtete BuzzFeed News in den vergangenen Monaten über Hasskriminalität gegen LGBT*, etwa über den Fall des schwulen Christopher W., der von drei Neonazis zu Tode gefoltert wurde. Der Fall habe gezeigt, dass der Handlungsbedarf sei in diesem Feld weitaus größer ist als gemeinhin gefordert und angenommen, schreibt Achelwilm.

Auch eine gestern veröffentlichte Kleine Anfrage des queerpolitischen Sprechers der Grünen Sven Lehmann zeigt, dass auch die Zahl der Angriffe gegen queere Einrichtungen wie Gedenkstätten in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Lehmann nannte in seiner Pressemitteilung die deutlichen Zunahme homo- und transfeindlicher Angriffe „alarmierend“.

Kleine Anfrage: Hasskriminalität gegen LGBT*

Was der Grund für diese zunehmenden Zahlen ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Besondern bei Übergriffen gegen LGBT*s werden jährlich Zahlen des Bundesinnenministeriums veröffentlicht, welche nichts mit der Realität zu tun haben. Das tatsächliche Ausmaß von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und intersexuelle Menschen ist deshalb in Deutschland nicht bekannt, Fachverbände gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Ein Beispiel: In Sachsen registrierte die Kriminalstatistik von 2001 bis 2018 landesweit 62 Straftaten. Laut einer Studie des Queeren Netzwerk Sachsens gab es allein in den letzten fünf Jahren mehr als 1600 Übergriffe gegen LGBT*s.

Einen nationalen Aktionsplan gegen die Gewalt, die sich gezielt gegen eine Minderheit richtet, gibt es in Deutschland bislang nicht – anders als etwa in Großbritannien. Dort wurden neben einer umfangreichen Studie 4,5 Millionen Pfund in einen Anti-Gewalt-Plan investiert.

In Deutschland wächst das Bewusstsein bei Politiker*innen und in Behörden erst langsam. In Sachsen wurde nun erstmals eine spezielle Ansprechperson für LGBT*s beim Landeskriminalamt ernannt, in Leipzig gibt es seit wenigen Wochen eine Kommissarin, die speziell für Schutz und Gleichstellung von LGBT*s zuständig ist. Diese Maßnahmen können dazu führen, dass die Zahlen der Übergriffe steigen, weil die Fälle besser erfasst werden. Das sieht man etwa in Berlin: In dem Bundesland werden mit Abstand die höchsten Gewaltzahlen registriert – dort gibt es sowohl eine spezielle Stelle bei der Staatsanwaltschaft als auch zwei hauptamtliche Ansprechpersonen für das Thema bei den Polizeibehörden.

Doris Achelwilm schreibt jedoch, die steigende Zahl seien nicht nur durch verbesserte Erfassungsmethoden oder Meldebereitschaft bei Hasskriminalität zu erklären. „Sie resultiert wesentlich aus einem gesellschaftlichen Klima, das Minderheiten in neuer Qualität unter Druck setzt und bedroht.“

Mit der Kleinen Anfrage der Linken-Politikerin Achelwilm wurde auch gefragt, inwiefern Gewalt gegen LGBT* der Bundesregierung bekannt sind und wie die Behörden dem Gewaltanstieg entgegentreten. In der Antwort wird auf verschiedene bereits laufende Maßnahmen und Programm verwiesen. Die Bundesregierung antwortet aber auch, dass die sogenannten Ansprechpersonen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (AGL) bei der Bundespolizei die Funktionen nur im Nebenamt innehätten.

„Diese Nebenamtlichkeit reicht nicht, bei der Bundespolizei arbeiten 46.000 Polizist*innen“, schreibt Achelwilm. Sie fordert deshalb, die Ansprechpersonen besser zu stellen und aufzustocken.

Dieser Beitrag ist Teil unserer Reihe zum

Thema Hass und Gewalt gegen LGBT*s

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