„Jeder kennt wohl ein Mädchen oder einen Jungen, dem das mal passiert ist.”
Der Anlass sind Vorwürfe gegen einen prominenten Trainer in Hamburg, der eine 23-Jährige Sportlerin 2011 sexuell missbraucht haben soll. Im Hamburger Boxverband seien die Vorfälle nicht ernst genommen worden. Über den Fall hatte zuerst der „Spiegel” berichtet. Der Trainer ist mittlerweile Sportdirektor des Verbands, die Betroffene jedoch sei „komplett alleine gelassen worden”, so Scheurich.
Die Sportlerin, mit der Scheurich persönlich bekannt ist, habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe mit Mobbing und Beleidigungen innerhalb des Verbands zu kämpfen gehabt. Mittlerweile habe sie deshalb in eine andere Stadt ziehen müssen, es gehe ihr sehr schlecht.
„Natürlich ist das auch ein Thema, was uns alle betrifft”, sagt Scheurich. „Jeder kennt wohl ein Mädchen, oder auch einen Jungen dem das mal passiert ist.”
Es habe sie geärgert, dass sie und die anderen Athletinnen nicht schon früher aktiv geworden seien. „Wenn die Hilfe von außen nicht kommt, müssen wir Mädels wenigstens zusammenhalten und füreinander da sein.”
Jeder, der Missbrauch im Verein erlebt habe, könne sich an sie und die anderen Boxerinnen der Kampagne wenden. „Wir stehen zusammen und wir stehen hinter der Person.”
Auch vom deutschen Boxsportverband und vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist Scheurich enttäuscht. Diese sprachen zwar die Empfehlung an den Hamburger Verband aus, den beschuldigten Trainer währen der laufenden Ermittlungen zu suspendieren, dies sei aber nicht unmittelbar umgesetzt worden. Heute arbeitet der Mann als Sportdirektor, der Übergang sei nahtlos gewesen, so Scheurich.
„Der Hamburger Boxverband oder jeder andere Verband, bei dem so eine Situation entsteht, können einfach entscheiden, was sie möchten", sagt Scheurich. „Und der DOSB, von dem wir gedacht haben, er steht über einem normalen Verein, kann nur Empfehlungen aussprechen. Wie kann das sein?”
Das einzige Mädchen im Verein
Im Rahmen der Kampagne #CoachDontTouchMe fordern die Boxerinnen, dass es in Zukunft in jedem Verein mindestens eine Missbrauchs- oder Frauenbeauftragte gibt. „Wir haben das Gefühl, dass junge Menschen eigentlich keine richtige Anlaufstelle haben”, so Scheurich.
Auch der Ehrenkodex, den Trainer unterschreiben müssen, sei zu allgemein gehalten. Käme es zu Fehlverhalten sei nicht klar, ob und welche Sanktionen daraus folgten. Jeder unterschreibe diesen Ehrenkodex, er sei aber „wie das Kleingedruckte in einem Vertrag”, so Scheurich, das sich niemand durchlese. „Für mich wäre es wichtig, dass sich auch in den Köpfen etwas ändert.”
Deshalb geht es bei der Kampagne für sie nicht nur um Missbrauchsfälle, sondern auch um das oft frauenfeindliche Klima im Boxsport. „Es gibt so viele Sprüche, die man sich als Frau im Boxsport anhören muss. Darauf hab' ich echt keinen Bock mehr”, sagt Scheurich.
Als sie mit sechs Jahren anfing zu boxen war sie in ihrem Verein in Schwerin das einzige Mädchen. Mittlerweile boxt sie seit 12 Jahren und ist Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ihr größter sportlicher Erfolg: Vize-Europameisterin im Mittelschwergewicht 2014.
„Es macht mich immer ein bisschen stolz, wenn mir kleine Mädels schreiben: Du bist ein Vorbild für uns.”