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Diese Fußballer mussten ihr „Nazis raus aus den Stadien“-Shirt ausziehen

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Von: Marcus Engert

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Nazis raus aus den Stadien? Diese Haltung ist in Sachsen offenbar längst nicht Konsens.

Vor wenigen Tagen war der Leipziger Fußball-Club Roter Stern Leipzig zu Gast beim TSV 1860 Schildau und weil Roter Stern ein Club ist, der sich gegen Faschismus einsetzt, trugen Spieler, Verein und Fans ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nazis raus aus den Stadien“.

Nun könnte man meinen: 7. Liga, was soll da groß passieren? Doch schon die Tatsache, dass die Begegnung im Vorfeld als Hochsicherheitsspiel eingestuft wurde, zeigt: hier geht's um mehr.

Roter Stern Leipzig ist ein dezidiert antifaschistischer Club, der sich als „kultur-politisches Sportprojekt“ im Kampf gegen Rechts versteht. Schildau hingegen liegt in der sächsischen Provinz und der entsprechende Fußballverein hat sich in der Vergangenheit nicht wirklich liberal und weltoffen gezeigt.

Als die Leipziger mit den „Nazis raus aus den Stadien“-T-Shirts in Schildau ankamen, sorgte das direkt für einen Eklat.

Schildau verlangte von den Leipzigern, die T-Shirts auszuziehen. „Weil dies gegen die Absprache in der gemeinsamen Sicherheitskonferenz war, denn dadurch sahen sich wieder andere Zuschauer provoziert“, sagte Uwe Tempel, Vorsitzender des TSV 1860 Schildau.

In der Tat hatte es im Vorfeld eine Sicherheitsberatung gegeben – „unter 8 Augen“, wie Uwe Voigt, Sprecher der Leipziger Polizei, erklärt: mit je einem Vertreter der beiden Vereine, dem sächsischen Fußball-Verband und der Leipziger Polizei. Dort sei vereinbart worden, „jegliche politische Provokation zu unterlassen“. Und daran hätten sich die Leipziger nicht gehalten, findet Voigt. Er macht aber auch klar: „Das ist keine Straftat. Das ist freie Meinungsäußerung.“

„Judensterne“ und „Zeckenpack“

Die Leipziger also – zumindest der Verein, die mitgereisten Fans nicht – zogen das Shirt wieder aus. Ihnen blieb auch wenig anderes übrig, denn es stand im Raum, das Spiel gar nicht erst anzupfeifen.

Es wurde gespielt. Roter Stern Leipzig gewann 4:0. Dann versuchen Fans von Schildau den Platz zu stürmen.

Zuvor seien Rufe wie „Judensterne“ und „Zeckenpack“ zu hören gewesen. Und Fans aus dem Block der Schildau-Anhänger fielen mit für Rechte szenetypischer Kleidung auf: von Marken wie Thor Steinar, mit Stahlgewitter-Aufdruck (einer der populärsten Rechtsrock-Bands) oder der Aufschrift Weisser Arischer Widerstand. Auch T-Shirts der Neonazi-Kameradschaft Schildauer Jungs sollen aufgetaucht sein.

Bei Abpfiff, so berichten es Mitgereiste, hätten sich dann rund 20 Personen vermummt, seien auf das Spielfeld gestürmt und von der Polizei gestoppt worden. Dabei sei mindestens einmal auch der Hitlergruß gezeigt worden.

Szenen aus Schildau

BuzzFeed.de
BuzzFeed.de © Roter Stern Leipzig ´99 e.V. / Via Facebook: RSL99
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Schon bei der Anreise seien Anhänger von Roter Stern Leipzig angegangen worden. Schildauer Zuschauer hätten Leipziger Spieler bespuckt und beleidigt. „Abschließend wurden abreisende Fans als auch Spieler am Marktplatz in Schildau mit Flaschen und Steinen – trotz Polizeieskorte – angegriffen. Die Angreifer beschädigten drei Fahrzeuge, Personen wurden zum Glück nicht verletzt. Von den Personen in der Gruppe der auf dem Marktplatz wartenden Neonazis waren mindestens einige vorher auch auf Schildauer Seite im Stadion“, sagten Vertreter von Roter Stern Leipzig im Gespräch mit BuzzFeed News.

Uwe Tempel, Vereinsvorsitzender in Schildau, sieht das ganz anders. „Mir ist bekannt, dass ansatzweise kein Schildauer [sic!] oder aber jemand aus der Umgebung an diesen Ausschreiten nach dem Spiel beteiligt war. Aber da waren beispielsweise Leute aus Brandenburg in Schildau unterwegs, so etwa, die als Union-Berlin-Fans gekennzeichnet waren“, sagte Tempel in der Torgauer Zeitung.

Schildau und die Rechten

Man kann Zweifel daran haben, ob das so stimmt und die auffällig gewordenen Personen tatsächlich alle nur Zugereiste waren. „Die waren alle schon vorher dort. Die kamen aus der Kneipe am Marktplatz“, sagt einer der aus Leipzig angereisten Roter-Stern-Anhänger gegenüber BuzzFeed News.

Schon 2010 musste die Polizei in Schildau Rechtsextreme im Umfeld eines Spiels gegen Roter Stern Leipzig in Schach halten. In den Jahren danach gab es Razzien, Hakenkreuz-Schmierereien, eine immer offenere rechte Kultur – und eine Freefight-Szene, die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes mehr und mehr von Neonazis unterwandert wird.

„Wir haben in all den Jahren, seit 2010, bei den Sicherheitsberatungen auf das rechte Netzwerk in Schildau hingewiesen, zu dem der TSV eben auch gehört. Den Verein selbst. Den sächsischen Fußball-Verband. Und die Polizei. Da kommt nix, null Reaktion – Schweigen im Walde", sagt Conrad Lippert von Roter Stern Leipzig gegenüber BuzzFeed News. Dass die Rechten nichts mit dem Verein zu tun hätten, sei nichts weiter als eine lächerliche Ausrede – solange sogar szenebekannte Neonazis dort mit im Fanblock sitzen und offenbar von allen gekannt und gemocht würden.

Eine Nachbereitung des Spiels sei seitens Schildau nicht geplant, sagt der Vereinsvorsitzende Uwe Tempel: „Aus meiner Sicht ist es sehr enttäuschend, dass es in der 7. Liga so politisch zugeht.“

BuzzFeed News hat den Sächsischen Fußballverband um eine Stellungnahme gebeten. Der versprochene Rückruf blieb bisher aus. Die Polizei Leipzig erklärte, den Vorfall noch zu prüfen und auszuwerten. Der TSV 1860 Schildau erklärte auf Facebook, man habe mit all dem nichts zu tun – es seien „fremde Gewaltbereite“ nach Schildau „gelockt worden“.

Roter Stern Leipzig schreibt:

„Indem wir uns gegen Nazis positionieren, machen wir das, was der DFB von jedem Verein verlangt, was grundsätzlich von jedem*r zu erwarten ist. (...) Wir erwarten weiterhin eine grundsätzliche Positionierung des sächsischen Fußballverbandes zu dieser Problematik. Wo antifaschistische Botschaften durch ein allgemeines Transparent- und Fahnenverbot unterdrückt werden, wo selbst einfache T-Shirts mit dem Aufdruck „Nazis raus aus den Stadien“ als Provokation aufgefasst werden, wo statt dessen Neonazis schalten und walten können, da läuft etwas grundsätzlich schief!“

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Die T-Shirts übrigens entstammen einer von Babelsberg 09 initiierten Kampagne. Auch dieser Verein hatte sich gegen Rechte im Fußballstadion ausgesprochen – und kassierte dafür eine Strafe vom Nordostdeutschen Fußballverband. Der Verkauf der T-Shirts soll die Strafe einspielen – und „freie Fanprojekte bei ihrer Arbeit gegen rechte Umtriebe“ unterstützen.

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