Dieser Mann führt Menschen durch Auschwitz – und findet daraufhin Davidstern und „Polen für die Polen” an seiner Tür
Der Angriff fand nur wenige Tage nach Einführung eines neuen Gesetzes statt, dass es jedem verbietet, Polen eine Mitschuld am Holocaust zu geben.

An der Wohnung eines italienischen Touristenführers und Historikers, der Besuchern das ehemalige NS-Vernichtungslager Auschwitz zeigt, wurde vergangenen Freitag antisemitische Botschaften hinterlassen. Das berichten polnische Medien. Die Angriffe fanden nur wenige Tage nach Einführung eines neuen Gesetzes statt, dass öffentliche Wortmeldungen zur Rolle Polens im Holocaust unter Strafe stellt, wenn darin Polen eine Mitverantwortung zugeschrieben wird.
Diego Audero, der in Krakau lebt und als Touristenführer in Auschwitz arbeitet, sagte gegenüber Polsat Media, er habe einen Davidstern und den Spruch „Polen den Polen“ an der Tür seiner Wohnung gefunden. An der Wand sei „Auswitz [sic] for Poland guide!!“ („Auschwitz für den polnischen Führer“ oder „Auschwitz für Polen Führer“) gekritzelt worden. Die Polizei ermittelt.
Audero sagte BuzzFeed News: „Manche Leute hier geben dir das Gefühl, dass du nicht Teil der Gesellschaft bist, weil du kein Pole bist. Das ist schmerzhaft, denn ich bin hier komplett integriert. Ich treffe gar keine Italiener mehr, nur noch Polen. Ich liebe Krakau und Polen viel zu sehr, um von hier weg zu gehen.“
„Ich will nicht, dass die Situation politisiert wird. Es ist traurig, dass Auschwitz Menschen voneinander entfernt und trennt, das sollte nicht so sein.“

Zuvor hatte Audero dem Sender Polsat erklärt:
„Ich lebe hier seit 11 Jahren, aber seit ungefähr einem Jahr erlebe ich immer mehr Ablehnung.
Ich höre oft, dass ich in bestimmten Angelegenheiten nicht das Wort ergreifen dürfe, weil ich kein Pole bin, und dass ich generell dorthin zurückkehren solle, wo ich herkomme. Ich habe aber gar nicht die Absicht, nach Italien zurückzukehren. Ich liebe Polen, hier ist meine Heimat. Die polnische Kultur ist meine Kultur. Auch meine Freunde und Verwandten leben hier.“
Aktuell wird in Polen eine große Debatte über die Geschichte des Holocaust geführt, die sich darauf konzentriert, wie die Erinnerung an Todeslager wie Auschwitz aussehen soll. Im Februar erließ Polen ein Gesetz, dass es zu einem Verbrechen machte, von „polnischen Todeslagern“ zu sprechen – weil die besetzten Gebiete von Nazi-Deutschland regiert wurden und viele Polen das Gefühl haben, die Bezeichnung „polnische Lager“ würde sie für die Toten in einem Krieg verantwortlich machen, der 6 Millionen Polen das Leben kostete.
Das Gesetz allerdings ist so vage verfasst, dass Historiker, jüdische Gruppen sowie die israelische und die amerikanische Regierung Sorgen darüber äußerten, es könne auch jene betreffen, die etwas über die vielen antisemitischen Übergriffe von Polen während des Zweiten Weltkriegs äußerten.
Das Gesetz selbst ist populär in Polen, hat allerdings auch derart heftige Gegenreaktionen ausgelöst, dass es nun wichtige diplomatische Beziehungen gefährdet: besonders jene mit Polens langjährigem Verbündeten Israel. Es kam im Rahmen der Proteste auch zu einer Welle antisemitischer Vorfälle. Darunter ist auch der Post eines Senators, der auf Facebook historische Aufnahmen eines Juden veröffentlichte, welcher im Warschauer Getto zusammengeschlagen wird, sowie ein „Jüdisches Wörterbuch“, das einen Antisemiten als eine Person definierte, „die die Kühnheit hat, ihre Rechte vor Arroganz und Raubzug der Juden zu verteidigen.“

Hochrangige Regierungsbeamte hatten zugesichert, das Gesetz würde nicht vor dem 1. März zur Anwendung kommen, in der Hoffnung, das würde die Situation beruhigen. Doch schon am Freitag reichte eine Organisation eine erste Klage ein, um das Gesetz durchzusetzen, was die Spannungen weiter verschärfte.
Ein Sprecher der Auschwitz Gedenkstätte, Bartosz Bartyzel, sagte in einem Statement gegenüber der Redaktion Rzeczpospolita, man sei „sehr besorgt über den skandalösen und schockierenden Vorfall an der Wohnung eines derjenigen Mitarbeiter, die Menschen durch die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau führten. (...) Es handele sich um einen zugelassenen Pädagogen mit besonderer inhaltlicher Fortbildung und substantieller Qualifikation.“
UPDATE
05.03.2018, 16:26
Auf Twitter schrieb das Auschwitz Museum, man verurteile „aufs Schärfste alle Erscheinungsformen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ und man appelliere an die Behörden, „alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Untersuchung erfolgreich zu Ende zu führen und vergleichbare Ereignisse in der Zukunft zu verhindern.“
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch. Übersetzung: Marcus Engert