„Cottbus schaut hin” gibt unter Berufung auf die Betroffenen an, dass das Wachpersonal die Angreifer nicht daran gehindert habe, die Wohngruppe zu betreten. Eine Sprecherin von „Cottbus schaut hin”, sagte gegenüber BuzzFeed News: „Die Opfer wurden von der Gruppe getrieben und sind in den Eingangsbereich gegangen. Dann hätte die Tür geschlossen werden müssen. Dazu ist es nicht gekommen.”
Außerdem hätten die Sicherheitsbediensteten den Angreifern vor dem Eintreffen der Polizei die Flucht ermöglicht. In einem Blogeintrag wird einer der Betroffenen folgendermaßen zitiert: „Wir haben mehrmals zu den Wachmännern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und einfach 20-25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Treppenbereich geschlagen wurden.”
Polizeiangaben zufolge soll es sich nur um sechs bis sieben Angreifer gehandelt haben, die zusammen mit den Geflüchteten „eingedrungen” seien. Gegen die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma wird derzeit nicht ermittelt. Gegen die Angreifer ermittelt der Staatsschutz wegen Körperverletzung mit einem möglichen rechtsextremistischen Motiv.
„Wachmänner zum eigenen Schutz bis auf Weiteres versetzt”
Auf Anfrage von BuzzFeed News sendete die Distelkam Dienstleistungsgruppe eine Stellungnahme, in der sie die „teils massiven Unterstellungen durch die Initiative „Cottbus schaut hin” zurückweist. Diskriminierung lehne man kategorisch ab, Mitarbeiter würden sowohl durch das Unternehmen, als auch den Auftraggeber, in diesem Fall die Stadt Cottbus, kontrolliert.
Auf die Frage, welche internen Konsequenzen die Vorwürfe haben, heißt es von der Firma: „Viele Sachen wurden für Recherche Zwecke (!sic) zur besseren Prävention verfolgt. Einen Einsatz unsererseits gegen Einrichtungen gleich welcher Art können wir nicht bestätigen.” Die beiden Wachmänner seien „zum eigenen Schutz vor Übergriffen der Täter“ bis auf Weiteres versetzt worden.
Man hoffe, dass die Stadt Konsequenzen ziehe und die Mitarbeit mit der Sicherheitsfirma beende, sagt eine Sprecherin von „Cottbus schaut hin”.
Von Jan Gloßmann, Sprecher der Stadt Cottbus, heißt es man prüfe ob vertragswidriges Verhalten von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes vorgelegen habe. Nach derzeitigem Kenntnisstand seien keine vorherigen Vertragsverletzungen durch das Unternehmen bekannt.
Ein weiterer Vorwurf der Bürgerinitiative richtet sich gegen den Chef des Sicherheitsunternehmens, Kai Distelkam, dessen mutmaßlich rechte Gesinnung an den Aktivitäten seines Facebook-Profils erkennbar sei.
Mithilfe des Recherche-Werkzeugs Graph-Search hat BuzzFeed News Facebook auf Gruppen, Seiten, Fotos und Videos durchsucht, in denen der Inhaber der Firma Mitglied ist, die ihm gefallen, oder die er kommentiert hat.
Kai Distelkam gefallen auf Facebook Seiten rechtspopulistische Seiten wie „Einsiedel sagt NEIN zur EAE” und „Chemnitz, Sachsen, Deutschland gegen Scheinasylanten”.
Mindestens einmal, nämlich im September 2015, hat Distelkam auch seine Teilnahme für eine Veranstaltung von Pegida Chemnitz zugesagt. Außerdem ist er Mitglied von Gruppen wie „Betroffene von Ausländerkriminalität in Sachsen” und folgt verschiedenen Seiten der AfD, sowie solchen namens „Heimat und Tradition Erzgebirge”, auf denen vorrangig negative Nachrichten und Falschmeldungen über Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber geteilt werden.
Aus dem Unternehmen heißt auf die Frage von BuzzFeed News, warum dem Inhaber asylkritische und rechtspopulistische Seiten „gefallen”, während sein Unternehmen gleichzeitig für den Schutz von Objekten zuständig ist, in denen Flüchtlinge leben: „Aus einem „like“ herbei zu leiten, dass man für oder gegen etwas ist, ist wohl weit hergeholt. Wir haben allerdings alles gelöscht, damit niemand etwas falsch verstehen kann.”
Man sei gegen jede Art der Verfolgung, Diskriminierung und Gewalt und beschäftige Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
Der Verfassungsschutz Brandenburg listet die Gruppe in seinem Bericht 2016 als Jugendorganisation der rechten Hooligangruppe „Inferno Cottbus” und damit als „rechtsextremistische Organisation” auf. Distelkam hat nicht nur die Facebook-Seite der „Unbequemen Jugend” geliked, sondern auch ein Foto, hochgeladen am 24. Dezember 2015. Darauf zu sehen sind 15 vermummte Männer.
BuzzFeed News hat das Unternehmen gefragt, ob Kai Distelkam wusste, dass die Gruppe zu der die Seite gehört vom Verfassungsschutz Brandenburg als rechtsextrem eingestuft wird. Eine Stellungnahme dazu blieb aus.
Distelkam ist ebenfalls Teil der Gruppe, „Deutsch-Russische Bruderschaft”, auf deren Logo das Eiserne Kreuz und der Zarenadler zu sehen sind. Die lose Gruppierung aus der Kampfsportszene wird ebenfalls der rechten Szene zugeordnet.
Die Bürgerinitiative „Cottbus schaut hin” gibt in ihrem Blogpost an, dass Distelkam auch eine Wehrmachtsseite und einen rechtsextremen Liedermacher geliked habe, dies konnte die Suche über Graph Search nicht bestätigen.
Nach Recherchen von BuzzFeed News war und ist die Distelkam Dienstleistungsgruppe nicht nur in weiteren Flüchtlingsunterkünften deutschlandweit tätig, sondern auch für die Durchführung von Einlasskontrollen in Gerichtsgebäuden der Landgerichte Chemnitz und Zwickau zuständig. Dies bestätigt eine Sprecherin des zuständigen Oberlandesgericht Dresden.
Rechtsmotivierte Gewalt ist in Brandenburg und Cottbus zuletzt stark angestiegen
Der Übergriff auf die drei afghanischen Männer ist einer von zahlreichen rechtsmotivierten Straftaten in Brandenburg in den vergangenen Jahren. Laut dem Verfassungsschutz Brandenburg stieg die Zahl der Gewaltdelikte mit rechtsextremistischen Hintergrund mit 167 Fällen im Jahr 2016 (2015:129) stark an und war damit auf dem höchsten Stand seit 1993. Mit 30 Gewaltstraftaten steche unter anderem die Stadt Cottbus besonders hervor, so der Verfassungsschutz.