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Ein Notarzt regt sich auf, dass ein Mann starb, weil niemand Erste Hilfe geleistet hat. Dabei ist das voll einfach.

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Von: Anna Aridzanjan

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„Nichtstun hat diesen Mann getötet. Dabei wäre es so einfach gewesen.“

Dieser Notarzt machte am Dienstag nach einem Einsatz seiner Wut auf Twitter Luft: Unter seinem Profil @propofolchen erzählte er von einem Mann, der in einer Straßenbahn umkippte – und dass niemand versuchte, ihm zu helfen, bis die Rettungskräfte ankamen.

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BuzzFeed.de © Twitter: propofolchen / Via Twitter: @propofolchen

„Mann kippt in voller Straßenbahn um. Macht keinen Mucks mehr. Einer wählt 112, immerhin. Bei Ankunft des Rettungsdienstes sind beide Wagen weiterhin vollbesetzt, 50 Menschen gucken neugierig. Keiner hat draufgedrückt [= versucht, zu reanimieren]. Am Ende ist der Mann tot. Liebe Zuschauer, der geht auf Sie.“

Er klagt an, dass keiner der vielen Menschen sich zuständig gefühlt habe. Und schreibt, dass die Angst, etwas falsch zu machen, unbegründet sei. Das einzige, was Menschen bei einer Reanimation falsch machen könnten, sei: nichts zu tun.

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„Dieser Mensch hätte vielleicht leben können. Wenn Sie etwas getan hätten.

Sie haben wahrscheinlich gedacht, ein anderer wird schon. Hat aber keiner. Oder hatten Angst, etwas falsch zu machen. Haben Sie auch: Nichtstun hat diesen Mann getötet.“

Dann gibt er eine kurze und sehr einfache Anleitung, wie jeder eine Reanimation durchführen kann.

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„Dabei wäre es so einfach gewesen: bei Atemstillstand den Patienten auf den Rücken legen. In der Mitte des Brustkorbs feste drücken – ca. 5cm tief, 100 Mal pro Minute (zum Mitsingen: Bee Gees, „Staying alive“). 7 Minuten durchhalten, dann übernehmen wir. #100proReanimation“

Er räumt sogar mit der Annahme auf, dass man bei einer Reanimation immer beatmen muss.

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„Sie müssen nicht beatmen. Sie können nichts "kaputt machen". Aber Sie können Leben retten: Prüfen (Atmung?), Rufen (112!), Drücken (100/Minute). So einfach ist das. Schon verschaffen Sie dem Patienten eine deutlich höhere Chance zu überleben.“

Und er warnt davor, wie fatal es sein kann, auf eine schnelle Erste Hilfe zu verzichten.

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„Tun Sie hingegen nichts: bereits nach 5 Minuten erleidet das Gehirn irreparable Schäden. Auch wenn wir den Patienten häufig noch erfolgreich reanimieren können: der Schaden ist da. Unheilbar. Also nochmal: prüfen, rufen, drücken. Durchhalten, bis Hilfe kommt. Vielen Dank.“

Innerhalb weniger Stunden ging der Twitter-Wutausbruch viral und wurde Tausende mal geteilt und geliked. Viele Leute waren ähnlich geschockt von der Geschichte.

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Einige erzählen davon, wie sie selbst auch mal solche Notsituationen erlebt haben…

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…und dass sie sich ebenso hilflos gefühlt haben, weil niemand helfen wollte.

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Die Leute schreiben ihm auch, wovor sie Angst haben, wenn sie plötzlich reanimieren müssten. So wie diese Nutzerin.

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Doch @propofolchen versichert ihr, dass sie keine Angst haben muss.

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Einige Leute haben auch Sorge, bei der Reanimation „zu fest“ vorzugehen und dem Menschen die Knochen zu brechen.

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Doch der Notarzt bestätigt: Selbst, wenn Rippen brechen, ist das das kleinere Übel. Denn die Alternative wäre ein Hirnschaden und/oder der Tod.

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Übrigens: Wer sich nicht an den Takt von „Staying Alive“ erinnert, kann die Reanimation auch zum Rhythmus von „Highway to Hell“ durchführen …

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…oder zu diesen Songs.

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Viele Leute bedanken sich bei @propofolchen aufrichtig für seine drastischen Tweets.

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Sie freuen sich auch, endlich eine gute Anleitung für die Reanimation gelesen zu haben.

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Einigen Leuten haben die Tweets auch Selbstbewusstsein gegeben, um in einer Notsituation auch wirklich Erste Hilfe zu leisten.

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Und ein paar Leute haben diese Erinnerung direkt genutzt, um sich für einen Ersthelferkurs anzumelden.

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Wir haben @propofolchen um einen Kommentar gebeten.

UPDATE

30.03.2018, 09:55

@propofolchen hat auf unsere Anfrage geantwortet. Er möchte gerne anonym bleiben, da er befürchtet, dieser Fall könnte dadurch schneller identifizierbar werden. Dies möchte er aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht. Allerdings erzählte er uns, dass der Vorfall sich in einer deutschen Großstadt ereignet hätte und "eine Weile her (also nicht gestern, liegt aber auch nicht fünf Jahre zurück)" sei.

Als Grund dafür, warum er von diesem Vorfall jetzt auf Twitter schrieb, antwortet er: "[Das] hatte tatsächlich den Hintergedanken, Menschen zum Nachdenken, vielleicht auch zum Überdenken zu bewegen. Es geht mir nicht um den Vorwurf. Es geht mir darum, dass in den Köpfen ankommt, wie wichtig diese ersten Minuten sind. Hätte ich einen anderen Beruf gelernt, wüsste ich das wahrscheinlich auch nicht; wäre auch unsicher, was zu tun ist. Wahrscheinlich hätte ich auch vor x Jahren den letzten Erste-Hilfe-Kurs gemacht und überlegt, wie war das nochmal - beatmen? Drücken? Wie oft? Ich hätte auch gehofft, dass jemand anderes die Initiative ergreift. Darauf kann man sich aber eben leider nicht verlassen. Und wenn man nur drücken muss, sich kein Verhältnis merken muss, und auch der Ekel einer Mund-zu-Mund-Beatmung wegfällt - vielleicht fällt dann das Helfen leichter!"

Er hat nicht erwartet, wie heftig sich seine Tweets verbreiten würden. Aber damit ist er sehr glücklich: "inzwischen haben den Tweet fast 300.000 Menschen gesehen! Wenn auch nur 1% davon in Zukunft eher motiviert sind Erste Hilfe zu leisten, sind das unglaubliche 3000 Menschen - dafür hätte ich ganz schön viele Schulungen geben müssen."

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