„Wir fühlen uns völlig allein gelassen“, sagt die Anwältin der zehn Frauen, Bélen Lujan Saez, gegenüber BuzzFeed News am Telefon. Die Klägerinnnen leben mittlerweile im Haus der Anwälte, weil spanische Behörden sie nicht unterbringen. Die Anwälte betrachten die Frauen jedoch als Opfer von Menschenhandel, womit sie nach spanischem Recht Anrecht auf eine staatliche Unterbringung und Schutz hätten. Saez' Kollege Jesús Díaz Formoso hat BuzzFeed News ein Video geschickt, in dem zu sehen ist, dass die Erntehelferinnen auf dem Sofa und auf dem Boden schlafen. Aus einem ärztlichen Schreiben geht hervor, dass die Frauen wegen Angstzuständen in therapeutischer Behandlung sind.
Die Frauen haben auch Gewerkschafter angezeigt und wurden bedroht
Nach ihrer Anzeige waren die Marokkanerinnen zunächst von der Gewerkschaft „Sindicato Andaluz de Trabajadores“ (SAT) untergebracht worden. Diese hatte schriftlich versprochen, für Unterkunft und Versorgung der Frauen aufzukommen. Das geht aus einem Schreiben vor, das BuzzFeed News vorliegt. Dieses Versprechen habe die Gewerkschaft jedoch nicht eingehalten, sagten die Frauen ihren Anwälten. Die Anwälte hatten unterdessen mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne über 20.000 Euro für die Frauen und ihre Angehörigen in Marokko gesammelt.
SAT habe die Arbeiterinnen in Häusern untergebracht, zu denen sie keinen eigenen Schlüssel hatten. So hätten sie unter der ständigen Kontrolle eines Gewerkschafters gestanden. Außerdem hätten sie für die Gewerkschaft arbeiten müssen, seien aber nicht bezahlt worden. Sie erstatteten daher Anzeige gegen den Mann.
Nachdem die Erntehelferinnen nicht mehr von SAT untergebracht wurden, kamen sie nach Angaben ihrer Anwälte zu einem „Unterstützer der Kampagne“. Dieser Mann jedoch soll in seinem Haus Waffen gehortet und die Frauen damit geängstigt haben. BuzzFeed News liegen Videos vor, die zeigen, wie der Mann mit den Frauen Schießübungen macht. Außerdem soll er sich als Anhänger des Jihad ausgegeben haben. Drei der Erntehelferinnen erstatteten daher auch Anzeige gegen ihn. Der Mann soll eine der betroffenen Frauen mit einer abgebrochenen Flasche bedroht haben und versucht haben, sie zu fesseln. Sein Sohn soll gesagt haben: „Wir legen hier Streit bei, indem wir auf die Leute schießen.“ Das geht aus Dokumenten der Anwälte hervor, die BuzzFeed News vorliegen.
Die Anwälte Formoso und Saez werfen den spanischen Behörden vor, monatelang nichts unternommen zu haben, obwohl die Vorwürfe gegen „Doñana 1998“ seit Ende April bekannt seien und nun auch Vorwürfe gegen zwei weitere Männer vorlägen. Außerdem fühlen sie sich gemeinsam mit ihren Klientinnen bedroht. „Wir sind auch besorgt. Wir wissen nicht, ob es eine polizeiliche Untersuchung gibt, wir wissen nicht, wie gefährlich diese Person ist“, sagt Saez über den Mann, der die Frauen mit Waffen bedroht haben soll.
Doch damit nicht genug: Gleichzeitig erheben Aktivistinnen, die eine Crowdfunding-Kampagne für die Frauen organisiert hatten, Vorwürfe gegen die Anwälte. Es sei unklar, was mit den mehr als 20.000 Euro passiert sei, die Menschen online für die Erntehelferinnen gespendet hatten. Die Anwälte weisen diese Vorwürfe von sich. BuzzFeed News haben sie als Beleg Überweisungsträger und Kontoauszüge geschickt. Diese Dokumente zeigen Überweisungen von insgesamt mehr als 12.000 Euro an die Familien der Erntehelferinnen in Marokko. Der restliche Betrag befindet sich den Dokumenten zufolge noch auf dem Konto von Anwältin Saez.
Anwalt Formoso spricht BuzzFeed News gegenüber von Verleumdung. „Wir werden weiter gegen diese Missstände kämpfen. Wenn es nicht anders geht, auch allein“, so der Anwalt in einer Email.
Hier findest Du alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland . Mehr Recherchen von BuzzFeed News Deutschland findest Du auch in unserem Podcast , auf Facebook und Twitter oder im RSS-Feed . Mehr Informationen über unsere Reporterinnen und Reportern, unsere Sicht auf den Journalismus und sämtliche Kontaktdaten – auch anonym und sicher – findest du auf dieser Seite .
Alle Artikel zu dieser Recherche: