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NPD-Unterstützer dürfen keine Waffen besitzen, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden

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Von: Marcus Engert

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Wer sich für eine extremistische Partei engagiert, hat „in der Regel nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit.“

Wer sich für die NPD engagiert, darf keine Waffen besitzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Richter urteilten, man könne zwar auch als Waffenbesitzer Mitglied einer extremistischen Partei sein. Das gelte aber nur, wenn man sich von Gewalt, Hass, Hetze, verfassungsfeindlichen Parolen sowie jenen Parteimitgliedern, die das verbreiten, „unmissverständlich und beharrlich distanziert“.

Geklagt hatte der stellvertretende Vorsitzende der NPD im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der dort auch für die NPD in einem Kreistag und in einem Gemeinderat sitzt. Er besitzt ein Jagdgewehr und eine Pistole. Für beides wurde ihm vom Landkreis eine Waffenbesitzkarte ausgestellt.

Verfassungsschutz wies auf NPD-Mitgliedschaft hin

Der Verfassungsschutz informierte daraufhin 2010, 2014 und 2016 den Landkreis über das Engagement des Klägers für die NPD und regte an, die ausgestellte Waffenbesitzkarte wegen „waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit“ einzuziehen. Ohne eine solche Karte dürfen die Waffen nicht besessen werden.

Im März 2015 tat der Landkreis das dann auch. Die Waffenbesitzkarte wurde widerrufen, dem NPD-Mann wurde aufgegeben, seine beiden Waffen unbrauchbar zu machen. Es wurde ihm sowohl der Erwerb als auch der Besitz von Waffen, Munition oder Sprengmitteln untersagt.

Dagegen klagte der Mann. Ein Einzelrichter am Verwaltungsgericht gab ihm zunächst recht: die bloße Mitgliedschaft in der NPD reiche allein nicht aus, um zu belegen, dass man sich gegen die Verfassung richte.

Der Landkreis ging gegen diese Entscheidung in Berufung – erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage ab. Es sieht in der NPD-Mitgliedschaft sehr wohl eine Voraussetzung für die Versagung der Waffenbesitzkarte: Im Urteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es, dass „Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzen, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.“

Außerdem sei „nicht ersichtlich, dass die politische Willensbildung der NPD infolge des Widerrufs einer Waffenbesitzkarte des Klägers beeinträchtigt sein könnte. Es versteht sich ohnehin von selbst – Gegenteiliges wurde vom Kläger auch nicht behauptet –, dass der Waffenbesitz für den Prozess der politischen Willensbildung nicht erforderlich ist.“

Wer in der NPD ist und eine Waffe haben will, muss sich von der NPD distanzieren

Vor der Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht: Rechts der Kläger mit seinem Anwalt, links der die Vertreter des beklagten Landkreises.
Vor der Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht: Rechts der Kläger mit seinem Anwalt, links der die Vertreter des beklagten Landkreises. © Marcus Engert / BuzzFeed News

Dieser Auffassung schloss sich das Bundesverwaltungsgericht nun weitgehend an – mit einer Einschränkung: Zwar gelte jemand grundsätzlich als für den Waffenbesitz ungeeignet, der sich in der NPD engagiere oder in einer anderen extremistischen Partei, die die Verfassung ablehnt. Aber, so urteilten Deutschlands höchste Verwaltungsrichter, er könne durch eigenes Verhalten diese „Regelvermutung“ widerlegen.

„Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kann in einem solchen Fall nur widerlegt werden, wenn sich der Funktions- bzw. Mandatsträger in der Vergangenheit rechtstreu verhalten und sich darüber hinaus von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert hat.“

Weil eine solche Prüfung im Fall des NPD-Mannes nicht vorgenommen wurde, geht die Sache nun zurück zum Oberverwaltungsgericht. Dort wird geprüft werden, ob eine solche Distanzierung vorliegt. Für die NPD Wahlkampf machen, Mandate zu übernehmen oder einen Kreisverband zu leiten dürfte vor diesem Hintergrund aber genügen, um anzunehmen, dass eine solche Distanzierung nicht erfolgt ist.

Braucht eine Partei Sportschützen?

In der Verhandlung ging es auch um die Frage, ob ein solches Urteil nicht abschreckende Wirkung auf potentielle Parteimitglieder oder sogar Wähler haben könnte. Rechtsanwalt Arndt Hohnstädter formulierte es in der Verhandlung so: „Sportschützen und Jäger sind meistens die tragenden Säulen unserer Gesellschaft, weil das der Mittelstand ist, der Kohle hat.“

Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft allerdings machte deutlich, dass das Gericht das zwar beachten wolle, man aber auch die „Weite des deutschen Waffenrechts“ beachten müsse, dass es eben zulasse, „dass ein Sportschütze Waffen mit nach Hause nehmen darf“.

Hinweis auf die AfD?

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hatte zuvor erklärt: „Der Gesetzgeber geht im Regelfall davon aus, dass der Besitz von Waffen durch Extremisten verboten sein sollte.“

Ob diese Überlegungen auch auf Teile der AfD anwendbar sind, kam in der Verhandlung nicht zur Sprache, jedoch machte der Vorsitzende Richter eine Bemerkung, die man in diese Richtung deuten könnte: „Bitte bedenken Sie: Wir entscheiden das nicht nur für die NPD, sondern zum Beispiel auch für andere Vereinigungen, die verschiedene Flügel haben.“ Als „Flügel“ wird eine völkisch-nationale Gruppierung innerhalb der AfD bezeichnet, die sich um Björn Höcke gruppiert und vom Verfassungsschutz zum „Verdachtsfall“ erklärt wurde.

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