Politiker von Linke und FDP fordern härteres Vorgehen gegen Arbeitsausbeutung
Menschen aus der Ukraine arbeiten in Deutschland unter Zuständen, die an moderne Sklaverei erinnern. Das hatte BuzzFeed News vor kurzem in einer Recherche öffentlich gemacht. Nun reagieren Politiker aus dem Bundestag darauf.
Schwarzarbeit soll stärker kontrolliert werden. Und große Unternehmen in der Logistikbranche sollen dafür haften, wenn ihre Subunternehmer Menschen ausbeuten. Mit diesen Forderungen reagiert der Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser von der Linkspartei auf eine Recherche von BuzzFeed News über Arbeitsausbeutung ukrainischer Arbeiter*innen in deutschen Logistikunternehmen.
„Es ist beschämend für ein reiches Land wie Deutschland, dass die kriminelle Ausbeutung durch skrupellose Unternehmen nicht konsequenter bekämpft wird“, schreibt Meiser. „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass diese zum Teil mafiösen Strukturen konsequent verfolgt werden.“
Ähnlich äußerte sich auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Johannes Vogel. „Kriminelles Vorgehen muss immer sanktioniert werden. Der Rechtsstaat muss sowas auf das Härteste verfolgen“, so Vogel.
Eine Recherche von BuzzFeed News hatte vor kurzem gezeigt, wie ukrainische Arbeiter*innen offenbar systematisch mit falschen Versprechen über Polen nach Deutschland gelockt und von kriminellen Einzelpersonen, Netzwerken und Agenturen ausgebeutet werden. Hier arbeiten sie für deutsche Unternehmen.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz könnte Situation verschärfen
Nach Informationen von BuzzFeed News dürften tausende Ukrainer von diesem Betrug betroffen sein. Die Menschen scheinen in Deutschland vielfach unter Bedingungen zu leben, die man als moderne Sklaverei bezeichnen kann. Oft ist ihnen zunächst nicht bewusst, dass ihr Aufenthalt illegal ist. Später werden sie dadurch erpressbar.
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz könnte die Situation für ukrainische Arbeiter*innen in Deutschland noch verschärfen. Das sagen Expert*innen für die Bekämpfung von Menschenhandel in der Ukraine in Gesprächen mit BuzzFeed News. Das Gesetz ist seit 1. März 2020 in Kraft. Arbeitnehmer*innen ohne Studium von außerhalb der EU sollen so einfacher in Deutschland arbeiten können. Dafür gelten drei Voraussetzungen. Die Personen müssen eine formale Berufsqualifikation haben, für ihren Lebensunterhalt sorgen können und Deutschkenntnisse haben. Auf viele der ukrainischen Arbeiter*innen, mit denen BuzzFeed News gesprochen hat, trifft das nicht zu. Sie seien daher leichte Beute für betrügerische Agenturen, die ihnen gefälschte Sprachzertifikate oder andere Dokumente ausstellten, sagte etwa eine Mitarbeiterin der Nationalen Hotline für Bekämpfung von Menschenhandel im ukrainischen Ternopil.
Bundesregierung soll bei Regelungslücken schnellstmöglich nachsteuern
„Wir haben von Anfang an gesagt, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz keine ausreichende Hilfe sein wird“, schreibt auch FDP-Politiker Vogel. Er fordert ein modernes Einwanderungsgesetz mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild und eine Ausweitung der Blue Card. Die Blue Card wird von EU-Staaten für hochqualifizierte Arbeitnehmer*innen aus Drittstaaten ausgestellt – sie ist damit bisher kein geeignetes Instrument für gering qualifizierte Jobs in der Logistik, der Fleischwirtschaft oder in der Paketbranche.
Generell sei die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ein großartiger Gewinn für viele Menschen und Teil eines modernen und vernetzten Europas, so Vogel. Jedoch dürfte es nicht dazu kommen, dass ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Deutschland möglich werden. „Wenn es hier tatsächlich Regelungslücken geben sollte, dann muss die Bundesregierung schnellstmöglich nachsteuern und diese Lücken schließen.“
Auch die Linke sieht das kritisch. Pascal Meiser schreibt: „Die Bundesregierung ist hier in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die erleichterte Anwerbung ausländischer Fachkräfte nicht missbraucht wird, um Menschen aus der Ukraine oder anderen Drittstaaten in Deutschland auszubeuten.“
Nachunternehmerhaftung soll eigentlich einen besseren Schutz für mögliche Opfer bringen
Auf Anfrage bestätigte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg, dass dort mindestens zwei umfangreiche Ermittlungsverfahren geführt werden, die Bezugspunkte zur Recherche von BuzzFeed News aufweisen. Gegen die mutmaßlichen Täter wird laut Zoll bereits seit Ende 2018 ermittelt. Den Beschuldigten werde zur Last gelegt, mindestens 3000 Arbeitnehmer eingesetzt und beschäftigt zu haben, ohne Sozialversicherungsbeiträge abgeführt zu haben. Laut Zoll sei dabei ein Schaden in Höhe von rund sechs Millionen Euro entstanden.
Ermittlungen in diesem Bereich sind besonders kompliziert. Vielfach haben sich mutmaßliche Geschädigte durch Schwarzarbeit wissentlich oder unwissentlich selbst strafbar gemacht – und haben daher Bedenken, mit Behörden zu kooperieren.
Pascal Meiser fordert daher auch einen besseren Schutz der mutmaßlich Betroffenen. Opfer krimineller Ausbeutung müssten besser geschützt, muttersprachliche Beratungsangebote dringend ausgebaut werden. Betriebliche Kontrollen müssten engmaschiger sein, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit umstrukturiert und aufgestockt werden.
Zum anderen müsse die sogenannte Nachunternehmerhaftung ausgeweitet werden. Diese wurde im Oktober 2019 vom Bundestag für die Paketbranche beschlossen. Seitdem haften Versandhändler dafür, wenn Subunternehmer keine Sozialbeiträge bezahlen. Ähnliche Gesetze gibt es bereits in der Fleischindustrie und im Baugewerbe. In der Logistikbranche gibt es bisher keine Nachunternehmerhaftung. Meiser kritisiert: „Wer einen solchen kriminellen Sumpf dauerhaft austrocknen will, der muss aber auch an die großen Fische ran, die massiv davon profitieren, wenn ihre Subunternehmer und Dienstleister durch illegale Praktiken die Kosten drücken.“
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