FEO Media, die Betreiber der Quizduell-App, schweigen zu den Vorwürfen. Weder antwortete die Firma auf mehrfache Nachfragen von BuzzFeed News, noch haben wir eine Reaktion auf die vielen Vorwürfe in den sozialen Netzwerken gefunden.
Thomas-Gabriel Rüdiger, einer von Deutschlands bekanntesten Cyber-Kriminologen, beobachtet Quizduell seit Jahren. Rüdiger beschäftigt sich mit der Sicherheit von Jugendlichen und Kindern im Netz. Er warnt vor allem vor Cyber-Grooming, bei dem Erwachsene mit sexuellen Hintergedanken ganz gezielt Kontakt zu Kindern aufbauen. Rüdiger hält Quizduell für besonders relevant. „Durch die spielerische Interaktion entstehen vertrauensbildende Prozesse, die es den Täter einfacherer machen, mit einem Kind Kontakt aufzunehmen“.
„Das finde ich schon kriminell, sich da an Minderjährigen vergreifen zu wollen.“
Auch Petra Blume hat erlebt, wie Erwachsene auf Quizduell versuchen, in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen zu kommen. „Hi bin Steffen 21. Wie alt bist du?“, schrieb sie eine Person in Quizduell an. Petra Blume war neugierig, wollte wissen, wohin dieser Chat führt und gab sich als Schülerin aus. Als sie ihm mit „17“ antwortete, wurde er konkret: „Suche junge W, die sich 2000 Euro im Monat verdienen möchte.“ BuzzFeed News liegen Screenshots des gesamten Chatverlaufs vor.
Im Laufe des Chats fragte der Mann, ob sie auch dazu bereit wäre „etwas für das Geld zu tun“ und sich für einige Stunden mit seinem Opa zu treffen. Dabei hatte Blume zuvor nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass sie minderjährig sei. „Aber Geld kannste gebrauchen?“, antwortete Steffen. „Das finde ich schon kriminell, sich da an Minderjährigen vergreifen zu wollen“, sagt Petra Blume BuzzFeed News.
Blume schickt Screenshots des Chat-Verlaufs an FEO Media, die Betreiber von Quizduell. Diese raten ihr, eine Strafanzeige zu erstatten. Blume entscheidet sich dagegen, weil das die Männer nicht davon abhalte, auf der Plattform weiter zu agieren. FEO Media könne diese Leute zwar sperren, doch dann meldeten diese sich mit einem anderen Namen wieder an. „Da kann man nichts machen. Bei Quizduell kann eigentlich jeder machen, was er will“, sagt Blume resigniert.
„Ich glaube, junge Menschen und Teenager werden bei Quizduell massiv angegangen.“
In der Anonymität der App sieht auch Christian Bock ein Einfallstor für Belästigungen. „Das Problem ist, dass ich mich ohne E-Mail-Adresse anmelden kann. Wäre sowas bei der Anmeldung Pflicht, dann würden die Belästigungen sicher um 90 Prozent zurückgehen.“
Der 52-jährige aus Mittelfranken spielt seit Jahren und steht aktuell auf Platz eins der besten Quizduell-Spieler in Deutschland. Bock ist bestens vernetzt in der Quizduell-Community und kennt viele Quizzer persönlich. Bock schätzt die Gemeinschaft unter den Spielern. Er hat über die App Freunde gefunden, mit denen er sich unter anderem in einer Facebook-Gruppe austauscht. Auch er liest in den Facebook-Gruppen immer wieder von Frauen, die im Quizduell-Chat belästigt werden. „Das passiert täglich. Ich glaube, junge Menschen und Teenager werden bei Quizduell massiv angegangen.“
Bei Quizduell haben die Spielerinnen und Spieler einen Avatar. Der Spielfigur können sie ein individuelles Aussehen geben. Als Christian Bock zwischenzeitlich einen Avatar mit weiblichem Aussehen hat, erlebt er auch selbst, wovon viele Frauen berichten. „Wenn Leute glauben, dass du eine Frau bist, da ist es dann schon recht üblich, dass ein Chat schnell ins Sexuelle geht“, sagt Bock.
26-Jähriger verurteilt wegen sexueller Belästigung eines zehnjährigen Mädchens
FEO Media, die Firma hinter Quizduell, hat ihren Sitz in Schweden. Deutschland ist für Quizduell angeblich das erfolgreichste von insgesamt 16 Ländern. Seit Bestehen der App wurden rund 36 Millionen Nutzerkonten in Deutschland angelegt, zeigen Statistiken innerhalb der App. Unklar ist, wie viele der 36 Millionen Konten derzeit aktiv sind. BuzzFeed News hat FEO Media mehrfach um eine Stellungnahme gebeten, aber bis heute keine Antwort erhalten.
In mindestens einem Fall hatte Cyber-Grooming in Quizduell bereits rechtliche Folgen. 2015 wurde ein Mann aus Bremervörde vor Gericht verurteilt, weil er ein zehnjähriges Mädchen per Quizduell-Chat belästigt haben soll. Der 26-Jährige soll mit dem Mädchen Kontakt aufgebaut und ihr dann ein Dickpic zugeschickt haben. Er wurde zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und 900 Euro Geldstrafe verurteilt, berichtete die Bremervörder Zeitung.
„ Die Vorgehensweise ist für sogenannte hypersexualisierte Cybergroomer durchaus typisch.“
BuzzFeed News hat Thomas-Gabriel Rüdiger Screenshots von Menschen geschickt, die Belästigungen auf Quizduell erlebten. In den Screenshots erkennt Rüdiger bekannte Muster. „Die Vorgehensweise ist für sogenannte hypersexualisierte Cybergroomer durchaus typisch. Diese versuchen, Kinder in eine möglichst schnelle sexuelle Interaktion zu drängen, um sie dann damit zu weiteren, schwereren Handlungen zu erpressen“, schreibt Rüdiger in einer E-Mail an BuzzFeed News. „Die Überleitung auf Messenger wie KIK oder WhatsApp ist dabei auch gängig, da hier entsprechende Bilder und Videos ausgetauscht werden können.“
Cyber-Grooming ist als eine Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Strafgesetzbuch geregelt, doch der reine Versuch einer Anbahnung ist aktuell nicht strafbar. Bundesjustizministerin Katarina Barley will das ändern, sagte sie der Funke Medien Gruppe vor wenigen Tagen. Cyber-Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger ist jedoch skeptisch, ob Barleys Gesetzesvorschlag sinnvoll ist. „Es bringt wenig, die Versuchsstrafbarkeit einzuführen, wenn nicht gleichzeitig die Polizei gestärkt wird, denn diese führt ja erst diese Operationen durch.“
Wenn die Belästigungen besonders häufig werden, wechselt Petra Blume inzwischen auf einen männlichen Avatar. „Wenn ich sage, ich heiße Peter und bin 52 Jahre alt, da ist dann direkt Schluss. Klar ist das traurig, aber dann hat man wenigstens Ruhe.“
Blume sagt BuzzFeed News, dass sie die Belästigungen meistens gelassen nehme, aber darüber spreche, damit nicht noch mehr Minderjährige bei Quizduell Opfer solcher Männer werden.
Als Petra Blume neulich auf dem Handy ihres 13-jährigen Neffen Quizduell entdeckte, hat sie ihrer Schwester empfohlen, dem Sohn die Nutzung von Quizduell zu verbieten.
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