Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Masseur, der jahrelang Frauen sexuell belästigt haben soll
Der Mann soll während Ayurveda-Massagen Frauen gegenüber übergriffig geworden sein. Mittlerweile liegen zehn Anzeigen wegen sexueller Nötigung und Belästigung vor.
Von Pascale Müller
In Bremen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Masseur, der mehrere Frauen sexuell belästigt haben soll. Bekannt geworden waren die Vorwürfe durch einen offenen Brief, den betroffene Frauen am 9. März auf den Frauenseiten Bremen veröffentlicht hatten. Darüber hatte zuvor die taz berichtet.
Die Zahl der Frauen, die Vorwürfe gegen den Mann erheben, ist laut Angaben der Staatsanwaltschaft Bremen mittlerweile erheblich gestiegen. Ingesamt lägen zehn Anzeigen vor, sagte ein Sprecher gegenüber BuzzFeed News. Ermittelt werde wegen des Verdachts auf sexuelle Nötigung und sexuelle Belästigung. Die Vorfälle sollen sich im Zeitraum zwischen 2013 und 2018 ereignet haben.
Bei dem Massage- und Saunabetrieb handelt es sich um eine alternative Sauna mit Meditationsangebot und Ayurveda Massagen. Der beschuldigte Masseur soll mehreren öffentlichen Bewertungen im Internet zufolge auch der Inhaber sein.
Der Inhaber der Sauna will sich BuzzFeed News gegenüber nicht zu den Vorwürfen äußern. „Von Seiten der Sauna gibt es da gar nichts zu sagen. Die Sauna ist die Sauna und der Masseur ist der Masseur“, sagt er am Telefon.
Auf die schriftlich Nachfrage, was er dazu sagt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn persönlich richten, antwortete er bislang nicht.
Auf der Website seines Saunabetriebs steht seit Mittwoch: „Ayurveda-Massagen werden nicht mehr angeboten.“
Von den Bremer Frauenseiten, die den Brief veröffentlicht hatten, heißt es BuzzFeed News gegenüber, dass sich seit der Veröffentlichung mindestens 20 betroffene Frauen gemeldet hätten. Mit einer solchen Welle habe man nicht gerechnet.
In dem offenen Brief von vergangener Woche heißt es:
„Du bist derjenige, der rücksichtslos eine Situation ausnutzt, in der wir uns mit einem Vorschuss an Vertrauen im wahrsten Sinne des Wortes „in deine Hände“ begeben. [...] Mit dieser Situation professionell umzugehen, liegt in deiner Verantwortung. Stattdessen spekulierst du darauf, dass dein unerwarteter Übergriff auf keine Gegenwehr stößt, weil wir überrascht und verunsichert sind. Wir konnten uns nicht wehren, wir konnten nicht „Stopp“ oder „Nein“ sagen, weil du diesen Effekt ausnutzt, der uns handlungsunfähig macht. Zu wenige Frauen lernen, dass sie sich laut wehren dürfen oder sind darin geübt sich zu wehren. Diesen Umstand auszunutzen, ist allein dir anzulasten. Auch dass du gezielt sehr junge Frauen ansprichst und Gratismassagen nach der Schließzeit anbietest, zeigt, dass du darauf aus bist sie in eine Situation zu bringen in der es schwer fällt sich zu wehren.“
Die Frauen fordern:
„Wir wollen dass du die „Massagen“ aus dem Angebot nimmst und in deiner Arbeit in Zukunft professionelle Distanz zu Saunabesucherinnen wahrst, das heißt Kundinnen keine unangenehmen Gespräche aufdrängst und Abstand hältst, statt dich an nackten beziehungsweise halbnackten Frauen vorbeizudrängeln, obwohl genug Platz wäre. Keine Kundin ist zu deinem Vergnügen da!“
„Ich empfand meine Massage als sexuellen Übergriff“
Übergriffiges Verhalten durch den Masseur und Inhaber scheint schon lange ein Thema zu sein. Im Internet finden sich zahlreiche Bewertungen des Unternehmens, in denen Frauen Erfahrungen schildern, die sie als übergriffig wahrgenommen haben.
In einer Google-Bewertung der Sauna von September 2017 schreibt eine Nutzerin: „Ich empfand meine Massage als sexuellen Übergriff“. Der Masseur, so schreibt die Frau, habe ihr eine Gratismassage kurz vor Schließung angeboten. Dabei habe er sie mehrfach an Po und Brust berührt, obwohl es sich um eine Gesichts- und Rückenmassage gehandelt habe.
Im Oktober 2017 schreibt eine andere Nutzerin: „Mir gingen die Berührungen viel zu weit [...] Nach der Massage hatte ich erst einmal das Bedürfnis zu baden, um mich von den intimen Berührungen rein zu waschen.“
„Ich wurde an Stellen ungefragt angefasst, die nicht zu einer normalen Massage gehören“, schreibt eine Dritte Anfang 2018. „Ich möchte jeder Person von diesem Laden abraten.“
„Hände in diesen Bereichen sind für Männer tabu“
Martina Sofia Thurner, die Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverband für Ayurveda bestätigt auf Anfrage von BuzzFeed News, dass der Beschuldigte kein Mitglied im Berufsverband sei. Da „Ayurveda-Therapeut“ kein geschütztes Berufsbild sei, könne sich theoretisch jeder so nennen, der ein Wochenendseminar besucht habe. Mitglieder des Verbandes müssen sich an ethische Richtlinien halten, für den Umgang mit Vorwürfen sexueller Übergriffe gibt es Leitlinien.
Zu den von den Frauen beschriebenen Übergriffen sagt sie: „Im klassischen Ayurveda massieren Frauen Frauen und Männer Männer, sodass es zu solchen Situationen gar nicht kommen kann.“ Und auch wenn Berührungen in intimen Bereichen, etwa im Lendenbereich oder um die Brustwarzen im therapeutischen Ayurveda vorkommen könnten, würden diese vorher mit den Patienten oder Kunden abgestimmt und nur von gleichgeschlechtlichen Therapeuten durchgeführt. „Hände in diesen Bereichen sind für Männer tabu", so Thurner.
Empfinde man etwas als grenzüberschreitend müsse man das nicht über sich ergehen lassen, sondern solle am besten sofort aufstehen und gehen, so Thurner.
Einige der Frauen beschreiben allerdings in ihren öffentlichen Bewertungen und in dem offenen Brief, dass sie dazu nicht in der Lage waren. Das könne ganz unterschiedliche Gründe haben, sagt Silvia Zenzen, Sprecherin des Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. „Wenn ich eine Massage buche, rechne ich nicht damit, dass etwas passiert. Grenzüberschreitungen geschehen außerdem nicht plötzlich. Die Grenzen sind fließend.“
Man frage sich dann vielleicht: Gehört das noch zur Massage? Frauen reagierten deshalb ganz unterschiedlich. Manche erstarrten regelrecht, aus Angst, dass noch mehr passiere. Wichtig sei es, nach so einem Erlebnis mit der Scham nicht allein zu bleiben, so Zenzen. Sie rät Frauen, mit einer Vertrauensperson zu sprechen oder sich Hilfe bei Beratungsstellen zu holen.