„Es geht viel um den Abnabelungsprozess vom Elternhaus“: „Die Kaiserin“ ist die neue „Sisi“-Serie

Schon wieder eine Serie über Kaiserin „Sisi“ Elisabeth? Aber was für eine! Die beiden Hauptdarsteller:innen baten zum Start zum Interview mit BuzzFeed Austria.
Für Menschen, die in Österreich leben, ist Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn allgegenwärtig. Nicht erst seit den picksüßen „Sissi“-Filmen aus den 1950er-Jahren mit Romy Schneider in der Titelrolle und Karlheinz Böhm als Kaiser Franz Joseph, aber spätestens seit damals. Zuletzt, zum Jahreswechsel 2021/22, war sie Gegenstand in der doch recht deftigen sechsteiligen RTL-Serie „Sisi“, mit einem „s“, so wie sie tatsächlich gerufen wurde. Auf historische Genauigkeit wurde da weniger Wert gelegt, dafür war Sex ein nicht unwesentlicher Bestandteil.
„Die Kaiserin“ ist historisch genau, aber fit fürs 21. Jahrhundert
Das ist mit der ebenfalls auf sechs Teile angelegten Netflix-Serie „Die Kaiserin“ anders. Drehbuchautorin Katharina Eyssen war einerseits historische Genauigkeit wichtig, auch um die Umstände der Zeit einzufangen. Immerhin lag in Wien eine Revolution in der Luft, während sich an den Grenzen des Habsburger Reiches feindliche Truppen formierten. Andererseits ließ sie sich und ihren Darsteller:innen genügend Freiraum, den Stoff tauglich für das 21. Jahrhundert zu machen. Die Kostüme wurden übrigens in Wien angefertigt.
Langweilig wird es nie, schließlich bringt die junge, stürmische Liebe zwischen Elisabeth, auch „Sisi“ genannt, und Franz Joseph, dem jungen Kaiser von Österreich, das Machtgefüge der Herrscherfamilie durcheinander. Nach ihrer Hochzeit muss sich die junge Kaiserin nicht nur in einer für sie fremden Welt neu orientieren, sie muss sich auch gegen ihre Schwiegermutter Sophie durchsetzen. Diese war schließlich bis dahin die mächtigste Frau am Wiener Hof.
Die Hauptdarsteller:innen Devrim Lingnau und Philip Froissant standen Rede und Antwort
Das klingt jetzt womöglich weniger spannend als es letztlich ist, für Kitsch ist hier jedenfalls kein Platz, ohne dabei ins Vulgäre und Ordinäre zu kippen. Das liegt gleichermaßen am guten Drehbuch, der tollen Inszenierung und natürlich am feinfühligen Spiel sämtlicher Darsteller:innen. Die beiden Hauptdarsteller:innen Devrim Lingnau (Elisabeth) und Philip Froissant (Franz Joseph) standen BuzzFeed Austria im Interview Rede und Antwort.
Habt ihr die Serie selbst schon gesehen? Was gefällt euch daran?
Devrim: Ja. Dabei erkennt man als Darsteller:in auch Dinge, die hinter den Kulissen passiert sind. Ich konnte mich beim ersten Gucken gar nicht so sehr auf die Story konzentrieren. Ich bin noch nicht weit genug von den Dreharbeiten entfernt, dass ich es neutral anschauen kann. Aber ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht. Obwohl ich den Verlauf natürlich schon kenne.
Was hat euch an den Rollen gereizt? Der Stoff wurde ja schon aus vielen Blickwinkeln erzählt, im Vergleich ist er geschichtlich ja recht genau.
Philip: Einerseits ist es immer reizvoll, wenn man eine historische Figur verkörpern kann. Andererseits hat man Angst, dass man dieser Person gerecht werden muss. Ich fand es spannend, das zu channeln, wie man seinen eigenen Franz skizzieren kann. Und sich auch löst von der historischen Vorlage.
Devrim: Drehbuchautorin Katharina Eyssen hat im Schreibprozess schon viele historische Themen ins Drehbuch gepackt und was ihr wichtig war, worauf sie den Fokus setzen wollte. Wir konnten in der Vorbereitungszeit, in den Proben herausfinden, wer denn das für uns eigentlich ist. Wer ist diese Elisabeth für mich? Da wurden uns auch viele Freiheiten gegeben. Das war nur möglich, weil wir den Leuten hinter der Kamera vertraut haben und ein gutes Verständnis füreinander und das gemeinsame Projekt da war
Wie habt ihr euch vorbereitet?
Philip: Ich hab tatsächlich viele Bücher gelesen. Was ich am spannendsten und aufschlussreichsten fand, waren die Kindertagebücher von Franz Joseph, die er bis zu einem gewissen Alter geschrieben hat. So hat man einen Einblick und Zugang zu diesem privaten Franz bekommen, zu dem Unterbau.
Devrim: Da geht es mir ähnlich, ich habe mich in die Gedichte, die Elisabeth geschrieben hat, eingelesen. Nicht nur die öffentliche Wahrnehmung, wie sie als Kaiserin wahrgenommen wurde, zu recherchieren, sondern auch ihr Privatleben mitzuerleben. Ich glaube, dass unsere Rollen in manchen Dingen sehr unterschiedlich sind. Aber in Sachen Freiheitsdrang und weniger Verantwortung zu haben, da haben sie auch Gemeinsamkeiten.
Sowohl Elisabeth als auch Franz Joseph haben sehr dominante Mütter. Wie können sie sich davon emanzipieren?
Devrim: Daran beißen sich die Charaktere auch die Zähne aus. (lacht) Sie haben ja nicht nur dominante Mütter, sondern auch dominante Schwiegermütter. Dieser Konflikt steht auf jeden Fall im Raum. Es geht ja auch viel um einen Abnabelungsprozess vom eigenen Elternhaus. Und dann heiratet man in eine Familie, in der wieder eine sehr starke Mutter ist, die viel von einem abverlangt. Ich glaube, Elisabeth und Franz rotten sich auch zusammen, um eine Kraft zu bilden, um sich dieser älteren Generation entgegenzustellen. Sie haben auch neue Visionen, wie das Kaiserreich aussehen soll.
Es gibt mehr starke Frauenfiguren als Männer in „Die Kaiserin“, allen voran Franz Josephs Mutter Sophie, Elisabeths Hofdame Leontine, Gräfin Esterházy und Elisabeths Mutter Ludovika. Kann man Elisabeths Geschichte auch aus einem feministischen Blickwinkel sehen?
Devrim: Jede der Frauenfiguren, die Katharina Eyssen geschrieben hat, hat ein Ziel vor Augen, etwas, das sie erreichen möchte. Das finde ich sehr stark an der Serie, dass Wert darauf gelegt wird, Frauengeschichten zu erzählen, die sich nicht nur um ihr Liebesleben drehen, sondern auch um die eigene Zukunft. Dass sie dem nachgehen, was sie für ihr Leben wollen.
Philip: Ich finde, dass die Frauen in unserer Serie einen klareren Blick auf die Dinge haben. Die Männer sind oft vernebelt und lassen sich täuschen und zu Machtspielen hinreißen.
Devrim: Die männlichen Darsteller haben ihre Rollen so interpretiert, dass sie sehr transparent und durchlässig sind. Man kann in jeden hineinschauen, sodass man nicht nur den Konflikt im Ganzen betrachtet, sondern dass uns als Zuschauer:innen die Möglichkeit gegeben wird, sich in jeden hineinzuversetzen.
Philip: Fast alle Männer in der Serie haben eine gewisse Verletzlichkeit, was nicht immer dieses typisch Heroische und Patriarchale hat, das in dieser Zeit vorherrschend war, dass zugelassen wird, dass auch Männer ihre Schwächen zur Schau stellen.
Devrim: Bei Franz Joseph ist es ja so, dass er zwischen zwei Frauen steht, zwischen seiner Mutter und Elisabeth. Und das ist auch eine interessante Dreiecksbeziehung. Die beiden Frauen, die sich aneinander reiben und Franz, der nicht weiß, wie er diesen Ansprüchen gerecht werden soll.
„Jede der Frauenfiguren hat ein Ziel vor Augen, etwas, das sie erreichen möchte“
Habt ihr euch zur Vorbereitung auch die alten Sissi-Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm angeschaut?
Philip: Ich hab die zuletzt gesehen, da war ich vielleicht acht Jahre alt, es ist also sehr lange her. Aber ich weiß, dass sie Eindruck auf mich gemacht haben. Ich habe zu Karlheinz Böhm eine lustige Beziehung, weil ich in der siebten Klasse ein Referat über ihn gehalten habe. Man sollte zu seinen Idolen ein Referat halten und alle haben Fußballer und Musiker gewählt. Ich war ein bisschen verloren. Aber meine Eltern waren kurz davor bei einer Veranstaltung von Böhms Stiftung „Menschen für Menschen“. Und da meinte meine Mutter: „Halte doch ein Referat über Karlheinz Böhm“. Da hab ich natürlich die „Sissi“-Filme als Aufhänger benutzt. Ich habe eine Zwei plus bekommen. (lacht)
Devrim: Mir waren sie ein Begriff, aber ich hab sie nie gesehen. Und ich fand es auch gut, dass ich sie mir nicht vor dem Dreh angesehen habe. Das habe ich im Nachhinein gemacht. Ich glaube, dass das ganz gut für mich war. Gar nicht, um mich von Romy Schneider zu distanzieren oder mich mit ihrer Interpretation auseinanderzusetzen. Diese Filme aus den 1950er Jahren müssen als Produkt ihrer Zeit gesehen werden
Elisabeth und „Sissi“ sind bei uns allgegenwärtig. Welchen Bezug habt ihr eigentlich zu Österreich und Wien? Wart ihr schon einmal da?
Philip: Ich war tatsächlich mit Johannes Nussbaum, der meinen Bruder Maximilian spielt, zur Vorbereitung da. Johannes kommt aus dem Speckgürtel von Wien, er hat mir sehr viel gezeigt. Ich hab mir das natürlich alles angeschaut. Im Frühjahr hab ich zuletzt in Wien für eine andere Serie gedreht. Ich fühle mich da superwohl. Ich fand es sehr eindrucksvoll, vor der Hofburg zu stehen. Da versteht man wirklich, was für ein gigantisches Weltreich das war. Wir waren auch in der Kapuzinergruft. Das war ziemlich krass, wenn man weiß, dass man vor den sterblichen Überresten des Menschen steht, denn man verkörpern soll. Das hat ziemlich Eindruck auf mich gemacht.
„Die Kaiserin“ kannst du ab 29. September auf Netflix sehen. Übrigens: Auch Dita Von Teese ist in die Rolle von „Sisi“ geschlüpft.