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Gardasee die rettende Lösung? Italien wegen Wassermangel vor Zerreißprobe: „Katastrophe biblischen Ausmaßes“

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Von: Marcus Giebel

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Italien dürstet nach Regen. Seit Monaten. Der längste Fluss des Landes führt viel zu wenig Wasser, ein Teil der Ernte bricht weg. Der Gardasee könnte Abhilfe schaffen, doch das gestaltet sich schwierig.

München - Der Po ist in normalen Zeiten ein beeindruckendes Gewässer. Über 652 Kilometer durchstreift der längste Fluss Italiens den Nordrand des Stiefels von der französischen Grenze bis zur Adria. Gespeist wird er auf seinem Weg durch die Regionen Piemont, Lombardei und Emilia-Romagna, vorbei an Turin, Piacenza oder Ferrara auch von 141 Zuflüssen.

Aktuell gibt der Po allerdings ein eher bedrückendes Bild ab. Und damit zugleich ein alarmierendes. Denn Italien ächzt unter einer seit Wochen wenn nicht gar Monaten anhaltenden Dürreperiode. Regenfälle sind eine verblassende Erinnerung.

Mit dramatischen Folgen für den Po und die ganze Region. Teilweise liegt der Pegel derzeit acht Meter unter seinem Normalwert zu dieser Jahreszeit. Die transportierte Wassermenge ist nahe der Adria auf rund ein Zehntel des eigentlich zu erwartenden Durchlaufs zusammengeschrumpft.

Wassermangel in Italien: Gardasee soll Wasser an den Po abgeben

Nun soll womöglich der Gardasee aushelfen. Nirgendwo findet sich in der Region mehr Wasser als in dem Becken des mit einem Fassungsvermögen von mehr als 49 Milliarden Kubikmetern größten Sees des Landes - auch wenn der ausbleibende Regen hier ebenfalls seine Spuren hinterlassen hat und nur noch 60 Prozent des gewohnten Wasservorrats übrig sind.

Die zu diskutierende Frage lautet also: Kann davon einiges abgezapft werden, um dem Po wieder mehr Leben einzuhauchen? Die Vereinigung der Gemeinden am Gardasee will diesen Plan unbedingt verhindern. „Wenn wir mehr Wasser freigeben als für die Landwirtschaft freigegeben werden darf und wir damit der Bitte für den Fluss Po nachkommen, würden wir einen doppelten Schaden anrichten“, befürchtet Generalsekretär Pierlucio Ceresa.

Zugleich betonte er, dass sich die Vereinigung nicht grundlegend gegen die Idee stelle, doch es stehe nun einmal nicht genug Wasser zur Verfügung, um welches abgeben zu können. Am Ende bliebe Ceresa zufolge nicht nur „ein kranker Fluss Po“, sondern obendrein „ein kranker Gardasee“ zurück. Für die schlimmste Krise seit 60 Jahren brauche es andere Lösungen.

Unter einer Brücke ist das Flussbett teilweise ausgetrocknet
Wasserlauf des Po: Unter dieser Brücke kann man mittlerweile spazieren gehen. © PIERO CRUCIATTI/afp

Italien ächzt unter Dürreperiode: Salzwasser aus Meer läuft über Flussbett in die Felder

Viel Zeit bleibt aber nicht mehr, um die richtigen Schritte einzuleiten. So weist das Redaktionsnetzwerk Deutschland darauf hin, dass mittlerweile Salzwasser aus der Adria im Flussbett des Po ins Landesinnere vorstoße, weil der Flusspegel niedriger liege als der Meeresspiegel. Dieses Salzwasser dringe in die Felder und ins Grundwasser ein.

„Im Umkreis von 200 Metern des Flusslaufs wächst nichts mehr, die Erde ist zur Wüste geworden“, wird Giancarlo Mantovani zitiert. Der Direktor des Unterhaltskonsortiums des Podeltas warnt, es sei nur noch eine Frage der Zeit, „bis aus den Wasserhähnen Salzwasser fließt“.

Italien und die Trockenheit: Ernteausfälle bei Früchten, Gemüsen und Reis befürchtet

Im Piemont - deutlich näher am Ursprung des Po - spricht der nahe Novara anbauende Landwirt Giuseppe Casalone von einer „Katastrophe biblischen Ausmaßes“. Bereits jetzt sei ein Großteil der Produktion verloren, die Jungblumen abgestorben. Dabei wird es erst im Hochsommer - also im Juli und im August - so richtig trocken und heiß im beliebten Urlaubsland. Dann steigt obendrein die Gefahr von Waldbränden.

Nach Angaben des italienischen Bauernverbandes Coldiretti sind bereits jetzt Ernteausfälle von 30 Prozent bei den frühen Getreidesorten zu verzeichnen. Für Früchte und Gemüse wird mit 40 Prozent Ausfall kalkuliert. Wegen des Stresses für die Nutztiere sei zudem mit bis zu zehn Prozent weniger Milch zu rechnen. Beim Reis könnten laut Paolo Carrà, Präsident der Reisproduzenten von Novara, Biella und Vercelli im Piemont, sogar bis zu 70 Prozent wegbrechen.

Eine Boje liegt im Sand , an der Seite ist etwas Wasser zu sehen
Hier floss einmal der Po entlang: Vom längsten Fluss Italiens ist teilweise nicht mehr viel übriggeblieben. © Luca Bruno/dpa

Italien vor Zerreißprobe: Regierung könnte den Notstand ausrufen

Wie die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat, bereitet sich der Zivilschutz sogar auf einen landesweiten Einsatz vor, falls die Regierung um Ministerpräsident Mario Draghi wegen der Trockenheit den Notstand ausrufen sollte. In einigen Gemeinden im Piemont wird bereits das Trinkwasser rationiert - ein Vorgang, der sich ausweiten könnte.

Wie sich die tourismusstarken Monate auf die weitere Entwicklung auswirken werden, will sich wohl noch niemand ausmalen. Sicher scheint: Italien steht angesichts der möglichen Maßnahmen gegen das Austrocknen der Flüsse und die damit verbundenen drohenden Ernteausfälle vor einer Zerreißprobe.

Italien braucht dringend Wasser: Gebete für Regen in Gottesdiensten

Der Energieversorger Enel soll laut Medienberichten ein Wasserkraftwerk vorerst aus dem Betrieb genommen haben. Gemeinsam mit den Konkurrenten Edison und A2A hat das Unternehmen zugesagt, Wasser aus den Stauseen abzulassen, um den Landwirten zu helfen. Die Rede ist von insgesamt fünf Millionen Kubikmetern.

Auch in der Kirche ist der Wassermangel ein großes Thema. Der Bischof von Mailand, Mario Delpini, will am Samstag in mehreren Gottesdiensten beten „für das Geschenk des Wassers und für einen weisen Umgang mit diesem lebenswichtigen Element“. Damit folgt er dem Vorbild mehrerer Priester. Die Hoffnung, dass Gott seine um Regen flehenden Gläubigen erhört, hat sich bislang aber nicht erfüllt. (mg)

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