Die zu diskutierende Frage lautet also: Kann davon einiges abgezapft werden, um dem Po wieder mehr Leben einzuhauchen? Die Vereinigung der Gemeinden am Gardasee will diesen Plan unbedingt verhindern. „Wenn wir mehr Wasser freigeben als für die Landwirtschaft freigegeben werden darf und wir damit der Bitte für den Fluss Po nachkommen, würden wir einen doppelten Schaden anrichten“, befürchtet Generalsekretär Pierlucio Ceresa.
Zugleich betonte er, dass sich die Vereinigung nicht grundlegend gegen die Idee stelle, doch es stehe nun einmal nicht genug Wasser zur Verfügung, um welches abgeben zu können. Am Ende bliebe Ceresa zufolge nicht nur „ein kranker Fluss Po“, sondern obendrein „ein kranker Gardasee“ zurück. Für die schlimmste Krise seit 60 Jahren brauche es andere Lösungen.
Viel Zeit bleibt aber nicht mehr, um die richtigen Schritte einzuleiten. So weist das Redaktionsnetzwerk Deutschland darauf hin, dass mittlerweile Salzwasser aus der Adria im Flussbett des Po ins Landesinnere vorstoße, weil der Flusspegel niedriger liege als der Meeresspiegel. Dieses Salzwasser dringe in die Felder und ins Grundwasser ein.
„Im Umkreis von 200 Metern des Flusslaufs wächst nichts mehr, die Erde ist zur Wüste geworden“, wird Giancarlo Mantovani zitiert. Der Direktor des Unterhaltskonsortiums des Podeltas warnt, es sei nur noch eine Frage der Zeit, „bis aus den Wasserhähnen Salzwasser fließt“.
Im Piemont - deutlich näher am Ursprung des Po - spricht der nahe Novara anbauende Landwirt Giuseppe Casalone von einer „Katastrophe biblischen Ausmaßes“. Bereits jetzt sei ein Großteil der Produktion verloren, die Jungblumen abgestorben. Dabei wird es erst im Hochsommer - also im Juli und im August - so richtig trocken und heiß im beliebten Urlaubsland. Dann steigt obendrein die Gefahr von Waldbränden.
Nach Angaben des italienischen Bauernverbandes Coldiretti sind bereits jetzt Ernteausfälle von 30 Prozent bei den frühen Getreidesorten zu verzeichnen. Für Früchte und Gemüse wird mit 40 Prozent Ausfall kalkuliert. Wegen des Stresses für die Nutztiere sei zudem mit bis zu zehn Prozent weniger Milch zu rechnen. Beim Reis könnten laut Paolo Carrà, Präsident der Reisproduzenten von Novara, Biella und Vercelli im Piemont, sogar bis zu 70 Prozent wegbrechen.
Wie die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat, bereitet sich der Zivilschutz sogar auf einen landesweiten Einsatz vor, falls die Regierung um Ministerpräsident Mario Draghi wegen der Trockenheit den Notstand ausrufen sollte. In einigen Gemeinden im Piemont wird bereits das Trinkwasser rationiert - ein Vorgang, der sich ausweiten könnte.
Wie sich die tourismusstarken Monate auf die weitere Entwicklung auswirken werden, will sich wohl noch niemand ausmalen. Sicher scheint: Italien steht angesichts der möglichen Maßnahmen gegen das Austrocknen der Flüsse und die damit verbundenen drohenden Ernteausfälle vor einer Zerreißprobe.
Der Energieversorger Enel soll laut Medienberichten ein Wasserkraftwerk vorerst aus dem Betrieb genommen haben. Gemeinsam mit den Konkurrenten Edison und A2A hat das Unternehmen zugesagt, Wasser aus den Stauseen abzulassen, um den Landwirten zu helfen. Die Rede ist von insgesamt fünf Millionen Kubikmetern.
Auch in der Kirche ist der Wassermangel ein großes Thema. Der Bischof von Mailand, Mario Delpini, will am Samstag in mehreren Gottesdiensten beten „für das Geschenk des Wassers und für einen weisen Umgang mit diesem lebenswichtigen Element“. Damit folgt er dem Vorbild mehrerer Priester. Die Hoffnung, dass Gott seine um Regen flehenden Gläubigen erhört, hat sich bislang aber nicht erfüllt. (mg)