Wissenschaft will Geoengineering erforschen, um Klimawandel zu bremsen

Der Klimawandel beschleunigt sich, weshalb eine Gruppe von Forschenden das Geoengineering erforschen will. Es gilt als schnelle Möglichkeit, die Temperatur der Erde zu senken.
Frankfurt – Geoengineering wird vom Weltklimarat definiert als „eine breite Gruppe von Methoden und Technologien, die darauf zielen, vorsätzlich das Klimasystem zu ändern, um die Folgen des Klimawandels abzumildern“. Doch die Methoden sind umstritten, da ihre möglichen Auswirkungen bisher nicht ausreichend erforscht sind. Nun schlägt jedoch eine Gruppe von mehr als 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den renommierten Klimaforscher James E. Hansen Alarm.
In einem offenen Brief fordern die Forscherinnen und Forscher, Geoengineering-Ideen, die unter dem Schlagwort „solar radiation modification“ (SRM, Modifikation der Sonneneinstrahlung) zusammengefasst werden, genauer zu erforschen. Es sei „zunehmend unwahrscheinlicher“, dass die Welt unter dem Limit von zwei Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bleibe, schreiben die Forschenden in ihrem Brief, den sie auf einer eigenen Website veröffentlicht haben.
„Wir unterstützen eine rigorose, schnelle wissenschaftliche Bewertung der Durchführbarkeit und der Auswirkungen von SRM-Ansätzen, weil dieses Wissen eine entscheidende Komponente ist, um effektive und ethische Entscheidungen über deren Umsetzung zu treffen“, heißt es in dem Schreiben.
Klimawandel: Forschende fordern Prüfung von Geoengineering-Methoden
Mehrere wissenschaftliche Bewertungen seien bereits zu dem Schluss gekommen, dass „die schnellste Möglichkeit, einer gewissen kurzfristigen Klimaerwärmung entgegenzuwirken, in Klima-Interventionstechniken besteht, die die Energie, die den Planeten erreicht und ihn verlässt, leicht verändern“, schreiben die Forscherinnen und Forscher, denen zufolge es vor allem um diese drei Methoden des solaren Geoengineerings geht:
- Die Erhöhung der Menge an lichtstreuenden Aerosolen in der Stratosphäre (stratospheric aerosol injection, SAI).
- Die Zugabe von Meersalz-Aerosolen in tief liegende Meereswolken, um deren Reflexionsvermögen zu erhöhen (marine cloud brightening, MCB).
- Das Impfen von Zirruswolken mit Aerosolen, um die Menge der von der Erde zurückgehaltenen Infrarotstrahlung zu verringern (cirrus cloud thinning, CCT).
Bekannter Klimaforscher hat offenen Brief mit unterzeichnet
Der wohl prominenteste Unterzeichner des offenen Briefs ist der Klimaforscher James E. Hansen, der als einer der ersten Wissenschaftler weltweit bereits in den 1980er-Jahren vor dem gefährlichen Anstieg der weltweiten Temperaturen gewarnt hat. Die Forscherinnen und Forscher um Hansen machen klar, dass sie der Ansicht sind, dass die Verringerung der Emissionen die höchste Priorität hat.
Freunde des Geoengineerings sind sie keine, wie sie erklären: „Während wir die Erforschung voll unterstützen, bedeutet das nicht, dass wir die Nutzung von solarem Geoengineering unterstützen.“ Es geht ihnen jedoch darum, die Auswirkungen des Geoengineerings zu erforschen, bevor die Maßnahmen im scheinbar aussichtslosen Kampf gegen den Klimawandel zum Einsatz kommen.
Geoengineering gegen den Klimawandel: Aerosole in die Stratosphäre sprühen
Die Geoengineering-Methode, die von den meisten Forscherinnen und Forschern als am ehesten geeignet angesehen wird, ist das Versprühen von Aerosolen in der Stratosphäre. Die Partikel sollen Sonnenstrahlen ablenken und so den Planeten schnell um ein Grad oder mehr abkühlen helfen.
Der grundsätzliche Mechanismus ist aus der Natur bekannt: Bei Vulkanausbrüchen wird das Sonnenlicht auf eine ähnliche Weise abgelenkt. Doch beim Geoengineering stellen sich viele Fragen, die noch nicht erforscht wurden: Was passiert beispielsweise, wenn man wieder damit aufhört? Schnellt die Temperatur des Planeten dann in die Höhe? Und was machen die Aerosole mit der Stratosphäre oder der Ozonschicht? Fragen, die die Forscherinnen und Forscher gerne vorab geklärt wüssten.
Kampf gegen Klimawandel: US-Regierung interessiert sich für Geoengineering
Tatsächlich sind die Ideen des Geoengineerings längst in der Politik angekommen: Die US-Regierung hat bereits eine Untersuchung dazu eingeleitet. Vergangene Woche veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) einen Bericht, in dem weitere Untersuchungen zu den Optionen des Geoengineerings gefordert werden. Im Vorwort des Berichts schreibt die Unep-Exekutivdirektorin Inger Andersen: „Täuschen Sie sich nicht: Es gibt keine schnellen Lösungen für die Klimakrise.“ Da die derzeitigen Bemühungen unzureichend seien, würden jedoch immer mehr Stimmen laut nach „Notfall“-Optionen rufen und diese vorbereiten.
Es gibt jedoch auch eine Bewegung gegen das Geoengineering: In Mexiko wurden jegliche Experimente kürzlich verboten. Außerdem haben mehr als 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Dokument unterzeichnet, in dem sie ein Abkommen über den Verzicht auf die Nutzung des solaren Geoengineerings fordern. (tab)