Wie Forscher die Gletscher vor dem Schmelzen retten wollen

Die Gletscher schmelzen schnell und beunruhigen die Wissenschaft. Die arbeitet an zahlreichen Ideen, um die Gletscher zu retten.
München – Der Klimawandel schreitet schnell voran und vor allem das Schicksal der Gletscher beunruhigt die Wissenschaft. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach kürzlich angesichts des neuesten UN-Berichts zum Klimawandel von der „Alarmstufe Rot“. Die Gletscher schmelzen in schnellem Tempo, die ersten wurden bereits für „tot“ erklärt.
Um zu retten, was zu retten ist, arbeitet die Wissenschaft an Ideen, um das Schmelzen der Gletscher zu verhindern oder wenigstens zu verlangsamen. Die meisten der Ideen und Projekte fallen unter den Begriff Geoengineering, der Eingriffe in geochemische oder biochemische Kreisläufe der Erde beschreibt, die das Abbremsen der Erderwärmung fördern sollen.
Geoengineering zur Rettung der Gletscher vor dem Schmelzen
„Geoengineering zu machen, bedeutet oft, über das Undenkbare nachzudenken“, erklärte der Glaziologe John Moore von der Universität Lappland in einer Mitteilung zu einer Studie, die der Forscher 2018 gemeinsam mit dem Forscher Michael Wolovick veröffentlichte. Die Idee der beiden: Eine Mauer unter Wasser könnte verhindern, dass warmes Wasser den Grund eines Eisschelfs erreicht, der sehr empfindlich ist und leicht schmelzen kann.
Eine zweite Idee des Forschungsduos: Künstliche Hügel oder Säulen auf dem Meeresboden könnten einen Gletscher stützen und ihm beim Nachwachsen helfen. „Wir haben uns sehr einfache Strukturen vorgestellt, einfache Sand- oder Kieshaufen auf dem Meeresboden“, erklärte Wolovick. Die beiden Forscher testeten ihre Idee im Modell am Thwaites-Gletscher, der auch unter dem Namen „Weltuntergangsgletscher“ bekannt ist und in der Vergangenheit vermehrt Schlagzeilen machte, weil er schnell schmilzt und für einen großen Teil des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich ist.
Geotextilien können Gletscher schützen – sind aber teuer
Eine andere Idee, die längst in der Praxis eingesetzt wird, ist die Verwendung von sogenannten Geotextilien. Gemeint sind damit weiße Textilplanen, mit denen Teile von Gletschern abgedeckt werden, um sie zu schützen. Tatsächlich können sie die Gletscherschmelze reduzieren, wie der Glaziologe Matthias Huss (ETH Zürich) in einer Studie herausgefunden hat. Gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte er: „Die Skigebiete machen das so, dass sie diese Tücher immer im Frühjahr, wenn die Skisaison vorbei ist, auf das Eis legen und dann im Herbst wieder zusammenrollen.“
Das reduziere die Schmelze im besten Fall um etwa 50 bis 70 Prozent, so der Forscher. „Man kann wirklich den Gletscherrückgang an dieser Stelle reduzieren, teilweise kann man den Gletscher wieder leicht aufbauen. Aber es ist sehr aufwendig“. Die Methode bedeutet nicht nur großen Aufwand, sie ist auch teuer: „Wir haben berechnet, wie viel es kostet, um einen Kubikmeter Eis zu retten. Und wir sind da auf Zahlen gekommen zwischen 0,5 bis 8 Schweizer Franken pro Kubikmeter“, erklärt Huss.
Kunstschnee kann helfen – schadet jedoch der Ökobilanz
Um alleine alle schweizerischen Gletscherflächen durch Geotextilien zu schützen, müsste man der Studie zufolge mit mindestens einer Milliarde Franken (entspricht etwa einer Milliarde Euro) pro Jahr rechnen. „Wenn wir alle Schweizer Gletscher abdecken würden, könnten wir den Verlust, den sie im Moment erfahren, nur um etwa die Hälfte ausgleichen“, weiß der Forscher.
Auch die Idee, Gletscher mit Kunstschnee zu beschneien und so dafür zu sorgen, dass weniger abschmilzt, scheitert Huss zufolge auch am Geld: Zwar bringe künstlicher Schnee etwas und der Gletscher gehe etwas weniger zurück – doch die Kosten lägen beim Vierfachen der Geotextilien, so der Fachmann. Auch die große Menge an Strom, die benötigt werde, sei ein Problem für die Ökobilanz.

Beste Lösung zum Schutz der Gletscher: Treibhausemissionen reduzieren
Zu den weiteren Ideen der Forschung zählen die Züchtung künstlicher Gletscher (sogenannte Eis-Stupas) und die Eindämmung von Rußpartikeln. Da diese den Schnee und das Eis dunkel färben, kann es schneller schmelzen, da es mehr Sonnenlicht und Wärme absorbiert.
Auch wenn die Ideen teilweise umsetzbar sind und im Modell oder in der Praxis erste Ergebnisse zeigen, scheint der beste Weg zur Rettung der Gletscher ein anderer zu sein: Die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren und versuchen, den Klimawandel rechtzeitig zu bremsen. (tab)