Forscherin macht Frauen in der Wissenschaft mit Wikipedia-Biografien sichtbar
Frauen sind weniger oft auf Wikipedia? Das muss sich ändern, findet Physikerin Jess Wade und sagt dem Gender-Gap mit über 1750 Wikipedia-Biografien den Kampf an.
Frauen sind in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert. Genauso auch in Führungspositionen von Unternehmen oder in der Politik – gerade auch auf lokaler Ebene. Im Interview spricht die trans* Frau Caroline Farberger davon, dass „Männer nicht wissen, was für ein Privileg sie haben“ – sie seien in Vorständen schließlich immer unter sich, während Frauen sich anpassen müssen, um dazuzugehören. Frauen bewerben sich auch seltener bei Quizshows – eine Erklärung liefert das „Gender Confidence Gap“. Frauen sind kritischer, was ihr eigenes Wissen anbelangt.
Frauen in der Wissenschaft: Viele tauchen nicht einmal auf Wikipedia auf
Schaut man sich den Anteil der Professorinnen an den fünfzig größten staatlichen Universitäten in Deutschland an, wie es das ZEIT Magazin 2018 getan hat, zeigt sich ein bundesweiter Durchschnitt von gerade einmal 23 Prozent. Frauen in der Forschung gibt es immer noch weniger oft als Männer. Umso schlimmer, dass die, die es gibt, nicht einmal auf Wikipedia auftauchen, findet Jess Wade aus Großbritannien.
Wade ist Physikerin und stellte vor fünf Jahren durch Zufall fest, dass eine ihr sehr bekannte amerikanische Klimatologin Kim Cobb keine Wikipedia-Seite hatte. „Ich habe sie bei einer Wissenschaftsveranstaltung getroffen und war sehr beeindruckt“, sagt sie der Washington Post. Dass sie keinen Eintrag in der größten Online-Enzyklopädie der Welt hatte, beunruhigte die 33-Jährige. Sie habe als Wissenschaftlerin schließlich viel bewirkt und Wikipedia werde immerhin von zwei Milliarden Menschen im Monat gelesen.
Wade schrieb in fünf Jahren mehr als 1750 Wikipedia-Seiten für Frauen
Jess Wade beschloss laut Washington Post, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und schrieb seit 2017 mehr als 1750 Wikipedia-Seiten für Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen – besonders auch Frauen aus Minderheiten, die noch stärker unterrepräsentiert sind. Hier zeigen wir deswegen auch 11 historische Fotos von Schwarzen Frauen, die Geschichte geschrieben haben. Laut „WikiProject Women in Red“ sind derzeit nur 19 Prozent der englischsprachigen Wikipedia-Biografien über Frauen. Wade sieht das kritisch, denn wenn Leute wissen, wer man ist, hat man als Wissenschaftlerin mehr Möglichkeiten.
Wade selbst ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Imperial College London und arbeitet mit der Raman-Spektroskopie, einer Technik, die in der Chemie unter anderem zur Identifizierung von Molekülen eingesetzt wird. Ihre eigene Wikipedia-Seite zeigt, dass sie schon einige Preise gewinnen konnte – unter anderem den Julia Higgins Award.
So wie ihre eigene Wikipedia-Seite aussieht, haben es alle Frauen in der Wissenschaft verdient, findet die 33-jährige Forscherin. Sie will mit ihrem Einsatz auch erreichen, dass allgemein mehr Frauen in MINT-Berufen arbeiten. Dafür müssen sich Mädchen diese Berufe jedoch auch zutrauen und nicht immer wieder mit Gender-Stereotypen konfrontiert werden. Spanien verbietet deswegen Werbung, die Geschlechter-Klischees bedient.
Biografien über Frauen auf Wikipedia – Anteil von 15 auf 19 Prozent gestiegen
Oft sitzt Jess Wade mehrere Stunden an ihrem Schreibtisch und sucht online nach inspirierenden, weniger bekannten Wissenschaftlerinnen, über die sie eine Wikipedia-Seite schreiben kann. Der Washington Post erzählt sie, dass sie oft 20 Internet-Tabs gleichzeitig geöffnet hat und Bibliotheksarchive und institutionelle Websites durchsucht. Für eine Biografie braucht sie immerhin einige Stunden. Es sei zwar auch mühsam, aber gleichzeitig einzigartig erfüllend – und lehrreich.
Wades Arbeit und auch die von anderen Frauen, die Wikipedia-Artikel schreiben (zum Beispiel Emily Temple-Wood) trägt Früchte: Wikipedia teilt der Washington Post in einer E-Mail mit, dass die Zahl der Biografien über Frauen wächst. „In den letzten drei Jahren ist der Anteil der Biografien auf der englischen Wikipedia, die sich mit Frauen befassen, von 15 auf 19 Prozent gestiegen. Das mag wie eine kleine Änderung erscheinen, aber es repräsentiert mehr als 75.000 neue Biografien über Frauen“, sagt Anusha Alikhan, Vizepräsidentin für Kommunikation bei der Wikimedia Foundation.
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