„Das gesamte Leben ist online“: Petition will Kinderrechte auf Instagram & Co. schützen

Bei manchen Influencer:innen kennen wir das Lieblingsessen und die Krankheiten ihrer Kinder. Eine Petition fordert endlich mehr Schutz für die Kleinen.
Hinweis: Dieser Artikel thematisiert Pädophilie und Kindesmissbrauch.
Kinder, die lustig durchs Wohnzimmer hüpfen. Oder welche, die vom Eis essen einen verschmierten Mund haben. Solche Videos gibt es tausende auf TikTok und Instagram. Die Petition „Kinderrechte auf Instagram wahren“ zeigt, dass das nicht einfach nur süß sein kann: Sie kritisiert, dass Influencer-Eltern die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder verletzen.
„Bei vielen Elternblogger:innen werden die Kinder halbnackt oder schlafend gefilmt“, heißt es. Durch diese Zurschaustellung werde die Privatsphäre der Kinder „irreparabel beschädigt“. Verhalten sich Influencer-Eltern am Ende schlimmer als Helikoptereltern?
Wer Influencer:innen lange folgt, kenne Alltag der Kinder „bis ins Detail“
Nicht nur Nacktheit und intime Situationen von Kindern sind laut der Petition ein Problem: „Das gesamte Leben ist online“. Das beginne schon, wenn Eltern beim Stillen ihre Babys filmen. „Gerade, wenn man jahrelang folgt, kennt man die komplette Kindheit und den Alltag bis ins Detail, von Einrichtung des Kinderzimmers, Schlafgewohnheiten, Essverhalten, Hobbys, Krankheiten“, sagt Sara Flieder, die die Petition startete, gegenüber BuzzFeed News DE.
In Deutschland haben Kinder laut der Petition kein Recht auf Schutz im digitalen Raum. „Eltern haben sämtliche Rechte, über ihre Schutzbefohlenen zu bestimmen. Viele sind sich sicherlich über die Risiken klar, nehmen sie aber bewusst in Kauf“, heißt es. Flieder fordert deshalb ein Kinderrecht auf „Schutz der eigenen Intimsphäre, insbesondere in den digitalen Medien“. Sie richtet ihre Petition direkt an die Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Über 37.000 Menschen (Stand: 20. Januar 2023) haben bereits unterzeichnet.
Auch bei der Bildung von Kindern läuft einiges schief – hier sind 5 Dinge.
Für Influencer:innen sollen laut der Petition fortan folgende Regeln gelten:
- „Keine halbnackten (in Windeln oder Badesachen) oder gar nackten Bilder von Kindern
- Keine Informationen über Name und Wohnort der Kinder (Damit ist der genaue Wohnort gemeint, der Rückschlüsse auf die besuchte Kita/Schule ziehen lässt)
- Keine persönlichen Informationen über akute Krankheiten, Toilettengänge, Essverhalten
- Keine Kinder für Werbung, es sei denn, es ist gesetzlich geregelt und kontrolliert wie bei öffentlichen Werbedrehs/Shootings
- Kein Zeigen der privaten Räume der Kinder
- Keine Videos, in denen Kinder bloßgestellt werden (in denen sie fallen, von den Eltern geärgert werden, einen verschmierten Mund haben, auf der Toilette sitzen, in „lustigen“ Positionen eingeschlafen sind)“
Wer steckt hinter der Petition?
Flieder arbeitete lange als Social-Media-Referentin für ein Kinderhilfswerk und setzte sich mit Kinderrechten auseinander, erzählt sie gegenüber BuzzFeed News DE. „Ich habe dadurch angefangen, verschiedenen Influencer:innen zu folgen und mit Schrecken gemerkt, dass man bei vielen einfach ALLES über die Kinder weiß.“ Irgendwann habe Flieder einige der Kinder sogar auf der Straße in ihrem Wohnort Hamburg erkannt. „Mir wurde bewusst, wie absurd das eigentlich ist und wie sehr das die Privatsphäre der Kinder verletzt.“
Für Kinderarbeit gibt es Regeln im Jugendarbeitsschutzgesetz
Aber ist es Kindern denn erlaubt, selbst Influencer:innen zu sein? In Deutschland ist die Beschäftigung von Kindern verboten, so steht es Jugendarbeitsschutzgesetz. Die Aufsichtsbehörde kann jedoch bewilligen, dass Kinder in bestimmten Zeiträumen bei Hörfunk, Fernsehen, Film, Theater oder Werbeveranstaltungen mitwirken. Das gilt nur für Kinder ab drei Jahren. Kinder über drei bis sechs Jahre dürfen maximal zwei Stunden am Tag arbeiten. Bei Schulkindern und Jugendlichen sind es drei Stunden.
In der Petition wird kritisiert, dass manche Influencer-Eltern Geld mit ihren Kindern verdienen, ohne sie gesetzlich anzumelden. Die Kinder werden „für Werbungen vor die Kamera gezerrt und niemand kontrolliert deren Arbeitszeiten“. Die Petition fordert, dass sich das ändern muss.
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Gefahren für Kidfluencer:innen: Pädophilie und Mobbing
Können Kinder die Bilder nicht einfach später löschen, wenn sie nicht damit einverstanden sind? Nicht wirklich, heißt es in der Petition. „Das Netz vergisst nichts.“ Selbst gelöschte Bilder zirkulierten weiter. „Pädosexuelle laden Kinderbilder runter und schleusen sie ins Darknet ein – wo die Kinder gerated werden“, heißt es zudem. Dabei gehe es nicht nur um Bilder, die Nacktheit zeigen, sondern auch ganz gewöhnliche.
Eine Recherche von STRG F zeigt, dass Pädophile eigentlich harmlose Bilder von Kindern zum Beispiel von Instagram herunterladen und in Foren in sexuellem Kontext veröffentlichen. Auch Mobbing von Mitschüler:innen sei ein Risiko solcher Videos, deshalb fordert die Petition endlich mehr Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kindern im digitalen Bereich.
Die Organisation „Kein Täter werden“ hilft deutschlandweit Erwachsenen und Jugendlichen, die sich zu Kindern hingezogen fühlen.